Briefwechsel Johann Carl Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Carl (1690-1731)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 20. Dezember 1727
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 150r-151r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter,
   Hochgeehrtester Herr,
     Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. haben bey Dero mir längst bekandten eingeschränckten Stunden, durchaus nicht Ursache sich Gedancken über einig vermeintes Verzögern der Beantwortung meiner geringen Schreiben zu machen: da mirs genug, wenn solches nach Dero Bequemlichkeit geschiehet, und ich indessen die Ehre behalte in Dero Gewogenheit zu leben; wovon ich denn durch das wertheste Blat vergewißert bin, welches mir nebst dem Astronomischen Calender[1] den 27 Oct. bestens zugestellet worden. Es war mir solcher um so angenehmer, als ich viel nützliches und schönes darinne angetroffen, welches mich ungemein vergnügte. Nur bin ich dabey in Unruhe, daß nicht weiß womit Dero Gütigkeit verschulden und auf hinlängliche Art erwiedern kan. Ich erwarte demnach Ew. HochEdl. gefällige Befehle mit aufrichtigem Verlangen, wie solches füglich bewerckstelligen solle; dancke aber hiernächst unendlich dafür, so wohl als vor die geneigte Compassion, so Sie mir wegen Absterben meines Seel. Bruders bezeugten;[2] der ich dagegen vom Hertzen wünsche, Gott wolle Ew. HochEdl. bisherige Zufriedenheit weder durch dergleichen betrübte fälle, noch anderwärtige beschwerliche Verhängnisse stören, sondern dieselbe in beständiger Gesundheit und vollkommen beglückten Stande in das spätste Alter dem Publico zu Liebe befestigen: mithin mir nebst andern Dero wahren Verehrer die Veranlassung zu stäter freunde darüber nie entziehen.

[Bl. 150v]
Noch habe mich auch vor Dero höfliche Gratulation wegen meiner Aufnahme in die Hochlöbl. Societaet sehr verbunden zu erkennen.[3] Ich würde in Wahrheit bey derer Überlesung weniger erröthen, wo ich mich ihrer rechtmäßiger würdig zeigen könte: zumahl da zur Zeit nicht mehrers zu leisten fähig, als was meine Umstände leiden, weil Astronomische Labores doch tauglichere Gelegenheit erfordern, als ich sie darzu besitze. Daher werden Ew. HochEdl. diejenigen observata, womit hier erscheine, wenigstens vor Kennzeichen meiner guten intention anschauen. Bey der occultation der Plejaden den 6 Sept., muste ich mich wegen der incommoden ☽ Höhe und niedern fester durchaus eines 6schuhigen Tubi bedienen, welcher mit dem Micrometro, so ich nach Ms. de l'Isle seinem verfertiget,[4] ausgestattet war; da es denn etwas ungenau des um die Bestimmung der momentorum Immersionum der Sterne am hellen ☽ Rand hieße: weil sie, wie gewöhnlich und Ew. HochEdl. im Astron. Calender erinnerten, hartnäckigst daran hängend bleiben, bis sie gar verschwinden. Ich habe dem Zweifel durch etliche zu vor gemeßene Distantiis a maculis abzuhelffen gesucht. Der letzere ebenmäßige Casus den 27 Nov. ist hier wegen des dick bewölckten himmels unsichtbar gewesen; ohnerachtet sichs den Nachmittag und Abend gut anzulassen simulirte. Den Transitum ♀ beym ☽ den 18 Sept. konte wegen sehr vaporoser Beschmutzung der Luft nicht gewahr werden. Die Annäherung ♀ zur Spica ♍ den 27 Aug. zeigte sich mir durch den vorigen 6 schugigen Tubum sehr feine. ♀ war etwas minder als dichotomas.[5] Das beste bedünckte mir, daß selbigen Abend gleich vier distantiis ersuchen konte; ob schon noch alle vor der ☌: massen sie mir zu den trigonometrischen datis genügten. Ich habe freylich schon

[Bl. 151r]
den 26 und hernach den 28 wieder eine distanzen bemerkt; allein die Sidera erwiesen sich nicht scharf genug, daß ich darauf traute. Wiewohl ich den 28 eine mit dem 6 schuhigen Tubo vermeinte zu erlangen; da ♀ und Spica kaum noch am Rande des campi ocularis blickten; welches aber nichts zu gelten erachte. Die Uhr könte ich zwar aus correspondierenden ☉ Höhen corrigiren; da jedoch selbiger Tag nicht allemahl gut gewesen, so behielte der fixarum ihre.[6] Es ist nur mißlich, daß man niemand hat, der einem an die Hand gehet. Ich gehe meinem seel. Bruder deshalb gewaltig irre, so wohl als den Hl von Wurtzelbau, dessen venerabler Quadrans Azimuthalis nun von der Specula herunter gewürgt, und nebst dem andern appareit von den noch im Streit lebenden Erben vertheilet ist; Gott weiß wie dabey ruinirt. Dieses Wurtzelbauische Basar ist nun dahin: und Carmel[7] auf dem Stadt Observatorio liegen das gantze Jahr öde. Der Höchste laße bey Ew. HochEdl. alles in dauerhaften flor beharren: und gebe daß der Ausgang des jetzigen und der Antrit des folgenden Jahres glücklich und gesund, auch dessen fernerer Verlauf immer gesegnet seyn möge; da inmittelst dero unveränderliches Wohlwollen mir eifrigst ausbitte, der ich bin

Ew. HochEdl.
   Meines Hochgeehrtesten Herrn
     und Hochgeschätzten Gönners

Nürnberg den 20 Dec.
1727

gantz ergebenster und verbundenster
diener

J C Rost. Dr.


Beilage
Astronomische Beobachtungen von 1727


Fußnoten

  1. Seit 1702 gab Gottfried Kirch den Astronomischen Kalender heraus, der von seinem Sohn fortgeführt wurde. Vgl. den Eintrag zu Gottfried Kirch im Biobiliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750.
  2. Johann Leonhard Rost starb am 22. März 1727.
  3. Johann Carl Rost war am 17. Juli 1727 in die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen worden.
  4. Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) zeigte Johann Carl Rost bei seinem Aufenthalt in Nürnberg Ende Dezember 1725 sein Mikrometer.
  5. halb bedeckt.
  6. Rost korrigierte die Zeit also nicht über die Vermessung von Sonnenhöhen, sondern über Kulminationen von Fixsternen.
  7. Carmel bezeichnet einen für seine Fruchtbarkeit bekannten Ort.