Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Goldbach, Christian (1690-1764)
Ort Nürnberg
Datum 22. Juli 1724
Signatur Russisches Staatliches Archiv der alten Akten, Moskau: Bestand 181. Verz. 16. Aktenstück Nr. 1413. Teil 2, Bl. 123r-124v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Vir Celeberrime!

Traditae mihi sunt Literae Berolino perscriptae,[1] perennantis Tui in me amoris testes insignes, hic me impulit ut aliquot ab huic diebus Literas Petroburgum ad Blumentrostium clavem, et, jussu Tuo, commendarem Nicolaum Bernoullium,[2] sed si aeque conditiones accesserint, quibus Virum hunc praestantissimum excipere fas est, quod interim Ipsi significabis. Homannus noster, Geographus, sub initio hujus mensis mortem oppetiit,[3] quam P. Urientius[4] cum aliis quam maxime dolebit, reliquit filios tres, et inter hoc unum paternanem virtutum aemulum,[5] cujus intuitu nunc animus mihi est, ut Tabulam Geographicam, quam olim sub Inscriptione Basis astronomicae Geographicae recentioris opera Homanni edidi,[6] e novis observationibus Astronomicis, quas praecipue Emersiones et Immersiones primi satellitis Jovis suppeditant, emendationem tradem, rogo itaque Te, Vir celeberrime, ut ab Amicis, qui Astronomiae dediti, huncque sive in Germania sice in Suecia exercent, tales observationes haud gravatim petas, hujus generis ob

[Bl. 123v]
servationes e Suecia, et praecipue quae Holmiae et Upsalice habitae, vel forsan Hortatu Tuo imposterum habebuntur, quia apud nos aliis varionis, valde desidero, ut et nonnullas circa Magnetis declinationum; harum magnum numerum, qui 300 fere superabat mecum nuper communicavit Vir humanissimus, Dominus de l'Isle, qui Tabb. novas Astronomicas meditatus.[7] Amicus noster Noeslerus[8] nuper peregre abiit, tradam ipsi Epistolam Tuam cum ad nos redierit, Libellus P. Cordelain[?][9] mira pollicetur, quae forsan eventui contraria; Accepi nuper e Gallia librum de Harmonia, quam Rameau,[10] edidit, huic curiosum multi praedicant, sed an merito sic dicato tempus docebit, et Hanschius ut fama fert,[11] novum Tomum operum Keplerianorum edit, utinam Hipparchus in isto reperiretur, quaeso. Calcaria ipse adde ut hunc publici faciet juris, nec amplius intra scrinia latitare finat librum hunc utilissimum. Vale et ama porro

Noribergae. d. 22. Jul.                 N T. C.  
A . C. 1724.                    
     
P.S. Judicabis queso! locum habitationis, ubi ubi etiam imposterum commorabaris, quo Literae meae ad Te perveniant, nec errent.   cultorem perpetuum

Joh. Gabr: Doppemajerum.


Zusammenfassung:
Doppelmayr bedankt sich für Goldbachs Briefe aus Berlin. Er wird heute noch an Blumentrost schreiben, um auf Anregung von Goldbach Nicolaus Bernoulli zu empfehlen. Homann starb Anfang des Monats. Er hinterlässt drei Söhne, von denen einer dem Vater ebenbürtig ist, weswegen er jetzt seine Weltkarte, die einst der Vater herausgab, durch neue Observationen, insbesondere denen der Jupitermonde, verbessern will. Deswegen fragt er auch Goldbach, ob er von seinen Freunden, die sich der Astronomie widmen und in Deutschland oder Schweden leben, derartige Observationen erbitten kann. Insbesondere sucht er Beobachtungen aus Stockholm und Uppsala. Auch sucht er Beobachtungen zur magnetischen Deklinationen, von denen ihm kürzlich Delisle 300 übermittelt hat. Ihr Freund Noesler ist ins Ausland gegangen. Das Buch von Cordelain(?) verspricht Wunder, was abzuwarten bleibt. Aus Frankreich hat er neulich die Harmonie von Rameau erhalten. Hanschius soll angeblich einen neuen Keplerband veröffentlichen, er hofft, dass darin dessen Hipparch enthalten ist.


