Wohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Frustra rogatur, qui misereri nescit.^[1] Dieses verhoffe nicht, daß es beÿ dero Wohlgebohrn und Gnaden statt haben solle, sondern glaube gäntzl. daß durch mein vieles höchstens thringendes Bitten und Flehen, das Hertz endl: erweichet, und sich erbitten laße, dahero meinen elenden und Seelengefährl: Zustand zu erwägen, die Sache zu beschleunigen um Gottes Willen bitte, daß mir die Seele eine Rettung finden möge, dann fürwahr beÿ längerer Anhaltung absonderlich da jetzo von vielen Schmertzen und Wehetag nichts mehr außzustehen vermag, ich wo es nicht natürlicher weise geschehe, ich mir dieses vornehmen müste umb nur von dem Jammer und Schmertzen zu kommen, daß resoluta mors vita miserabili potior^[2] seÿe; diesen Einschl:^[3] ersuche gehorsambst an dero Hochwohlgebohren und Gnaden Herr Volckamer^[4] bäldigst abzugeben, ich werde davor Gott anruffen umb dero langes Leben und beständiges hohes Wohlergehen in mittels aber auch in devotester Submission verharren

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

é Carcere den 11: Octobris. 1733:

demüthigst bittend
Johann Philipp Andreae.

Fußnoten

1. ↑ Frustra rogatur qui misereri nescit: Wo keine Gnade ist, ist alles Bitten vergebens.
2. ↑ resoluta mors vita miserabili potior: ein erlösender Tod ist besser als ein elendes Leben.
3. ↑ Möglicherweise ist der Brief vom 10.10.1733 gemeint.
4. ↑ Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1704 Alter Genannter im Rat, 1708 wurde er Ratsbaumeister. 1713 wurde er älterer Bürgermeister, 1732 dritter Oberster Hauptmann. 1736 wurde er zum zweiten Losunger gewählt, 1744 wurde er vorderster Losunger.
   Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 1060-1062
   Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.