Briefwechsel Johann Wilhelm Wagner
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Wagner, Johann Wilhelm (1681-1745) |
Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) |
Ort | Hildburghausen |
Datum | 9. Januar 1726 |
Signatur | UB Basel: L Ia 727, Bl. 45r-46v |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdler, Hochgelahrter,
sonders Hochgeehrter Herr und Freund,
Ew. HochEdlen geehrtes vom 19. Aug. a. p. habe wohl erhalten; weiß aber jetzo (da ich so faast distrahirt bin, auch seit der Feuersbrunst,[1] meine Schriften, um sofort bequem nach zu sehen, nicht in vorigen guten Ordnung habe) weiß, sag ich, nicht ob ich es beantwortet habe; dieses weiß ich aber, daß ich ehemals einige Nachrichten, warum nemlich Hl. von Klesch[2] nicht mehr bey Hl. Eßling[3] feiern und wie es sonst um ihn stehe u. was anderes mehr war, mir ausgebetten, deren ich noch ermangle, und allenfals dero Gelegenheit nach, noch erwarte.
Die Verwirrung, welche Sie mir etwas berichtet, kan ich mir wohl vorstellen, und ist leider, zu bedauren: Nichts wiedersinniger komt mir vor, als das Glück, so Hl. Sch. recht ohne sein Verdienst betroffen;[4] inzwischen habe ich noch zu dato keine Nachricht, ob, wann derselbe zu Fr. an der O. angezogen
[Bl. 45v]
und wie daselbst empfangen worden, und wie
bisher reussirt sei: ferner was Hl. Hofr. Henrici[5]
bewogen nach Dessau zu ziehen, und Hl. Budd.[6]
angebracht habe; was Hl Mag. Grischow[7] eigentliche
Verrichtung oder Amt, u. wie sein Compartement sei;
ob er blos bei der Anatomie, oder bei dem Observatorio
zugleich mitzuthun habe; Ich beklage Ew.
HochEdl. billig, daß Ihnen Ihr Amt vergebens so sauer
gemacht wird; wenn ich alles bisher betrachte, so scheinet
zu unseren Zeiten es noch zimlich passable gewesen zu
sein: Nun aber verdienten sie wohl, das Amt alleine
zu haben, zumalen Ihnen ja doch von dero HHl. Collegen
wenig Hülfe geschiehet, indeme sie das
Handwerk nicht verstehen. Für dero Scriptum von
der künftigen Sonnenfinsternis[8] dancke dienstlich:
Nur kan ich nicht umhin Ew. HochEdl. einen Scrupel, den
ich ob dieser Art der Projection der Finsternis habe,
zu proponiren; da ich sonst alles übrige schon vor
geraumer Zeit hier aus gefunden u. wohl verstehen
nemlich: Warum denn die Linien oder Meridiani,
welche die Stunden anzeigen, plus minus gebogen
seien, da doch der primus Meridianus (Longitudinum)
als eine gerade Linie und der aequator als ein wichtiger
Einzelkreis angenommen wird; bitte mich
dessen bei Gelegenheit ein weniges zu bedeuten, zu
[Bl. 46r]
malen ich die Sonnenfinst. am 15. Sept. 1727. bereits
curiositatis gratia berechnet, und eben desgleichen (wie
auch auf andere Art) projectirt habe ausser bis auf
diese Meridianos horarios.
