Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Zumbach von Koesfeld, Lothar (1661-1727)
Empfänger Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Ort Leiden
Datum 24. Juni 1707
Signatur UB Basel: L Ia 730 Bl. 208v-211r (Abschrift)
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdel-Hochgelehrter Insonders Hochge-
ehrter Herr Professor,

Daß Mhhl. auf seine beyde letztere Schreiben so langsam antworte, ist die Ursache gewesen, außer vielen andren Verhindernißen, daß ich etwan über die 5 Wochen lang aus Holland verreiset bin gewesen nacher Cassel, wohin mich Ihro Durchl. der Herr Landgraff hat laßen ruffen und einen Professoratum Matheseos laßen anbieten, weil er, (wie es scheinet) willens ist daselbst eine Academiam Scientiarum Mathematicarum et physicarum aufzurichten, die Conditiones mir angebohten sind sehr vortheilig, doch habe ich noch bißhin meine Resolution suspendiret, wovon ich Mhhl. zu seiner Zeit werde ferner gewiße mittheilen,[1] diß ist dann auch zugleich die Ursach, warum meine Observationes eine Zeitlang haben müßen interrumpieret bleiben: die mir zugeschickte Carten[2] und Bücher habe zu Ende des Monaths Apri-

[209r]
lis richtig empfangen, worinn ich großes Gefallen gehabt habe und darumb Mhhl. freundlich bedancke, absonderlich bin ich dem Hl. Wurtzelbaur vor die mir praesentirte Basin Uranicae Noricae[3] sehr verpflichtet, darumb bitte Mhhl. selbigen Herrn meine schuldige Dancksagung zu vermelden und die folgende Observationes Ihme mitzutheilen mit Anbiettung meines fernern dienstes: die beyde Carten vor den Hl. Hartsoeker hat gemeldter Hl. auch schon empfangen, ist für einige Tage in Holland gewesen, und gestern wiederumb von hier nach Düsseldorp[!] verreiset,[4] Er läßet Mhhl. Professor höfflich bedancken vor das praesent mit freundlichster Empfehlung: den Cosmothereon Hugenii[5] vor einen Holländischen Thaler oder 1½ Gulden, wie auch den Tractatum de lumine[6] vor 1½ Gulden habe vor ohngefehr zwey Monathen dem Hl. Freher[7] überlieffert, aber das Horologium oscillatorium habe nicht dürffen kauffen, weilen Hl. van der Aa[8] mir in dem Brieff den Hl. Waesberg[9] zu Amsterdam /: nemlich der Sohn, dann der Vater[10] vor ohngefehr einem Jahr plötzlich gestorben :/ mit einige Bücher an ihn geschicket hat, 6

[209v]
Gulden vor den Preiß gemeldten Buchs zeigete, die andern bücher habe bißhin noch nicht bekommen, wie auch die Astronomia D. Gregorii[11] beschwerlich mehr wird zu bekommen seyn: Im Gegentheil ist mir jetzunder von zwey Parteyen versprochen die Astronomia de la Hire,[12] nemblich von Hl. Hartsoeker der deßwegen an Hl. de La Hire selbst geschrieben hat, und dann von Hl. Steinbrukke[13] dem Hoffmeister des Hl. Tschirnhaus, /: welche beyde sich freundlichst an Mhhl. Professor laßen empfehlen :/ welcher einige exemplaria von Paris mitgebracht hat, aber sie liegen zu Franckfurt am Mayn, er wird aber vermuthlich in dieser Vacantie[14] von Leyden dorthin abreisen und alßdann Mhhl. dieselbige von dar überschicken, dann der Hl. de l'Orme[15] ist zwar selbst wiederumb auß Franckreich in Holland angelangt, aber das begehrte nicht mitgebracht. Der Herr Freher hat gestern zu Amsterdam mit einer Amsterdamschen Jungfer Hochzeit gehalten, und sich auch also in die Zunfft des Ehestandes begeben, Gott gebe ihm Glück und Segen dazu: Ich habe hiebey gefüget einen Extract meiner Observationen auß meinem

[210r]
Diario außgezogen, so wie sie da stehen, ich habe bißhin die Zeit nicht gehabt alles gebührendermaßen zu reduciren, deßwegen ich hoffe, Mhhl. werde es mir nicht vor übel aufnehmen, es kan Mhhl. oder der Hl. Wurtzelbauer, wofern Sie mir dieses belieben zu gönnen, mir ihre Observationes, wie sie da liegen, ohngereduciret überschicken, so kan ich dieselben schon zu seiner Zeit nach meiner Gelegenheit reduciren und limitieren. Inzwischen laß ich mich Mhhl. Professori gehorsamst empfehlen, seyn und bleibe

Mhhl Professoris


Leyden, 24 Junii
    1707

dienstwilligster freund
Lotharius Zumbach de  
Koesfeld    

P.S. Von der Histoire et Memoires de l'Academie Royale des Sciences, sind nunmehro 5 Theile gedruckt, nemblich 1699. 1700. 1701.1702. 1703.

