Briefwechsel Johann Michael Franz


Kurzinformation zum Brief zum Original
Autor Franz, Johann Michael (1700-1761)
Empfänger Trew, Christoph Jacob (1695-1769)
Ort Göttingen
Datum 4. September 1759
Signatur UB Erlangen: H62/TREWBR FRANZ_JOHANN_MICHAEL[12, Bl. 1r-4v
Transkription Hans Gaab, Fürth


  Wohlgebohrner Herr,
      Hochzuehrender Herr Hoffrath,
         hochgeneigter Gönner!

Ich hoffe, Ewl. Wohlgebohren werden nun alles, was dieselbe an hiesigen Schriften an mich verlangt haben, in dero Handen haben. Am Fuß des Briefs stehet die Rechnung über alles, was ich übersendet habe. Es hat lange gewährt, biß ich Satisfaction gegeben. Wenns meiner Ehrlichkeit u. Dienstfertigkeit u. meinen Wünschen gemäß allezeit möglich wäre, so müste allezeit das dictum factum beysammen seyn. Und nun muß ich mit Gewalt auf Tilgung meiner obigen Schuldigkeit wegen des Capitals u. Interessen bedacht seyn. Seiter ich in Nbrg letzthin gewesen, hat sich der Status rerum wegen des Testaments verändert, u. es wird ehestens ein von mir u. meiner Frau unterschriebenes Billet nachfolgen, da Ewl. Wohlgebl. ersucht werden, das Oveument dem Hl Grundler[1] einzuliefern, also daß dieser es mir gesiegelt zurück schicken kann. Weil wir doch nicht mehr hinaus kommen, so haben wir beyde für gut befunden, gleich bey lebzeiten an meinen Bruder[2] u. seiner Familie die Handlung u. Haus zu überschreiben, mit commodis u. incommodis, u. demnach

[Bl. 1v]
wird mein Bruder besorgt seyn, das Capital der 100 fl denenselben auszuliefern. In meinen Notizbüchern kann ich das Datum der Obligation nicht finden, deßwegen bitte den Hl Grundler es zu eröffnen, damit wir wegen des bißher aufgeschwollenen Zinses Abrede machen können. Wäre kein Regenfuß in der Welt gewesen, würde ich dieses Geld jezo nicht schuldig seyn. Denn ich habe nichts davon genossen, wiewohl ich auf diese Art noch etliche 1000. fl nehmen kann, davon nichts auf mich gelangt, u. so auf andre Leuthe in der Welt verwandt wurde. Mein Schicksal ist wunderlich und die Parallel zwischen mir und Hl Ebersperger noch wunderlicher. Ich habe gesessen wie ein Dachs, und gearbeitet, als wenn ich mich zu todt arbeiten wollte, davon Hl Ebersp. gerade das Gegentheil gethan; daür hat dieser ein Löblichs Alter, u. bey mir quadrirt die Schwüchheit: Er hat sich zur Ruhe begeben u. ist ein botenläufer geworden. Und mit diesem habe ich eine weit bessere Theologie und so viel gelernt, alß mir alle die Lehrer auf hohen u. niedern Schulen u. alle Kirchenlehrer insgesamt nicht sagen können. Vexatio dat Intellectum[3] hat der Dr. Luther zum Gruswort gehabt. Die Creutz Schule ist die Schule des Geistes, alles übrige ist ein Wortspielen und Gedächtnis Werck. In meiner Jugend haben mich meine Eltern u. alle meine Freunde unsern Hl Gott gewidmet. Diese Menschenkinder verstehen darunter das Pfarres Handwerk. Ich aber verstehe es in einem edlen Sinn; ein Christ zu werden kostet weit mehr als jens. Sapienti sat.

[Bl. 2r]
an Impressis sind gesandt worden:

1758 29. Augl.
Der 4ten theil der Comment. Goett.[4]
2 : 24  
  Goett. Anzeigen 1754 nr. 124-156[5]
  mit Titel u. Reg.

