Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 7. August 1734
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 116,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 7. Aug:
A.C. 1734. 

HochEdler und Hochgelehrter,
Sonders Hochzuehrender Herr
werthester Gönner!

Weil sich eben eine Gelegenheit praesentiret daß ich ein aus England erhaltenes Paquet an Herrn Dr. Vater[1] nach Wittenberg abschicken kan, so nehme zugleich Anlaß gegenwärtige Zeilen, um verschiedene Nachrichten von E. HochEdlen mir je eher je lieber auszubitten, mit abzufertigen. Am ersten vernehme ob die zu Anfang des May durch die Hhl. Endterischen[2] abgeschickte Spiegel[3] nebst meinen 2. Schreiben von 7 May und 18 Junii[4] inmittelst wohl eingeloffen, indeme noch keine Nachricht wegen des Empfangs erhalten. Ferner bin ich von Hl. Dr. Sprengell[5] aus London ersuchet worden, um zu vernehmen, ob man die Todten=listen, die jährlich von Berlin, Preussen &c. in Leipzig herauskommen von A. 1725 bis hieher haben köne, und wieviel solche insgesamt kosten; weil selbiger dergleichen listen in den Transactionibus Anglicanis zu continuiren gedenckt; überdem mögte auch wohl wissen wie hoch Sie in Berlin den Catalogum fixarum Flamstedii[6] erkauffet, und auf was vor eine Epochen solche gerichtet, auch wie hoch die opp: astronomica Flamstediana zu stehen

[Bl. 116,1v] kommen, in England sollen sie 9 Pfund Sterling kosten, weiters bin ich auch curieux zu erfahren, wie groß der Spiegel in Diametro des Tubo Newtoniani bey Ihnen seye? Ob der Spiegel nicht genug poliert, daß er, wie E. HochEdlen in dem lezten Tractätlein de Eclipsibus circumjovialis gemeldet (wofür noch einmahl obligirt bin) nicht hell genug die objecta praesentiret? Ob der Spiegel nicht seine Bedeckungen, dergleichen auch allhier, wie bey den Tubos von verschiedenen Größen erfordert werden, habe? Ob der Spiegel auch der kleine plane von Glockenspeis,[7] wie die kleine überschickte (conische und cylindrische) seye? Herr M. Bose[8] aus Leipzig schribe mir neulich daß er ein Tubum Newtonianum von 6. bis 8. Schuh lang, gegen 30 Englischen Pfunden bezahlend, sich werde in London machen lassen, dabey begierig werde seyn einmahl zu hören, was er vor Effect thun werde. Endlich habe von Kleinigkeiten folgendes zu berichten daß eben nun unser Hl. Prof: Celsius Italien wird verlassen haben und nach Frankreich gegangen seyn wie er leztens gemeldet, dabey er mir auch notificiret, daß Mr Ghislerus[9] in Bononien vor 2 Monathen gestorben, welcher ohne Zweiffel derjenige so die Ephemerides edirt, seyn wird, wobei Herr Manfredius[10] einer Plage erlediget worden.

[Bl. 116,2r]
Endlich bin ich auch noch leztens begierig zu vernehmen, ob denn der bekandte Ms. Schübler, wie seine freunde hier ausgeben, noch ein Mitgliedt von der Preussischen Societät werde, welches in Betrachtung seiner ehemaligen Lebensarth, da ich Testis occulatus[11] bin, nach vieler Meynung zu weit gegangen wäre, wie man denn schon sonsten öffters darwieder geredet,[12] daß man in solche Societät so promiscae[13] Bruth wünsche, die in ander nicht kommen könnten, allein es heisset volentibus non fit injuria,[14] will man es nicht besser haben, so mag es geschehen, obiger Mr. Schübler, der ein Architektus auch zu seyn die Praesumtion hat, ist vorigen Jahr unglücklich gewesen, indeme ein Gewölb, das er bey einem benachbarten Mann[15] hat angegeben und bauen lassen, so bald die Gestelle weg gethan worden eingefallen, wodurch er bey diesem Herrn wegen der verursachten weitern Unkosten in Ungnad gefallen, und so gehet es, wo nur eine bloße Theorie zu finden ist. Ich schließe hiemit und verharre in Erwartung einer gütigen Antwort auf die verlangte Anfragen, unausgesagt

    Ew. Hochedlen
Meines Hochzuehrenden Herrn

ergebenster Diener    
J G Doppelmayr MPP


Fußnoten

  1. Abraham Vater (1684-1751) war ein deutscher Mediziner und Philosoph.
  2. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  3. Vgl. dazu die Briefe an Kirch vom 14. August 1733 und vom 26. März 1734.
  4. Der Brief von Doppelmayr an Kirch vom 18. Juni 1734 ist nicht überliefert.
  5. Conrad Joachim Sprengel (Springel, Springell, Spingell, ?-ca. 1740) war ein Deutscher, der in England eingebürgert wurde. Er veröffentlichte: The Aphorisms of Hippocrates and the Sentences of Celsus. London 1708.
  6. Flamsteed, John (1646-1719): Historia coelestis Britannica, tribus voluminibus contenta. London: Meere 1725.
  7. Glockenspeis bezeichnet eine spezielle Legierung, bestehend aus ca. 80% Kupfer und 20% Zinn, die zum Glockengießen verwendet wurde.
  8. Georg Matthias Bose (1710-1761) war Mathematikdozent an der Universität in Leipzig.
  9. Antonio Ghislieri (1685-1734) hatte 1720 herausgebracht: Ephemerides motuum coelestium ab anno 1721 ad annum 1740; e tabulis de la Hire, Streetii & Flamstedii ad meridianum Bononiae supputatae. Bologna: Benatius 1720.
  10. Eustachio Manfredi (1674-1739) war Direktor der Sternwarte in Bologna und brachte selbst Ephemeriden heraus.
  11. testis occulatus: Augenzeuge.
  12. Doppelmayr versuchte die Aufnahme von Schübler in die Berliner Akademie zu verhindern. Vgl. hierzu das PS seines Briefes an Kirch vom 27. Juli 1726.
  13. Promiscae: alltäglich, gewöhnlich.
  14. volentibus non fit injuria: Den Einwilligenden geschieht kein Unrecht. Juristischer Grundsatz: Wer in die Handlungen eines anderen einwilligt, kann keine Forderungen stellen, falls ihm daraus ein Schaden zuwächst.
  15. Der Brief ist an dieser Stelle eingerissen und damit das Wort nicht lesbar. Es wurde sinngemäß ergänzt.