Gestern ist bey mir gewesen sicher Herr und Mathematicus, der soeben von Paris komt,

[210v]
welcher mir referiret, daß der ☿ daselbst weder den 5 noch 6 Maji in der Sonne gesehen worden.


Anno 1707
Leydae in Hollandia sub Elevatione Poli 52.o 10.'

  Die 4 Aprilis ante meridiem coelo serenissimo, flante rigidius subsolano hora 9.9.' 44.'' culminabat ♀ alta 26.o 49.' 30.'' Hora oscillatori 12.o 3.' 16.'' culminabat Centrum ☉ altum 43.o 24.' 30.'' Nocte hora 9. 2.' 58.'' culminabat cor ♌ altum 51.o 15.'

  Die 5 summo mane hora 2. 37.' 16.'' fuit observata Emersio 1mi Satellitis ♃ deinde Hora 3. 20.' 24'' culminabat ♥ ♏, altum 12.o 11.' 30.''

  Die 6 mane hora 9. 9.' 29.'' culminabat ♀ alta 27.o 16.' 30.'' postea hora 12. 2.' 39.'' culminabat centrum ☉ altum 14.o 9.' 55.'' Subsolanus contumax Procyon altus 43.o 49.' 50.'' Hora 9. 3.' primus Satelles nudum videbatur

[Bl. 211r]
interea ventus dum Telescopium loco movisset, et fulcrum debite collocaretur, tunc hora 9. 3.' 34.'' modo apparebat primus Satelles.

  Die 13. vesperi rectificavi oscillatorium ad transitum Cordis hydrae per meridianum tempore medio nempe hora 7. 47.' 55.'' Altiduo &herats; hydrae 30.o 28.' 50.'' Hora 8. 27.' 22.'' culminabat Cor ♌ altum 51.o 15.' Hora 10. 57.' 20.'' emersit primus Satelles ♃ observatio optima.

  Die 16. hora 12. 59.' 31.'' culminabat ☉ altus 47.o 49.' 15.''

  Die 17. Aprilis Eclipsis Lunae totalis quae contigit summo mane propter Aeris obscuritatem, via convessa est observari, En pauca haec. Oscillatorio monstrante horam 2. 53.' 38.'' jam apparebant distincte 1½ partes micrometri illuminata, cum diametro apparenti ☾ 27¼. Hora 3. 8.' partes 6½ Hora 3. 11.' 40.'' partes 9' illuminabantur /: una pars micrometri continet 65½ :/ Deinceps circa finem Eclipseos Luna continuo nubibus involta fuit: Nota Calculus Carolinus

[Bl. 211v]
A deinde planetolabium prae caeteris Tabulis propius cum Emersionis initio concordat.

  Die 5 Maji Mercurius in Sole videndus erat, sed a primo mane usque post horam 2dam pomeridianam, Aer continuo nubibus exstitit: deinde ab hore 2. 30.' usque ad horam 5. 30.' coelo alternis vicibus existente sereno, Mercurius tamen non apparuit, postea nubes iterum coelum obtexerunt, altera die a tempore Solis ortus continuo coelum fuit nubilum.

  Die 29 Aprilis vesperi hora 7. 24.' 16.'' /: juxta oscillatorium :/ culminabat Cor ♌ Hora 9. 16.' 15.'' fuit Emersio primi Satellitis ♃: postea Hora 9. 26.' 2.'' erat altitudo Cordis ♌ 44.o 11.' 20.''

  Horologium exacte concordat mensurae Diei Naturalis medii.


