Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Siegemund Ferdinand (1694-1763)
Ort Schwabach
Datum 5. Mai 1755
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 416-417
Transkription Hans Gaab, Fürth

Hoch Wohlgebohrner,
Gnädig Hochgebietender Herr !

Noch beÿ lebzeiten deß Hochseel: Herrn Castellan von Welsers[1] HochWohlgebohrn und Gnaden habe ich mich unterstanden in einem Unterthänigsten Memoriale vorstellig zu machen, daß nach Verlauff 23: Jahren, als so lang ich von meiner Burgerstadt entfernet gewesen mich zu submittiren, mein Verbrechen erkennet, und umb Gnade angeflehet, mir mit einem Salvo Conductu[2] zu gratificiren, oder mittelst eines Raths Verlaßes mir die Reception zu willfahren, wovor ich meine getreueste Dienste offeriret. Allein biß dato keine Gnädige Resolution erhalten; da nun ein Casus zum Vorschein kommt, wobeÿ ich meine Treue zeigen kan, so unterstehe ich mich Euer Gnaden hiemit anzuzeigen, daß nachdeme die Maußnerin[3] gestorben, der Baron von Schücker[4] aber Erbe ist, so ist besonders auf die Handelsbücher haubtsächlich aber auf das geheime Buch zu sehen, dann mir so viel sicher bewußt ist, daß das Losung aerarium[5] Jährl. umb ein nahmhaftes defraudirt worden, und irre ich nicht, wann ich melde, daß es gewiß die Helffte ist, dann da ich den vielen Umgang so wohl im garten als in München mit dem Schücken gehabt, so habe selbsten einmahl an die Mausnerin schreiben müßen und drohen, daß wann Sie Ihme als dem Schücker nicht würde mit Geld assistiren, so wollte Er denunciren, wie viel Sie Losungschalkung[6] begangen, als auch die Accis[7] und Mauthe in Baÿern defraudirt; Dahero Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden hierauf reflectiren dörffen, daß es gewiß ist. Mir ist in frischem Gedächtnus, daß vor in circa 40. Jahren der Handelsmann Bruch[8] seel: in eben dergl. Casu ist ertappet, die Handelsmann abgenommen, und andern zum Abscheu nachtrücklich abgestrafft worden allein diese habe gehorsamst erinnern wollen, daß dem Burgerschreiber hierinnen nicht wohl zu trauen, dann Er ein Special von dem Schücker ist, der allenfals duch warnung das Spiel verderben könte. Ohnerachtet der Schücker sich mit seinem Caracter sehr hoch hervorthut, so versichere, daß Er in München beÿ allen vornehmen Ministern in sehr schlechten aestime ist, und wenig regard auf Ihn gemacht wird. Dann sein Caracter hat Er ledigl. durch einen Canal erschlichen, man machet aber schlechten aestime vor Ihn, wie es tägl. zu erfahren ist, wann man beÿ allen Confernz Ministern anfraget. Ich versichere nochmahlen, daß die Defraudation der Losung ein Nahmhafftes betrifft, und diese muß in dem Geheimen Buch annotirt seÿn.

Wann Euer Hochwohgebohrn und Gnaden mich als einen ohnehin schon lange genug gestrafften wollen in Gnaden ansehen, und mich resigniren[?], oder wenigstens Salvum Conductum geben, so bin im Stande anzuzeigen, wie und was Art man von allen Handelsleuthen wißen kan beÿ einem Heller, was der Losung gibt, wodurch Ein Hochlöbl. Magistrat zu vielen Entdeckungen deß Losung Betrugs gelangen können. Wollen Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden mir durch ein dero geringsten bedeuten, der aber vertraut ist Nachricht geben, wo die hohe Gnade haben kan mit hochderoselben zu sprechen, so versichere so viel zu entdecken, daß Sie ein Fundament zu allen Betrügerejen zu gelangen bekommen sollen.

Ich Empfehle mich übrigens in dero hohe Huld und Gnade, verbleibe lebenslang

Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden

Schwabach den 5: Maÿ: 1755:

Unterthänig: Gehorsamster
Johann Philipp Andreae
Commercien Commisarius.


Fußnoten

  1. Johann Karl Welser (1685-1755) war seit 1752 Castellan gewesen, d.h. Pfleger der Reichsveste. Er war am 21.02.1755 in St. Sebald bestattet worden, Bestattungen St. Sebald 1755-1768, S. 5 (Scan 42), Eintrag 11.
  2. Salvum Conductum: Sicheres Geleit.
  3. Katharina Maußner war die Tochter des Weinhändlers Valentin Kraft. Am 22.11.1713 heiratete sie Gottfried Schückher. Nach dessen Tod ging sie eine zweite Ehe mit Peter Anton Maussner (09.09.1693-24.04.1752) ein. Sie wurde am 08.05.1755 bestattet.
    Stadtarchiv Nürnberg: E 8 Nr. 4645 / 9
    Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 211 (Scan 161), Eintrag 66
    Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 787 (Scan 497).
  4. Valentin Gottfried Schückher wurde am 23. Oktober 1714 als Sohn des Händlers Gottfried Schückher und dessen Ehefrau Katharina in St. Lorenz getauft, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 999 (Scan 482). Er soll 1774 gestorben sein, vgl. Hammermayer, Ludwig: Gründungs- und Frühgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Kallmünz: Michael Lassleben 1959, S. 141, Fußnote 146.
  5. Aerarium: Staatskasse.
  6. Schalkung: Betrug, Fälschung.
  7. Die Akzise (Accis) war eine Art Verbrauchersteuer.
  8. 1700 wurde der Handelsmann Johann Daniel Bruch (?-1721) aus Straßburg Genannter des Größeren Rats der Stadt Nürnberg. Roth, Johann Ferdinand: Das Verzeichnis aller Genannten des Größeren Rats zu Nürnberg. Nürnberg 1802; Reprint Neustadt a.d. Aisch 2002, S. 149.