Briefwechsel Peter Kolb


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kolb, Peter (1675-1726)
Ort Utrecht
Datum vermutlich Dezember 1700[1]
Signatur UB Tartu: Epistolae autographae CC Philosophorum cel. III, F 3, Mrg CCCLIVa, Bl. 60r-v
Zustand Textverlust durch Abriss der rechten oberen Ecke sowie in der Mitte unten
Transkription Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel

A Monsieur
Monsieur Pierre Kolb,
mon tres honoré Amij,
à present
à
p.c.
Hall


Vielgeliebter Herr Schwager,[2] werther Freund,

zweiffle nicht es werde neulicher Zeit, mein an Hl Schwager u. [Hl Kulmich] zugleich gestelltes Schreiben wohl überlieffert worden seyn,[3] ind[...] dero brieff auff Hall abgehen, habe ich diesen wollen an den Hl Schwager mit [schicken] und anbey mit wenigen vernehmen, wie hoch des Hl Eimmarti Englischer Tubus [im] Preis gekommen seÿe,[4] ich mögts sehr gerne wissen, ferner wie lang er gewesen ob es [nur] zwey gläser gewesen oder mehr, ob er nur allein die gläser aus Engeland hat bringen oder auch zugleich mit den Tubum, endlich ob der meister in London oder Oxfurt sich auffhält,[5] der Hl. Schwager wird dencken, warum ich so eiffrig darnach frage, so muß ich ihm doch mein vorhaben entdecken, es könte nemlich seyn u. geschehen, dass ich auf künfftigen Frühling, geliebt es Gott, eher nach Engelland als nach Leiden ginge, ex hac ratione weil es im winter in Engeland für einen Teutschen, wegen brennung der Steinkohlen gar schädlich ist, hingegen ist im Sommer Leiden auch nit gar zuträglich wegen üblen Geruch der wasser Kanäl die durch die Statt lauffen, alßo glaube ich wohl ich dörffte Engeland zu erst ergreiffen, und da komme ich ohne einen herrl. Tubo, u. guten büchern nit zurück, alßo habe ich nachricht wegen des Tubi beim Hl Schwager eingehohlt. Sollte ich aber Engeland nicht zu erst ergreiffen, so geht es, so bald nur ein wenig der rauhe winter vorbey, mein march nach Leiden, weilen es hier gar keine sonderbahre Gelegenheit giebet, mich in Physicis und Mathematicis, das ich vornemlich gesucht, vester zu sezen, inzwischen aber feÿre ich doch nicht, sondern peitsche meine M[anuscrip]ta Physica und Mathematica zimlich durch, und habe ich inzwischen nemlich innerhalb dieser 5. wochen meine 3 geschriebene discursen Physicos mit meinem guten Vergnügen durchgebracht, welches ich in Hall, wegen der lufft, die mich faul und träg gemacht, in einem ¼ Jahr nicht hätte praestieren können, also reuet mich diesesfalls mein changement in hoc puncto nit aber wohl in dem puncto, daß ich den Hl. Schwager, Hl. D: Klimmen u. ander werthe freunde habe quittieren müßen; wegen des unfreundlichen wetters bin ich allhier bis dato nicht viel ausgegangen, gehe ich aber aus, so ist meine cours jederzeit nach denen Buchläden und Antiquario zugerichtet, doch mehrentheils zum Antiquario, da ich um geringes Gelde schöne bücher offt überkommen kan, vorige wochen habe ich Malphigii[6] und Willisii[7] opera omnia, alle beede in 4to in Holll. truck, noch ganz neu gebunden und voller Kupffer bey Ihm um 9 Holll. fl., das ist ungefehr nach unsern Geld 7 fl. bekommen, auch neulich Raci opera omnia,[8] etliche von Harvaeo,[9] den Metium de usu globorum[10] Langij de veritat. Geom:[11] von mathematischen büchern habe ich noch nichts sonders bey ihn gefunden als ich verlangt, den clavium über den Euclidem[12] hat Er 3 mahl zu verkauffen, darunter auch die Römische Edition, die ich wegen der rarität doch wohl kauffen dörffte, um 1½ fl. Alberti Duereri opera omnia habe ich sonsten in einem winckel hervor gesucht, ist in Arnheim gedruckt anno 1603.[13] kost fast 4 Thl. So viel von den vornehmsten büchern, nun muß ich noch bitten, daß der Hl Schwager, wolle so guth seyn, und mir so [viel ihm beka]ndt ist, unbeschwerd berichten wie es mit des

