Galilei und Marius


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... in Pisa und Padua hatte er sich einen gewissen Ruf erworben. In Pisa, wo er drei Jahre verbrachte, besaß er die Kühnheit sich offen gegen die scholastische Doktrin zu stellen, indem er in seinen Vorlesungen mit den Theorien der Peripatetiker unvereinbare Ansichten vertrat, und in Italien unbekannte Experimente durchführte,[1] mit denen er sie öffentlich konfrontierte. Durch die Freiheit seines Verhaltens gegenüber ...


Fussnoten

  1. Dies ist das Experiment, berichtet Vincenzo Viviani [1622-1703] (Favaro, Antonio: Galileo Galilei e lo Studio di Padova I, Florenz 1888, S. 41), das auf dem Turm von Pisa vorgeführt wurde und zeigt, dass Körper verschiedener Masse mit der gleichen Geschwindigkeit fallen. Nelli beschreibt es wie folgt (Nelli, Giovanni Battista [1745-1805]: Vita e commercio letterario di Galileo Galilei, Vol. I. Lausanne 1793, S. 43): "Eine hundert Pfund schwerer Eisenkugel, die aus einer Höhe von hundert Fuß fallen gelassen wird, fällt zur gleichen Zeit auf den Boden, wie ein anderes Stück Eisen von nur einem Pfund, das die gleiche Höhe durchfällt." Favaro sagte darüber, dass die peripatetische Philosophie vom Turm von Pisa einen Schlag erhielt, von dem sie sich nie wieder erholte. [Anmerkung des Bearbeiters: Dass Galilei dieses Experiment am Turm von Pisa vorführte, wird heute bezweifelt, vgl. z.B. Koyré, Alexander: Das Experiment von Pisa. In: Galilei. Die Anfänge der neuzeitlichen Wissenschaft. Berlin: Wagenbach 1988, S. 59-69.]

    Wenn dies das ausschlaggebende Experiment ist, war die peripatetische Philosophie seit mehr als vier Jahren widerlegt. Tatsächlich wird dieses Experiment schon in den "Beghinselen des Waterwichts, [Einführung in die Hydrostatik] beschrieben von Simon Stevin [1548/49-1620] aus Brügge, Leiden 1586", S. 66 mit diesen Worten vorgestellt:

    "Das Experiment gegen Aristoteles ist dieses: Man nehme, - wie ich es selbst zusammen mit Professor Jan Cornets de Groot [1554-1640], der sehr sorgfältig die Geheimnisse der Natur untersucht, getan habe, - zwei Bleikugeln, die eine zehnmal größer und schwerer als die andere, und lasse sie aus einer Höhe von 30 Fuß auf ein Tablett fallen oder gegen etwas, worauf sie einen lauten Ton erzeugen. Man wird merken, dass die leichtere Kugel keineswegs zehnmal länger unterwegs ist als die schwerere, sondern dass sie gleichzeitig auf das Tablett fallen und die beiden Töne wie ein- und derselbe Schlag erklingen."

    Die ersten Werke von Simon Stevin sind voller Fakten und Versuche, die später Galilei zugeschrieben wurden, oder die er sich selbst zugeschrieben hat: Die Bestimmung des Schwerpunktes einer Pyramide oder eines abgeschnittenen Paraboloids, durch die Galilei beim Marquis Guidobaldo del Monte [1545-1607] in gutem Ansehen stand (Favaro I, wie oben, S. 30), die Zusammensetzung der Kräfte innerhalb eines Kräftedreiecks, die Anwendung des Prinzips virtueller Geschwindigkeiten, die Stevin übrigens wie eine bekannte Tatsache behandelte, die Vorführung des Zusammenhangs zwischen dem Gewicht eines Körpers und der Hangabtriebskraft, das alles sind Theorien, bei denen Stevin die Priorität zukommt. Zu der Zeit als die "Beghinselen der Weeghconst", [Einführung in die Kunst des Wiegens] 1585 erschienen, hatte Stevin sogar schon eine Abhandlung über die Schwerkraft der Luft verfasst, die leider verloren ging, deren Existenz aber durch Randbemerkungen belegt ist, die sich in der lateinischen Version befinden, die dieser Arbeit voranging und die er selbst unter dem Titel "de lochtwicht", das "Gewicht der Luft" anführt. Galilei hatte in Belgien viele Korrespondenten, wofür man die Arbeit von Doktor Georges Monchamp [1856-1907], Priester der Diozöse Lüttich, zu Rate ziehen kann: Galilée et la Belgique. Saint-Trond 1892.