Fußnoten

  1. Briefe Goldbachs an Doppelmayr aus Berlin sind nicht überliefert. Wie aus dem Brief vom gleichen Tag an Kirch in Berlin hervorgeht, war dieser Brief dem an Kirch beigelegt.
  2. Laurentius Blumentrost (1692-1755) gründete 1724 auf Wunsch des Zaren die Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg. In diesem Zusammenhang lud er Doppelmayr ein, als Professor für Physik nach Petersburg zu gehen, was dieser jedoch aus gesundheitlichen Gründen ablehnte, siehe seinen Brief an Blumentrost vom 3. Mai 1724. Auf Anregung von Goldbach schlug Doppelmayr mit Brief vom gleichen Tag an Blumentrost vor, statt seiner Nicolaus Bernoulli II. (1695-1726) zu berufen.
  3. Homann starb am 1. Juli 1724.
  4. Jakob Urient (02.02.1679-28.04.1746) lehrte 1723/24 Mathematik in Wien. Bei einem Besuch in Nürnberg hatte er Doppelmayr und Homann kennen gelernt.
    Lackner, Franz: Die Jesuitenprofessoren an der philosophischen Fakultät der Wiener Universität (1712-1773), Band 2. Wien: VWGÖ 1976, S. 450f.
    Pärr, Nora: Maximilian Hell und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts. Wien 2011 (E-Theses), S. 13.
  5. Aus Homann erster Ehe gingen 7 Kinder hervor (nach Manfred Griebs Nürnberger Künstlerlexikon waren es nur sechs Kinder), von denen nur die beiden Söhne Gottfried Friedrich (17.09.1692-20.01.1759), der Förster in Neuburg wurde, sowie der Sohn Johann Christoph (22.08.1703-21.11.1730) den Vater überlebten. Der Sohn Christoph Karl aus zweiter Ehe überlegte den Vater nur um ein halbes Jahr, er wurde am 9. Februar 1725 auf dem Rochus-Friedhof beerdigt. Johann Christoph übernahm das Geschäft seines Vaters.
    Zum Sohn Gottfried Friedrich vgl. das Wochenblatt der Königlich Baierischen Stadt Neuburg 1823, S. 198f., S. 203f., S. 206f.
  6. Doppelmayrs Weltkarte kam 1719 bei Homann heraus. In Doppelmayrs Himmelsatlas von 1742 ist sie die Karte Nr. 15, wobei sie im Vergleich zur Version von 1719 geringfügig überarbeitet wurde.
  7. Vgl. hierzu den Brief von Delisle an Doppelmayr vom 1. März 1724.
  8. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  9. Der Brief ist am Rand leicht umgeschlagen, der Name ist deswegen nur schlecht lesbar, die Schreibweise ist nicht gesichert. Auch taucht diese Person in weiteren Briefen nicht mehr auf, sie konnte nicht identifiziert werden.
  10. Rameau, Jean-Philippe (1683-1764): Traité de l'harmonie reduite à ses principes naturels: divisé en quatre livres. Paris: Jean-Baptiste-Christophe Ballard 1722.
    Doppelmayr hatte im Brief vom 3. Dezember 1724 Delisle gebeten, ihm dieses Werk zu besorgen. Aus Delisles Antwort vom 1. März 1742 geht hervor, dass er die Übersendung dieses Buches veranlasst hatte.
  11. Michael Gottlieb Hansch (1683-1749) versuchte den handschriftlichen Nachlass von Kepler herauszugeben.
    Vgl. Detlef Döring: Michael Gottlieb Hansch (1683-1749), Ulrich Junius (1670-1726) und der Versuch einer Edition der Werke und Briefe Johannes Keplers. In: Dick, Wolfgang R.; Hamel, Jürgen (Hrsg.): Beiträge zur Astronomiegeschichte, Bd. 2. (= Acta Historica Astronomiae Vol. 5). Thun, Frankfurt am Main: Deutsch 1999, S. 80-121.