Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Löffelholz, Johann Carl (1673-1756)
Ort Nürnberg
Datum 11. Dezember 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 364-366
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohlgebohrne, Gnädige Herren.

Ich zweifle nicht, daß mein dermahliges Ansuchen auch kein Gehör finden und ich nicht die geringste Gnade erhalten werde, damit ich doch nur mich eines geringen Soulagements[1] getrösten könne. Es ist bekandt, daß vor ¼ Jahr ein Portugaleser an mich geschrieben, darinnen vor 80: fl: Arbeit begehrt, weilen mir diese subtile Arbeit in dem düsteren Carcer, wo ich beÿ dermahligen trüben Wetter deß tages nicht 3: stund sehen kan, nicht verfertigen kan, so habe Euer Wohlgebohrn und Gnaden durch dieses nochmahlen bitten wollen mir nur 8: Tag Zeit zu laßen, daß zu Hause solche verfertigen kan, umb diesen Freund mit der Arbeit bedienen zu können; mir wäre zwar nichts daran gelegen, ich wolte mich schon biß zu volligen Außgang dieser Sache gedulten, wann nicht die Arbeit mit der in 14. Tag abgesenden Geleitsgutschen solte abgesandt werden, welches Hl: Volckamers[2] Hochwohlgebohrn und Gnaden selbsten werden aus dem Brieff gelesen haben, weilen nun die Meße meiner wahren wegen nicht länger aufgeschoben wird, so hoffe auch daß Ein HochEdler Rath hierinnen wird ein Mittel wißen, damit biß künfftigen Dienstag in so lang nach Hauß gelaßen werde, biß diese Arbeit gar zum stand gebracht, wozu ich längstens 8: Tag brauche, umb mit der Gleitsgutschen absenden zu können, ich verobligiere mich entweder auf Begehrn nach Verlauff dieser Zeit wider in Gehorsam einzustellen oder hinlängl. Caution zu schaffen, was von mir verlangt wird: dabeÿ aber versichere ich, daß der Andreae mit seiner Wenigkeit vieles nutzliche beÿtragen kan, so hiesiger Republique anständig seÿ wird, welches aber in einem solchen Carcer zuruckbleiben muß und gewiß Wohlgebohrne Gnädige Herren, nicht ein jedes Kind läßt sich mit allzu strenger schärffe zihen, sondern es wird dann und wann obstinater, manches beßert sich mit Vorweisung der Ruthe, manches gibt auf gute Wort und freundliches Zureden. Ein kluger Regent wird mit allzu harten Straff und Unfreundlichkeit die Hertzen und Gemüther seiner Untergebenen nicht an sich zihen, sondern eher viele Flüche auf sich laden, ich will zum Exempel nur zwejen Ministern gedencken, Hl: Geh: Rath von Seckendorff[3] thut mit seiner Leuthseeligkeit und Sanftmuth alle Unterthanen im gantzen Hochfürstl: Lande solcher gestalten zur Liebe bewegen, daß alle parat Leib und Leben vor Ihne zu wagen, ich habe ein Exempel gesehen, als ich einesmahl von Anspach auf daß Jagdschloß Schwaningen in seinem Wagen mit Ihme gefahren, und ist gewiß daß liebe auch gegenliebe erwartet, das contrarium hingegen ist, wann man den Churbaÿerischen Minster Herrn Max von Preisung[4], mit deme ich öffters gespeiset, in Betrachtung zieht, dieser Herr ist naonn[?], schafft die Unterthanen mit Schärffe ab,

[Blatt 365]
gibt ihnen schlechte oder gar keine Audienz, laufft vor Ihne weg von einer Stuben in die andere, man frage aber Churbaÿerische Unterthanen, was sie von Ihme halten, Sie seegnen ihn in das angesicht, und wo Sie ihn mit einem löffel Waßer ertrincken können, sie werden nicht mehrers nehmen, ich sage also nur, daß die allzustrenge Schärffe beÿ jeziger Zeit nicht so viel würckt als Sanfftmuth und Leuthseeligkeit; man probiere einmahl etliche Monath deß Hl.: von Seckendorffs seine Art, man sehe zu, wie sich die Gemüther der hiesigen Burgerschafft ändern, dann man klagt über nichts so viel als über das rauhe verfolgen der hiesigen Burger, es würde in kutzem ein anders aufsehen haben:

WohlGebohrner Gnädiger herr, ich schreibe meine Gedancken manchmahlen, wovon ich außerhalb raisionieren höre, und ich weiß auch, daß ich nicht fehle, ich kan aber auch mit Gott bethrauern, daß der Andreae die Gnade gehabt beÿ einem großen König, vielen Fürsten, Graffen und hohen Ministern in gutem ansehen zu stehen, und manchmahlen zu wichtigen Sachen bin genommen worden, und wäre mein Weib nicht so erpicht auf ihr Vatterland gewesen, ich wäre kein Gefangener, sondern ein angesehener Mann, jedoch habe ich mich auch zu rühmen, daß kein Potentat, kein Minister von mir sagen wird, daß jemahlen zu Schaden meiner Vorgesetzten beÿ solchen Persohnen etwas geredet, ob ich gleich nach dem Nürnbergischen Pracht mich nicht aufführe, sondern mein Geld auf curiose und andere Sachen gewendet, welches ein anderer auf den Staat appliciert, so ist jederzeit mein Trost gewesen, daß Ein großer Herr mir in weniger Zeit die kostbarsten Kleider, ja reich und ansehnlich machen kan, allein keine natürliche gesunde Vernunfft ist mir der höchste Monarch in der Welt nicht capabel zu geben, dahero ich auch bedaure, daß so lange Zeit in diesem Rauchloch und beÿ der herannahenden heiligen Zeit auf ihren gefängnuß Stuben verderben muß. Meine Bitte gehet also einig und allein dahin; daß ich möchte auf 8: Tag erlediget werden, gegen Caution oder wie es Einem HochEdlen Rath beliebig damit die Leipziger Meße doch mit der bestellten Arbeit bedienen kan, ich werde für solche Gnade auch in der That zeigen, daß ich mit allem unterthänigstem Respect seÿe

Wohlgebohrner Gnädiger Herr

é Carcere den 11. 10bris
1733.

Dero
Treu Gehorsamste
Johann Philipp Andreae
Mathematicus


Fußnoten

  1. Soulagement: Erleichterung.
  2. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war Ratsherr und Triumvir. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.
  3. Gemeint ist der Ansbacher Geheimrat Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759).
  4. Möglicherweise Johann Maximilian IV. Emanuel von Preysing (1687-1764).