35 : 4

25. Xbr den 3ten Tomus Comm. G.[6] 2 : 24 :  
1759 Jul per hl Lichtensteger[7]
  4 Jahrgänge à 3 fl 4 ggl (oder 6 mgl)
12 : 24 :  
   
    18 : 35 : 4

NB. der defect bey 88. 1751 ist noch nicht aufzutreiben. Der Verlag der gelehrten Nachrichten hier ist a. 1754 durch den damaligen Verleger in lauters Confusion gerathen, und ihme die gantze Handlung durch Creditores entnommen worden. Ein Theil davon ist nach Bremen gekommen, u. also fährt diese Sache herum. Also war es von der Zeit ante dictum annum verlangt, bekants lidehnl?. Aber auch Hl Pfarrer Bürkmann[8] hat mir eine Liste der defecte mitgegeben. War wird dieser auch von mir gedenken? Allein eben diese raison fordert mich satisfaction zu geben. Bitte gelegentheitl. es Ihme zu melden, u. versichert zu seyn, daß ich fortfahre mit der Aufsuchung. Die Commentarii werden auch schwehr mehr zu sehen seyn, weil kein Verleger mehr dazu sich finden will.

[Bl. 2v]
und die Sendung der wöchentl. Zeit. dahin gehet auch nicht allemal zu richtig. Ich vermeynte alle 8 Tage einzusenden. Allein ich werde es wohl nur alle 14 Tage thun müssen, aus Furcht für dem Postamt. Wenn diesem Sachen, die man dem Nürnbl. botten zu addressiert, gar die M für Augen bekommen, so werden sie jaloux. Ich glaube immer, es werde diese Sendung noch Noth legen, u. das Postamt an sich ziehen. So dann aber könnte ichs nicht mehr um den abgeredten Preiß mehr liefern. Das Postamt hat immer Soupcons,[9] alß schliesse ich auch meine Briefe dorten mit ein. Denn alß die briefbotten darf der Nurnbl. bott nirgend mit nehmen, so wohl in den braunschweigl. alß churpfalz. landen, wo er durchfährt, ists verboten. Allein ich enthalte mich allen Einflusses bey diesem Paket.

[Bl. 3r]
Was würde aber Hl D.r Homann seel. darzu sagen, wenn er wieder die Absicht seines Testaments zwey Ignoranten sehete, da einer so viel als der andre vom wesentlichen des geogrl. wissenschaft nichts verstehen. Allein es ist zu wissen, daß die Direction in allem dem, was zur Herrichtung und Verbesserung des landk. versands gehört, doch unverrückt fortfahre, dabey auf das küftige, so lange mir Gott leben und gesundheit lässet, Sorge trage, daß einer von meines Bruders Söhnen in allem wissenschaftl. unterrichtet werde, eben so alß wenn ich mir meinen eigenen Sohn unterrichtete, welches ich dest lieber thue, da doch auf solche Art die Sache auf meiner familie bleibt, so Hl Ebersp. seines Orths nicht sagen kann. Uber das soll nach mir meine Frau dabey ihre Versorgung haben, welches mich abermal determinirt, auf den flor dieser Handl. auf alle weise biß an den letzten Hauch meines lebens zu sehen. Folglich ist u. bleibt meine Conexion damit ununterbrochen. Und ich danke auch meiner Frau darum daß alles also mit ihrer völlig ungezwungenen Übereinstimmung u. beyfall abgehandelt worden. Mir aber gehet es freylich dabey am härtesten, weil ich hinauß u. hieher zugl. sorgen u. oft mit Arbeit mich überladen sehen muß.

