Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Pro Memoria
Ort Schwabach
Datum 26. Dezember 1754
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 411-413
Transkription Hans Gaab, Fürth

Unterthänigstes
Pro Memoria !

Eine gewisse vornehme und florisante Handlung in Nürnberg hat ratione der Losung den Hochlöbl. Magistrat in 12: Jahren mehr als umb 30/m: fl. hintergangen, dadurch den Losungs=Aÿd gebrochen, und meinaÿidig worden, so in Göttl: und Welt: Gesetzen eine höchst-straffbare Sache ist, sich nicht allein an Gott, und seiner vorgesetzten hohen Obrigkeit, sondern auch an seinen Neben Menschen gröbl: versündiget.

1.o) an Gott, welcher den Meinaÿd im alten und neuen Testament mit schwehrer Straffe beleget hat.

2.o) an seiner Ihme vorgesetzten Obrigkeit, welcher Er den schoß entzogen, den Gott selbsten befohlen zu geben, und Christus selbsten im Neuen Testament gereichet.

3.o) an seinem Neben Menschen, welchem Er auf solche Art sein Stück brod vor dem Mund wegnehmet, massen derjenige, so seinen Tribut vorgeschriebener massen richtig dargibt, dieser aber nicht, kan seine wahren schon wohlfeiler abgeben, folglich benimmt Er diesen seine Nahrung:

Diese Handlung nun treibet dergl: unrecht schon über 12: Jahr, und ist dahero richtig und klar, daß es geschehen, massen der einzige Sohn vor 1½ Jahren, sich von seinen Eltern und Handlung entfernet, beÿ mir aufgehalten, und da Er gesehen, daß man Ihn in der grösten Noth stecken laßen, ist Er fast gantz desperat worden, und endlich mit diesen Worten außgebrochen, Wan man Ihme nicht würde secundiren, daß Er seine schulden bezahlen, und Ehrl: leben könte, so wolle Er etwas entdecken, welches seiner Handlung einen großen Stoß geben werde, ob es Ihme gleich selbsten der gröste schaden seÿe. Ich aber redete Ihme zu, mit bedeuten, daß Er ein solches offeriren solte, ich wolte selbsten an seine Handlung schreiben, und solches offeriren, welches Er auch gethan, und mir alles klar entdecket, daß sein Stief=Vatter schon sehr geraume Zeit die Losungstuben auf eine enorme Art betrüge, indeme Er noch beständig die alte Losung gebe, welche sein Vatter seel: gegeben, und da Er doch das Vermögen umb 100/m fl. vermehret. So in denen Jährl: Inventuren und Billancen zu ersehen; worauf ich mich gesetzet, und an dessen Mutter geschrieben, deß Sohnes Vorhaben gemeldet, dabeÿ nebst dem Losungs=Betrug noch angezeigt, daß der Sohn auch offenbahren wolle, wie Er der benachbarten Fürsten und Herrn Regalia, als Zoll accis[1] und Mautdefraudationen entdecken wolle, so möchten Sie diesem vorzukommen, den sohn nicht zu sehr irritieren, und verlaßen, damit kein Unfall über die Handlung verhängt würde; Ich sandte den Brief per Expressum in der Mutter ihre eigenen Hände, worauf so gleich remedur geschafft worden, und der Sohn biß dato wider sich in Nürnberg befindet. Da mir nun dieser selbsten einen Schaden von mehr als 3000 fl: zugewandt, und ich in Güte zu keiner Satisfaction gelangen kan, so habe mich schon vor einem halben Jahr resolviert, zumahlen da ich noch ein unentledigter Burger in Nürnberg bin, und nach selbigen schuldig bin, dasjenige zu offenbahren, was wider Eines HochEdlen Magistrats Interesse läufft,

[Blatt 412]
Dieses Factum denen Herren Losungern Hochwohlgebohrn und Gnaden zu notificiren, und beÿ diesem mir die Gnade wider auß zu bitten, daß ohngehindert pass- und repassieren, auch ohngekränckt in denen Mauern der Stadt Nürnberg mich einfinden dörffe, wie ich das ohne sondern Ruhm zu melden dem Hochseel. Herrn Castellan von Volckamer[2] von Zeit zu Zeit nachricht geben, wodurch viele verdrüßl. Umstände verhütet worden, also daß ich dannach beständig meine Treue von mir blicken laßen, welches meine vorhanden gewesene Correspondenz mit hochbesagten Herrn Castellan seel: gedächtnus genugsam verificiren, und allenfals dessen Domestiquen genugsam attestieren werden und können.

Es wäre mir zwar ein geringes mich durch Eines Reichsfürsten Schutz und Caracter in solche positur zu sezen, daß man mir nichts in Weg legen könte, allein da mein Gemüth mehr darauff bedacht ist mich in restitutionem in integrum zu sezen, so habe auch vorhero diesen Weg der Gnade ergreiffen wollen, und Supplicando in aller Unterthänigkeit bitten wollen, der vorigen Verbrechen, die ich als ein schnaubender Saul begangen, nicht mehr zu gedenken, sondern mich als einen reumüthigen an und auf zu nehmen, wo ich dann zeigen werde, daß noch viel gutes durch mich kan so wohl in Negotien als andern kan Sachen effectuirt werden, zumahlen da durch meinen 21: Jährigen Auffenthalt in der fremdde und denen vornehmsten Höfen so viel gesehen und gelernt, wie die jezige Welt beschaffen, und was man gutes noch zu tentiren im stande ist.

Habe ich die Gnade ein gnädiges Gehör zu finden, so werde einen Weg zeigen wie man ohne einzige Hindernuß das Licht der Betrügerej der Losung entdecken kan, und hinter solche unerlaubte streiche kommen.

Das einzige muß observirt werden, daß auch der Burgerschreiber nichts davon erfahret, dann da dieser ein sehr guter Freund in dieser Handlung ist, daß man keine nachricht zu geben im Stande ist. Und der Weg, den ich anzeigen werde, ist ganz leicht zu ergreiffen.

Schwabach den 26: Decembris.
1754:

Johann Philipp Andreae
Onolzbachl: Commercien Commissarius.


Fußnoten

  1. Die Akzise (Accis) war eine Art Verbrauchersteuer.
  2. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1704 Alter Genannter im Rat, 1708 wurde er Ratsbaumeister. 1713 wurde er älterer Bürgermeister, 1732 dritter Oberster Hauptmann. 1736 wurde er zum zweiten Losunger gewählt, 1744 wurde er vorderster Losunger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 1060-1062
    Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.

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