Heute vor 8. tagen, als am Neuen Jahrs Tage abends wurde ich gewiß in grosse Verwunderung gesetzt: Ich hätte mir ja niemals träumen lassen, vielmehr, Spruchwortsweise zu reden, des Himmels Einfall eher versehen, als Monsieur de l'Isle hier an diesem Ort einmal zu sprechen.[9] Gleichwol ist es zu meinem grossen Vergnügen geschehen, nur bedaure ich, daß ich vielleicht dessen rühmliche Curiosität zu Vergnügungen alhier nach meinem Zustand nicht vermögend gewesen. Inzwischen muß ich seiner u. der gesamten wehrten gedritten Compagnie grosse Complaisance zuweisen; und weilen ich, der abrede gemäs, die Ehre haben wolte, an Ihn, bei dessen 8tägigen Aufenthalt daselbst, zu schreiben, und das Schreiben an Ew. HochEdl. zu addressiren, so werden Sie wohl, Ihnen und mir zu lieb, weder das Porto noch die Mühe gereuen lassen, Ihnen beikommendes, nebst meinem Compliment an die 3. Herrren, ein zu händigen; u. hoffe ich, Sie werden diese Herren dort wohl mehrers zu satisfaciren wissen, und mir von allen Verlauf dereinst gütige Nachricht, nebst des obigen geben; sonst hätte an Ew. HochEdl. jetzo nicht noch eher geschrieben, als bis ich was reales bei Handen gehabt. Ob denn Hl. Hofprediger
[Bl. 46v]
Jablonsky tod sei, weis ich nicht nicht gewiß[10] Warum
aber Hl. Hofraht Jablonsky,[11] seit dem ich am 1. Augusti
an ihn zu schreiben mir die Ehre genommen, wieder
seiner gewonheit mir noch wieder geantwortet, wundert
mich: bitte aber sehr, Ihme nechsten mein gehorsamst
Compliment zu machen; wie auch Hl. Eßling dienstl.
zu grüssen u. zu vernehmen, ob Er meinen Schreiben
bei nechstvorhergehender Post, wohl erhalten habe.
In was Conditionen der Hl. Bruder des Mons. de l'Isle
nach Petersburg gehe, u. wie der Mechanicus
heisset, den sie mitnehmen, weiß ich nicht eigentlich,
bitte mir es künftig zu berichten.[12] Wie ich dann
auch dereinst ausfuhrlicher u. realer zu schreiben
gedencke. Zum Neuen Jahr wünsche ich
Ihnen und den Ihrigen, leben, gesundheit und alles
Wohlergehen zu Seel u. Leib; ich und meine
frau grüssen Ew. HochEdl. und dero Jungfer
Schwestern hertz= u. dienstl. und ich beharre
Ew. HochEdlen
Hildburghausen
den 9. Januar
1726.
ergebenster
diener
J. W. Wagner
Fußnoten
- ↑ In Hildburghausen gab es am 8. Juli 1725 eine große Feuersbrunst,
wodurch Wagner "einigen Schaden gelitten hatte".
- Krauß, Johann Werner: Antiquitates et memorabilia historiae Franconiae. Darinnen in sonderheit der Ursprung / Einrichtung und Merckwürdigkeiten der Fürstlichen Residentz=Stadt Hildburghausen von den ältesten bis auf die jetzige Zeiten aus den bewährten Urkunden abgehandelt werden. Hildburghausen 1753, S. 332-333
- ↑ Nach Klesch hatte sich Wagner im Brief vom 24.03.1725 an Kirch erkundigt.
- ↑ Johann Ernst Eßling (ca. 1683-12.11.1743) war als Mechaniker bei der Berliner Sozietät angestellt. Er war der Schwiegervater von Wagner.
- ↑ Johann Georg Schütz (?-1730) wurde 1720 neben Christfried Kirch als Observator der Sozietät angestellt. Kirch sollte ihn einarbeiten. 1725 ging Schütz als Professor für Mathematik nach Frankfurt an der Order.
- ↑ Heinrich Henrici (1673-1728) war Leibarzt des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, zugleich aber bis 1725 Professor der Anatomie in Berlin. 1725 scheint er nach Dessau gezogen zu sein, ab 1727 war der Medizinprofessor in Halle.
- ↑ Augustin Buddeus (Budde, 1695-1753) wurde 1725 Professor für Anatomie in Berlin.
- ↑ Augustin Grischow (1683-1749) wurde 1725 als Professor der Medizin an das medizinisch-chirurgische Collegium nach Berlin berufen.
- ↑ Am 25.09.1726 fand eine partielle Sonnenfinsternis statt.
- ↑ Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) befand sich auf seiner Reise von Paris nach Petersburg. Ende 1725 hatte er sich bei Doppelmayr in Nürnberg aufgehalten.
- ↑ Daniel Ernst Jablonksy (1660-1741) war Hofprediger in Berlin und Mitbegründer der Preussischen Akademie der Wissenschaften.
- ↑ Johann Theodor Jablonsky (1654-1731) war Sekretär der Preussischen Akademie der Wissenschaften.
- ↑ Joseph-Nicolas Delisle reiste in Begleitung seine Bruders Louis Delisle (1690-1741) und des Mechanikers Pierre Vignon.