Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 12. Mai 1722
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 80r-v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler Vest und Hochgelahrter,
 Hochgeehrtester Herr
  Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. wollen es nicht übel deuten, daß auf mein letztes vom 20 April, schon wieder mit einigen Zeilen beschwerlich falle. Es geschiehet solches hauptsächlich auf Begehren des Hl. von Wurzelbau; von dem an Dieselbigen, eine ergebenste Begrüßung und Anwünschung alles beharrlichen Wolergehens, zu vermelden, und anbey wegen der jüngst gedachten Oster Differenz[1] zu eröfnen habe: Wie Er meine daß es allerdings nothwendig sey, solche materie nicht zu verschweigen, sondern sie gehöriger Orten anzubringen. Nur ist er sehr begierig zu wißen, wann A.o 1724 der Jüden Osterfest fällt, und ob es nicht etwa mit dem unsrigen zusammen trift? Geschiehet das letztere, so fragt sichs, ob wir Protestanten unsere Ostern der Jüden wegen verschieben, oder bey dem Astronomischen Calculo verbleiben sollen? Ew. HochEdl. wird sonder Zweifel Herr Doctor Klimm bekand seyn, der sich ehemals zu Berlin aufgehalten. Dieser meinet, man solle die Sache verschweigen, damit die gemeinen Calender=Schmierer blind anlauften: und damit man hernach Gelegenheit habe, gehöriger Orten fürzustellen, wie nachtheilig es sey, wenn man die Verfertigung der Calender, solchen Leuten anvertraue, die den darzu gehörigen Calculum und das rechte Fundament nicht verstehen.[2] Ob sich nun schon diese Vorstellung hören läßet, so halte ich doch dafür, es sey mit unter die vergeblichen Sachen zu zählen, wenn man denen Calender Schmierern ihr nichtswürdiges Handwerck wiederlegen wolle: anerwogen doch heut zu Tage die Verleger, nicht so wol auf einen guten kunstmäßigen Calender, sondern nur darauf sehen, daß sie immer weniger dafür bezahlen dürfen, und doch

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gleichwol viel Wucher damit treiben können. Ich weis, wie es hier damit herzugehen pfleget, doch ist nicht allezeit der Verleger Schuld daran. Zum Exempel: Die Herren Endters[3], denen Ew. HochEdl. die Calender calculiren, wißen etwan nicht wie ich, wie sie betrogen werden. Denn der Corrector ihrer Druckereyen, so bald er den Calender in die Hände kriegt, schreibt ihn hurtig ab, und communicirt ihn hernach anderwerts um etliche Gulden hin, wie ihn denn der hiesige Buchhändler Lochner[4], schon viele Jahr lang, auf dergleichen Schlag von ihm empfangen, wie mir seine Frau selbst gesagt hat. Gedachter Lochner, läßt ihn hernach wieder etlichs mal abschreiben und verschickt ihn hin und her, also daß er fast so viel Geld dafür ein ziehet, als der Auctor pro labore kriegt, und kan er die seinigen, so er hier drucken läßt, noch darzu umsonst kriegen. Doch dieses gehöret eigentlich nicht hieher: Ich werde mich vielmehr zu meinem vorigen Vortrag wenden und melden, wie mir die Meinung des Hl von Wurzelbau beßer, als des Hl D. Klimm seine gefällt. Wie aber Ew. HochEdl. dabey gesinnet seyn, oder was sie sonsten dabey zu erinnern haben, das geruhen Sie, dem Hl von Wurzelbau zu Gefallen, so bald es möglich an mich zu über schreiben. Ich versichere, daß Ew. HochEdl. Ihm hiedurch einen sonderbahren Gefallen erweisen; und weil ich meines Ortes ebenfals theil daran nehme, so will ich vor die Ihnen hieraus erwachsende Bemühung, durch andere Gefälligkeiten dartuhn, wie ich mit dem aufrichtigsten Gemühte, jeder Zeit heiße.

Ew. HochEdl.
Nürnberg d. 12 Maji 1722.

gantz ergebenster und ver=
bundenster diener.  

Johann Leonhard Rost.


Fußnoten

  1. Vgl. das PS im vorigen Brief vom 20. April 1722.
  2. Interessante biographische Informationen zu Johann Christoph Klimm enthält ein Brief von Johann Albrecht Klimm an Johann Heinrich Lambert (1728-1777) vom 30. Juli 1775, abgedruckt in: Bernoulli, Johann (Hrsg.): Joh. Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Berlin 1782, S. 300-304. Johann Albrecht Klimm bezeichnet darin Johann Christoph Klimm als seinen Vetter. Hier findet sich auch die Behauptung, dass Johann Christoph Klimm derjenige gewesen sein soll, der bezüglich der Preußischen Akademie der Wissenschaften "den Fonds zu derselben Erhaltung mit dem Calenderwesen mit dem Geh. Rath v. Fuchs und Bar. von Leibniz An. 1700 angegeben und vorgeschlagen hat." Die Akademie sollte sich also über ein Kalenderprivileg finanzieren. Das könnte erkl&aren, warum Klimm schon am 12. Oktober 1701 als Mitglied in die Akademie aufgenommen wurde, obwohl er durch keine großen Verdienste auf sich aufmerksam gemacht hat. Seine im vorliegenden Brief vorgetragene Meinung passt ebenfalls zu dieser Geschichte.
  3. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  4. Johann Christoph Lochner (1654-1730) war seit 1685 im Ämterbüchlein verzeichnet. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 2. München: Saur 2007, S. 935.