[Bl. 60v]
[... Disserta-/Disputa]tion de motu terrae diurno stehe, v. auff was weise sie mögte zu ange- [... Wann] mich der Hl. Schwager nicht mit einem mathematischen brieff versiret [so habe niem]and nicht, der mich damit erfreue, hier in Utrecht weiß mann nicht viel der [Mathematik, a]lso bin eben ein frembdling allhier. bitte Hl. Eimart schönstens bey Ge[legen]heit zu grüßen, wie auch sein ganzes Liebes Haus, wan ich anderst sein ganzes Haus [dar]ff grüßen laßen, und der Hr. Schwager [...][14] wird, wenn ich auch einen schönen Gruß mit anhiengge an die liebe Persohn, die [der H.] Schwager billich hoch aestimiret. Die Zeit und das Papier heißet mich vor dieses mahl [zu schw]eigen, alßo verbleibe ich nechst schöner Begrüßung an alle guten freund des Hl Schw[agers ...] getreuer freund und schwager J G Doppelmayr


[Notiz Kolbs] respondi die 6. Februarii 1701


Fußnoten

  1. Die Datierung dieses Briefes ergibt sich daraus, dass Doppelmayer auf 5 Wochen intensiver Arbeit in Utrecht zurückblickt (wo er am 21. Okt. angekommen ist) und dass Kolbs unvollständig auf Dez. 1700 datiertes Schreiben an Eimmart die Kenntnis des vorliegenden Briefes unbedingt voraussetzt. Kolb hat Doppelmayrs Brief laut seiner Notiz allerdings erst am 6. Febr.1701 beantwortet.
    Textverluste am Anfang und Ende des Briefes sowie durch das Siegel wurden teilweise hypothetisch ergänzt (in eckigen Klammern).
  2. Die Anrede "Schwager" war in der Studentensprache verbreitet. Verschwägert waren Kolb und Doppelmayer nicht.
  3. Doppelmayr bezieht sich hier auf seinen Brief von Ende Oktober 1700 aus Utrecht, der an Kulmich und Kolb gerichtet war.
  4. In einer Auflistung über die Geräte Eimmarts, die Johann Heinrich Müller Ende 1704 erstellte, beschrieb er "Vier Tubi, von 8, 10, 12, 16 Sch. darunter eines aus England zum Geschenck übersandt worden". Kolb dürfte somit den Preis dieses Geräts nicht gekannt haben.
  5. Peter Kolb hat von ca. 1696 bis 1700 als Assistent bei Eimmart auf dessen Sternwarte mitgewirkt. Er sollte also fähig gewesen sein, diese Fragen zu beantworten.
  6. Marcello Malpighi (1628-1694) war ein italienischer Astronom. Seine Opera omnia, seu Thesaurus locupletissimus botanico-medico-anatomicus erschienen 1686 in zwei Bänden in London, 1687 erschien eine Ausgabe in Leiden.
  7. Thomas Willis (1621-1675) war ein englischer Arzt. Die zwei Bände seiner Opera omnia kamen 1676 in Genf (= Coloniae allobrogum) heraus. 1680, 1682 und 1695 gab es weitere Auflagen.
  8. Nicht identifiziert.
  9. William Harvey (1578-1657) ist der Entdecker des Blutkreislaufs.
  10. Metius, Adriaan (1571-1635): De genuino usu utriusque globi tractatus. Amsterdam: Wilhelm Jansson Caesium 1626.
  11. Lange, Villum: De veritatibus Geometricis libri II. Kopenhagen: Peter Morsing 1656.
    Villum (Wilhelm) Lange (1624-1682) war ein dänischer Mathematiker.
  12. Clavius, Christoph (1538-1612): Elementa; Euclidis Elementorum Lib. XV. 2 Bände. Rom: Grassius 1589 (Band 1; Band 2). Von diesem Werk gibt es zahlreiche Neuauflagen.
  13. Opera Alberti Dureri. Das ist Alle Bücher des weitberühmbten und Künstreichen Mathematici und Mahlers Albrechten Durers von Nüremberg. Arnheim: Jansen 1604. Hier täuschte sich Doppelmayr bei der Jahreszahl. In seiner Historischen Nachricht bezieht sich Doppelmayr auf diese Ausgabe, S. 188, Fußnote s.
  14. Hier und an den folgenden Stellen überdeckt der Sigellack den Text.


voriger Brief Doppelmayr nächster Brief Doppelmayr

 © 2004 - 2025  | Astronomische Gesellschaft in der Metropolregion Nürnberg e.V. (AGN)
Datenschutz         Impressum         Haftungsausschluss