Briefwechsel Tobias Mayer
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Mayer, Tobias (1723-1762) |
Empfänger | Euler, Leonhard (1707-1783) |
Ort | Göttingen |
Datum | 17. August 1754 |
Signatur | UB Tartu: Epistolae autographae CC Philosophorum cel. II. F 3,Mrg CCCLIVa [138], Bl. 1r-2v |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Wohlgebohrner Herr,
Hochzuehrender Herr Professor.
Ew. Wohlgebl. letztere Vorschläge zu überlegen, habe ich mir etwas lange Bedenkzeit genommen, und wenn ich die Wahrheit sagen sollte, bin ich gleichwohl fast noch gänzlich unschlüßig; Betrachte ich die Umstände auf meiner Seite, so finde ich, daß ich das angebotene Gehalt von 600 Rtflr. ohne merklichen Verlust nicht annehmen und dagegen meine hiesige Stelle vertauschen kann. Seitdem in unserer hiesigen Societaet der Wissenschaften einige für mich vortheilhafte Veränderung vorgegangen, hat sich mein ordentliches Einkommen um so viel vermehret, daß ich mir anderweitige Stelle unter weniger als 700 Rtflr. anzunehmen
[Bl. 1v]
annoch Bedenken tragen könnte. Andererseits aber
macht die besondere Neigung gegen die dortige Academie,
nebst dem Vergnügen und den Vortheilen, die
ich mir von dem Umgang so vieler Gelehrten und
Berühmten Leuten verspreche, ingleichen
die Ruhe, in welcher ich dorten hoffe den Wissenschaften obliegen
zu können, daß ich auch mit einigem Nachtheil
gerne meine hiesige Stelle resigniren wollte. Bey
solchen Umständen, die mir beyderseits die Wage
zu halten scheinen, weiß ich mich nicht zu entschließen.
Sollte ich indessen gleichwohl eine endliche
Erklärung von mir geben, so würde sie in folgendem
bestehen, woraus Ew. Wohlgebl., wie ich hoffe,
zur Genüge abnehmen können, wie gerne ich
in Ansuchung obiger Umstände das äußerste,
was mir möglich ist thun wollte: Nemlich
ich würde ohne ferneres Bedenken die mir bey
der dortigen Academie angetragene Stelle annehmen,
wenn mir ein jährliches Gehalt von
[Bl. 2r]
650 Rtflr. zugestanden; und über dieses für die
aufzunehmenden Reisekosten 100 Rtflr.
als wovon ich glaube daß sie kaum hinreichend
seyn würden, gleich nach meiner Ankunft in
Berlin gereichet würden. Was meine
Dimission anbelangt, so sehe ich keine Schwierigkeiten
solche zu erhalten, weil es dabey meistens auf mich
selbst ankommen würde. Meine Abreise
aber würde ich nicht eher als bis auf den
October antretten können, weil die Collegia
erst mit dem September zu Ende gehen, und
ich meine Zeit brauchte, mich zur Reise anzuschicken,
meine überflüssige oder zum Transport
unschickliche Meubles zu verkaufen, u. d. gl. hingegen
würde ich auch nicht verlangen, daß der Termin
meiner Pension eher als mit meiner Abreise
anfange. Hier sehen also Ew. Wohlgebl.
meine endlich aufrichtige Resolution, und
wenn diese, so viel mir möglich gemäßigten
[Bl. 2v]
Conditionen sollten verworfen werden, so habe ich alle
Hoffnung nach Berlin zu kommen, mit der ich mir bisher
so sehr geschmeichelt habe, verlohren.
Die Kürze der Zeit verbietet mir daß von dem guten Fortgang der Untersuchungen, die ich bisher über die Bewegung des Mondes gemacht habe, wie ich im Anfange wollte, Ew. Wohlgebl. Bericht zu thun. Ich schließe demnach und verharre mit vollkommenster Hochachtung
Ew. Wohlgebohrnen
Göttingen den 17. Aug.
1754
gehorsamster Diener
T Mayer.