Unter andern meiner hiesigen Arbeiten ist ein Buch, so ich schreibe, u. welches ich die geogr. Bibliothek nenne. Darin recensire ich alle u. jede Reißbeschreibung, die von je und bis daher zum Vorschein gekommen. Dabei gedenke ich immer an Ewl. Wohlgebl. Bibliothek, die ebenfalls reich von Reisebeschreibungen ist. Nun denke ich zwar, es soll mir keiner und von alten und neuen Reiß: Beschr. echappieren[10]

[Bl. 3v]
weil ich alles, was so wohl in hiesiger grossen Univ. Biblioth. alß auch in der Kayßerl. zu Wien, die ich a 1749 selbst perlusiert, zu finden, zusammengetragen habe. Durch aus möchte seyn, daß in dero Bibliothec viele seyn, die uns etwa noch nie in die Hände gekommen. Daher bin ich sehr begierig zu wissen, ob dero vorhabende Catalogus von der Natur Historie in dem Schriftleben wohl bald zu hoffen. Unter andern kann ich bey des Leonh. Rauwolf M. Doct. Reißbeschr. des Morgenl. nicht recht klug werden. Ich habe eine Edition in 4. von 1582 und zwar ohne Bilder, zu Lauingen gedruckt.[11] Ich finde aber eine edit. und zwar in einem Holl. Catalogo von 1583. in 4 darinnen die von ihm colligirte Kräuter und Pflanzen in Kupfer gestochen seyn sollen. Vielleicht etwa ist diese letzte edit. in dero Bibl. zu finden: das ist was ich zu wissen wünschte, und ob diese edit. eben auch zu Lauingen gedruckt worden. Diese meine geogr. Bibliothek hoffe ich biß übers Jahr um diese Zeit gedruckt fertig zu haben. Ich bringe eine Notiz von vielen laufenden geogr. Büchern zusammen. Wenn ich aber von der Historia naturali auch diejenigen bücher u. Schrifftsteller mit darzu nehmen wollte, welche zugl. das geographische Werk bereichern, so würde es sich noch um viel mehr tausende auflaufen. Allein ich will mich hierinn einschränken, u. dem Publicum dabey auf dero Catalogum Hoffnung machen. Seither ist Hl

[Bl. 4r]
Hl Büttner[12] auch zu einem Professorat gelangt, und er hällt neue Lectiones über die Natur Historie und die Scheidekunst. Dieser und Hl Prof. Röderer[13] sind gar sehr immer curieux, Nürnbl. bloß Ewl. Wohlgebohren zu gefallen zu besuchen. Hl Prof. Röderer hat eine Vocation nach Straßburg bekommen. Allein um ihn hier fest zu machen, hat die Hofe Regiru. ihme eine starke Zulage nebst dem Titel eines Königl. Leib Medici verschafft. Er spricht immer quam honorificientissime von der Kayßl. Acad. der Naturae curiosorum. Ich weiß daß Hl. Doctor Ehrhardt[14] u. verschiedene andere durch ihren Todt einige Stellen unter den berühmten Mitgliedern leer gemacht, u.fiel mir gleich ein, ob nicht Ewl. Wohlgebohren dero Convenient gemäß erachten, eine vacante Stelle durch die Wahl des Hl. Pr. Röderers zu ersetzen. Er ist ein Mann von Ansehen u. Meriten, deßwegen man ihn alß die Zierde der hiesigen medicinl. Facultaet und gantzen Universitaet nicht weglassen wollen. An Beyträgen würde es Ihme nie fehlen. Doch es ist nur ein Gedanke von mir; ich glaube aber, daß er sich eine Ehre daraus machen würde, wenn eine Wahl auf ihn fiele, u. daß bey dieser Wahl, weil bey Ewl. Wohlgebohren das Directorium ist, es bloß auf dero Gutbedüncken dabey ankomme.

