Galilei und Marius


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... sei ein Augenglas entwickelt worden, durch dessen Hilfe man sichtbare Gegenstände, mochten sie auch weit vom Auge des Betrachters entfernt sein, so deutlich wahrnahm, als sähe man sie aus der Nähe. Von dieser wahrhaft erstaunlichen Wirkung kursierten etliche Erfahrungsberichte, denen einige Glauben schenkten, andere nicht. Dasselbe wurde mir wenige Tage später in einem Brief von dem französischen Edelmann Jacques Badouer aus Paris[1] bestätigt. Das war schließlich der Anlass, dass ich mich ganz der Aufgabe widmete, ein Prinzip zu erforschen sowie Mittel zu ersinnen, durch die ich zur Erfindung eines ähnlichen Gerätes gelangen könnte. Sie gelang mir wenig später, nachdem ich mich in die Lehre von den Brechungen des Lichts vertieft hatte."

Doch welche Kenntnisse Galilei über die Brechungsgesetze benötigte und über die Art und Weise, wie mittels einfacher Glaslinsen Abbilder erzeugt werden, geht voll und ganz aus der Skizze hervor, die Galilei seinem Sternenboten einfügte[2] und mit deren Hilfe bewiesen werden sollte, dass das Blickfeld eines Fernrohrs ungefähr im gleichen Verhältnis zunimmt, wie die Öffnung des Objektivs. Solange in dem Rohr keine Linsen wären, würden die Sehstrahlen zum Gegenstand FG entlang den geraden Linien ECF, EDG laufen. Bei eingefügten Linsen aber mögen sie entlang den gebrochenen Linien ECH, EDI laufen; sie werden nämlich gesammelt, und dieselben, die sich vorher ungehindert auf den Gegenstand FG richteten, werden nur noch den Teil HI umfassen.[3] Galilei glaubt also immer noch an die alte Sichtweise, dass das Bild durch vom Auge ausgehende Strahlen erzeugt wird; demnach führen die Strahlen, die verschiedene Punkte des Objektivs passieren, zu verschiedenen Punkten des entfernten Objekts, deren gegenseitiger Abstand denen des Objektivs entspricht; - schließlich spielt in Galileis Zeichnung und in seiner Erklärung das Okular keine Rolle, die Strahlen passieren es ohne Brechung, von der Art, dass man es durch ein planes Glas ersetzen oder es gleich ganz weglassen könnte. Sicher sind das nicht Grundsätze, die, "im Ergebnis überaus verwickelter Berechnungen der Perspektive entstanden" sind, die, wie Galilei vor den Senatoren von Venedig bekräftigte, ...


Fussnoten

  1. Dieser Brief scheint nicht überliefert zu sein, er wurde zumindest nie veröffentlicht. Wir haben Schwierigkeiten zu glauben, dass Badouer aus Paris schrieb, wo schon seit einigen Wochen Fernrohre öffentlich verkauft wurden. Er hätte über dieses Instrument und seine wunderbare Wirkung nichts mitgeteilt, da es nur aus einer einfachen Röhre bestand, in der an jedem Ende eine Linse angebracht war.
    [Anmerkung des Bearbeiters] Giacomo Badoer (Jacques Badouère, Badouer, Badovere, Badoire, ca. 1575-ca. 1620) war ein in Frankreich geborener Diplomat, der bei Galilei in Padua Mathematik studiert hatte.
  2. [Anmerkung des Bearbeiters] Vgl. Galilei, Galileo: Siderius Nuncius. Venedig: Thomam Baglionum 1610, S. 7.
  3. [Anmerkung des Bearbeiters] Oudemans und Bosscha sprechen hier fälschlicherweise von den Sehstrahlen ECF und BDC, wobei BDC offensichtlich kein Sehstrahl ist. Der vorangegangene Text wurde hier der deutschen Übersetzung des Sidereus Nuncius entnommen:
    Galilei, Galileo: Sidereus Nuncius. Nachricht von neuen Sternen. Herausgegeben und eingeleitet von Hans Blumenberg. Übersetzt von Malte Hossenfelder. 2.te Auflage. Frankfurt a.M: Suhrkamp 2002, S. 86.

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