Fußnoten

  1. 1709 gründete Landgraf Karl von Hessen-Kassel (1654-1730) das Collegium Carolinum, das zunächst als eine Akademie der Wissenschaften geplant war. Tatsächliche Aufgabe war es, Studenten vor Studienbeginn in Mathematik, Physik oder Anatomie auszubilden. Trotz einiger bedeutender Professoren, die hier lehrten, war die Institution nicht sonderlich erfolgreich, 1791 wurde der Lehrbetrieb eingestellt.
    Zumbach wechselte 1708 ans Collegium Carolinum nach Kassel, wo er bis zu seinem Lebensende im Jahr 1727 blieb.
  2. Auf Bl. 209r ist die Rede von "beyde Carten". 1707 waren nur die ersten beiden der dreißig Karten des künftigen Himmelsatlasses fertiggestellt:
    1. Systema Solare Copernicana, im Himmelsatlas die Karte Nr. 2.
    2. Tabula Selenographica, im Himmelsatlas die Karte Nr. 11.
  3. Wurzelbau, Johann Philipp von: Uranies Noricae basis astronomico-geographica. Nürnberg: Selbstverlag 1697.
  4. Doppelmayr hatte Nicolas Hartsoeker (1656-1725) noch in Amsterdam besucht. 1703 ging Hartsoeker nach Düsseldorf, wo er oberster Mathematicus am Hof des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz wurde.
  5. Huygens, Christiaan: Cosmotheoros, sive de terris coelestibus, earumque ornatu coniecturae. Den Haag: Adrian Moetjens 1698.
  6. Huygens, Christiaan: Traite de la lumiere, ou sont expliquees les causes de ce qui luy arrive dans la reflexion, et dans la refraction, et particulierement dans l'etrange refraction du cristal d'Islande. Leiden: van der Aa 1690.
  7. Wie aus Zumbachs Brief vom 24. Juni 1707 hervorgeht, heiratete der Kaufmann Freher am 23. Juni 1707 in Amsterdam Francoise Antonia van Beek. Er war bei der Hochzeit 30 Jahre alt, sie 20 Jahre. Nach den Kirchenbüchern von Leiden wurde am 29. Januar 1710 die Tochter Maria Johanna (1710-1717) und am 16. Mai 1714 der Sohn Nicolaas (1714-1782) getauft. Der Name des Vaters wird mit Christoffel Henrik Freher angegeben.
    Christoph Heinrich Freher war ein Enkel des Nürnberger Advokaten Paul Freher (1571-1625), der in zweiter Ehe Magdalena Camerarius, die Tochter von Philipp Camerarius (1537-1624) geheiratet hat. Mit ihr zeugte er eine Tochter und sechs Söhne.
    Der 1615 geborene Sohn Andreas heiratet 1646 Maria Magdalena Hardesian. Mit ihr zeugte er zwei Söhne:
    - Dionysius Andreas (1649-1728) wurde für seine Kommentare zu Jakob Böhme bekannt. Er lebte in London, wo er Kontakt zur Philadelphischen Gesellschaft um Jane Lead hatte. Hier traf in später Doppelmayr.
    - Carl Joachim (1655-1690) wurde Mediziner in Nürnberg.
    In zweiter Ehe heiratete Andreas Freher 1669 Margaretha Luther in Hamburg. Aus dieser Ehe ging Christoph Heinrich hervor, der am 11. November 1676 in Hamburg geboren wurde. Als sein Vater 1686 starb, war er 9½ Jahre alt. Carl Joachim Freher, der Sohn aus erster Ehe des Andreas Freher, nahm sich seiner an und holt ihn nach Nürnberg, wo er drei Jahre bei ihm wohnte. Er sollte Medizin studieren, wozu er aber keine Lust hatte. Stattdessen kam er, wohl nach dem Tod von Carl Joachim, zu seinem Vetter Jacob Blommart (?-1697), einem bekannten Kaufmann in Nürnberg, wo er zehn Jahre blieb. Es folgte eine Ausbildung u.a. in Lyon, dann wanderte er in die Niederlande aus.
    Quelle: Stadtarchiv Nürnberg: E1/328, Nr. 1: Genealogie der Frehers.
  8. Pieter van der Aa (1659-1733), Buchdrucker, Verleger und Buchhändler in Leiden.
  9. Hendrik Janssonius van Waesberge (1687-1748), Verleger in Amsterdam.
  10. Gillis Jansson van Waesberge (1646-1706), Verleger in Amsterdam.
  11. Gregory, David: Astronomiae physicae et geometricae elementa. Oxford: Theatrum Sheldonianum 1702.
  12. La Hire, Philippe de: Tabulae astronomicae Ludovici Magni jussu et munificentia exaratae et in lucem editae. Paris: Boudot 1702.
  13. Johann Melchior Steinbrück (1673-1723) aus Frankenhausen schrieb sich am 9. Juli 1705 - damals 33 Jahre alt - in Leiden in die Matrikel ein. Er war Hauslehrer bei Tschirnhaus und hatte zwei Jahre mit dem jungen Tschirnhaus in Paris verbracht.
    Vgl. Album studiosorum Academiae Lugduno Batavae. MDLXXV - MDCCCLXXV 1875, Sp. 786.
  14. Hier: Vorlesungsfreie Zeit.
  15. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.