[Bl. 4v]
Ich habe verschiedene Medicinl. Dissertationes gesammelt, und warte auf gute Gelegenheit, solche miteinander zu übermachen. Unterwegs soll Hl Pr. Gatterer[15] seyn. Nun kommen etliche Nürnbl. hier zusammen. Hier ist man vor Tagen in der furcht gewesen, daß uns die Reichs Völcker heimsuchen werden; denn nur 2 Meil von hier hat sich ein Trupp davon sehen lassen. Man fürchtet sich vor denen mehr alß vor den Franzosen, denn letztere haben sich ziemlich raisonable aufgeführt.

Ich soll etliche Stücke neml so groß wie die Cabinet Stühl zu seyn pflegen, vom Nürnbl. Marmor verschaffen. Wollten mir Ewl. Wohlgebhl. darzu Behülfe seyn, so wollte ich dafür andere Curiositäten schicken. Mein Bruder hat immer eine Sendung zu thun, der es mit einschlagen könnte. Ich verstehe von der Fabric, die in Altdorf sind, es siehet schwärzl. u. enthät weiße cornua aus. Empfehle mich zu fortwäriger hohen Wohlgewogenheit und verharre in steten Ehren und Respect

      Ewl. Wohlgebohren
      Meines Hochzuehrenden Herrn Hofraths

von meiner Frau auch ein gehors. Compl.

Göttingen den 4. 7br

Gehorsamster D.
Frantz


Fußnoten

  1. Vermutlich der Großkaufmann, Privatbankier und Sammler Leonhard Paul Grundler (1720-1792).
  2. Jacob Heinrich Franz (1713-1769) erwarb 1759 gegen Übernahme der Schulden den Geschäftsanteil seines Bruders am Verlag Homanns Erben.
  3. Anfechtung gibt Verständnis.
  4. Commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis. Band 4. Göttingen: Eliae Luzac 1754.
  5. Goettingische Anzeigen von gelehrten Sachen. Band 1. Göttingen: Johann Friedrich Hager 1754.
    Darin Nr. 124 vom 17. Oktober 1754 (Anfang auf S. 1065) bis Nr. 156 vom 30. Dezember 1754 (Ende auf S. 1384).
  6. Commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis. Band 3. Göttingen: Eliae Luzac 1753.
  7. Georg Lichtersteger (1700-1781) war Kupferstecher und Kunsthändler in Nürnberg.
  8. Vermutlich der Nürnberger Theologe und Musiker Christoph Birkmann (1703-1771), der seit 1741 Diakon bei St. Egidien war.
  9. Soupçon: Verdacht.
  10. echappiren: entweichen, entwischen.
  11. Rauwolf, Leonhard (1535/40-1596): Aigentliche beschreibung der Raiß, so er vor diser zeit gegen Auffgang inn die Morgenländer, fürnemlich Syriam, Iudaeam, Arabiam, Mesopotamiam, Babyloniam, Assyriam, Armeniam c. nicht ohne geringe mühe vnnd grosse gefahr selbs volbracht: neben vermeldung vil anderer seltzamer vnd denckwürdiger sachen, die alle er auff solcher erkundiget, gesehen vnd obseruiert hat; Alles in drey vnderschidliche Thail mit sonderem fleiß abgethailet, vnd ein jeder weiter in seine sondere Capitel, wie dero jnnhalt in zu end gesetztem Register zufinden. Lauingen: Reinmichel 1582.
  12. 1758 wurde Christian Wilhelm Büttner (1716-1801) auf den Lehrstuhl für Naturgeschichte und Chemie in Göttingen berufen. Er besaß eine umfangreiche Naturaliensammlung sowie eine große Bibliothek.
  13. Johann Wolfgang Roederer (1726-1763) war Mediziner in Göttingen und gilt heute als Begründer der wissenschaftlichen Geburtshilfe.
  14. Johann Balthasar Ehrhart (1700-1756) war Stadtphysicus und Botaniker in Memmingen.
  15. Johann Christoph Gatterer (1727-1799) war ab 1752 am Nürnberger Gymnasium beschäftigt und folgte 1759 einem Ruf nach Göttingen auf den Lehrstuhl für Geschichte.