Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigismund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 13. Juli 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 279-280
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Es ist in der, den 11. hujus gehabten Verhör begehrt worden, wo die Brieffe wären, die der Glück[1] an mich geschrieben, darinnen Er mit Lügen und Chicanen continuirlich umb sich geworffen, und gemeldet, daß ich Ihme niemahlen keine Parolen halte, so habe vermeldet, daß Ihme diese jederzeit wider zurückgesandt, welches Er selbsten nicht negiren wird, weilen niemahlen keinen solchen schmähbrieff beÿ mir behalten mögen; solte es aber von Einem HochEdlen Magistrat erlaubt seÿn, daß dieser wegen an Hl: Geheimen Rath von Seckendorff[2] schreiben und diese Brieff samt den kittlerischen[3] 2: Originalhandschriften wegen der Findelrechnungs notis und Ämterbüchl Correctur abfordern laßen darff, so wird Er schon genöthiget diese herzugeben, da sich dann dasjenige von sich selbsten zeigen wird, wozu man bißhero in mich ein Mißtrauen gesetzt, daß die Wahrheit nicht geredt hätte, daß mich aber gleich auf solche Sachen, die weiter nichts, als bloß zum schein geschrieben und gemacht worden, so gleich erinnern kan, oder umständlich davon Nachricht ertheilen kan, ist mir in der That nicht zum zumuthen, weilen hiezu eine ungemeine Memorie gehörete, absonderlich da solche Sachen manchmahlen über Jahr und Tag angestanden. Ich will doch, so viel als mir noch eingefallen, hier melden, und gegenwärtigen Brieff,[4] so deß Glücken eigene Hand und Pettschafft ist, hier beÿlegen, welchen noch beÿ mir gefunden, und zusammen geflickt;

Auß dieser Antwort wird gleich zu ersehen seÿn, daß ich Ihme wider mit lauter lügen oder leeren Dingen erschienen, mithin sehr hitzig darauff gewesen, damit Er die Platten in seine Hände bekommen möge, weilen Er, wie ich etl: Tage darauff erfahren, Nachricht solle bekommen haben, daß ich willens seÿe die Platten Einem vorhin schon bekandten hohen Herrn einhändig zu machen, wie Er aber solches in erfahrung bekommen, kan ich nicht wißen, und wird der Trucker Guntzelmann[5] solches villeich[!] am besten darthun können, dann so scharff als ich diesen trucker anbefohlen, die Platten nicht außzuhändigen hat Er solche doch, als ich etliche Tage in Pommersfelden war, den Glücken durch Hülffe deß Reußen[6] einhändig gemacht, und nach Schweinau gelieffert, der Reuß hingegen selbige biß Schwabach durch einen Taglöhner auf den Schubkarren führen laßen, und Reuß solche dahin begleitet, deß Guntzelmanns Vorgeben nach, hätte ihme der Reuß einen Brieff gezeigt, weilen dieser weder leßen noch schreiben kan, als wann ich solchen geschrieben und gemeldet, man solte Ihme die Platten verabfolgen laßen. Daß Er hier in dem Brieff schreibt, Er seÿe capable mir alle stund Satisfaction zu geben, verstehet sich, weil Er mir zimlich schuldig ist, und dieses eben die meiste Ursach ist, daß Er mich auf solche Art durch Hülffe deß Reußen unschuldiger weise verfolgt und beÿ Einem HochEdlen Magistrat dergestalten angeschwärzt hat, damit Er dadurch Zeit gewinnen mich darumb zu betrügen, weilen Er dergl: meisterl. schon zum öftern practiciert hat, und klar am tage ist.

Daß Er schreibt ich solle auf meiner Huth stehen etc. hier gehets Ihme, wie dem Juda Ischanoth[7]; und ist deutl: genug wider auß diesem zu ersehen, was Er im Schilde führt.

Im PS schreibt Er heute nachmittag umb 4. Uhr ist der Reuß hier arrestiert worden etc. welches aber grundfalsch war. Durch dieses hat Er mich wollen abschrecken, daß nicht nach Schwabach oder Anspach reißen solle, weilen ich eine Piece, so bereits vor geraumer Zeit in hohen Händen ist samt 2: Brieffen, mit List an 3: biß 4. Orten auf einige erdichtete Castner gesucht, und mit villen verdeckten Nahmen unterschreiben laßen, um solche ohne argwohn auf mich zu haben, zu erhalten, von dieser affaire Umstand ist noch alles deutl: genug gemelt in bemelten hohen Ort; Es hat ja dieser Glück überall vorgegeben, ich dörfte mich in dem marggräffischen nicht mehr sehen laßen, welches Licent. Geiger[8], Guntzelmann, Hering, Bernd, Bernauer[9], und noch viel mehr Persohnen aÿdl. aussagen können, weilen ich diese Piece auf die Castners gesucht; etc.

Daß in dem Verhör wegen deß von mir ledig zum Schein angefangenen Msts. im Reich der todten, einige NB: gemacht, absonderlich in fine mit Terminis Pyrotechnices auß diesen ist ja noch klärlicher abzunehmen, daß: ich bloß damit habe aufziehen wollen zum Glauben, und mir desto eher zu trauen, da dieses wort sich zu dieser materie schickete, wie eine Faust auf ein Aug und habe ich wohl gewußt, daß Er nichts lateinisch

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verstehet, so habe auch dieses nur zum Schein hingesetzt, die in dem andern NB: befindl. Dinge von dem Krebsstock etc. erinnere ich mich noch gar zu wohl, daß der Glück selbsten gesagt, ich solle es notieren, und mir es andictiert, welches Er nicht laugnen kan, Er wird sich auch noch wohl entsinnen, daß Ihme versprochen, ich wolte Ihme reich Historicum senden, die es capable seÿe, allein es ist eben so wenig geschehen, und dieser Ursach wegen wird Er mit dem Poeten Riederer[10] correspondiert haben, welche ich aber doch nicht gewiß wißen kan, hingegen hat Er nur die schändlichsten Brieffe darauff geschrieben, und immer mit Lügen und Chicanen darin geworffen.

Diesen Punct betreffend, ich erfahre alles was in der Rathstuben passiere, solches habe eben diesem Glücken nicht nur öffters mündl: sondern auch schrifftl: gemeldet, ja ich erinner mich daß Er mich gefragt, wer dann derjenige wäre, ich zur Antwort gab, Hl: Rathschreiber, da es aber wider im Grund falsch und eine s.v. Lügen, ich auch mein Lebtag nicht das geringste von diesem Herrn gehört, noch von einem andern, sondern es war von mir eine fingierte Sache, wie dann eben dieser Glück öffters gesagt ich solte mich in acht nehmen, wann mich Hhl: von Nbrg: wider in ihre gewalt bekommen, so würden sie mich warm halten, und dieses geschahe, da ich die Beschreibung der Unterthanen auf obbemelte Art durch Hülfe seiner und deß Reußen von dem hiesigen Haaßen[11] per literas begehrt, und ich zum Vorwand genommen, ich suche es vor die Kauffleuthe, weilen ichs nicht sagen dörffte, daß ich hierzu von Einer hohen Hand ordre hatte; so offt Er mir dieses zu mir gesagt habe allezeit dieses zur Antwort gegeben, ich förchtete mich nicht, ich bekäme schon Nachricht vorhero; diese und dergl: reden so wohl schrifftl. als mündl. habe gar offt gehtan, da doch die wenigste Wahrheit nicht daran war. Ich wünschete nichts mehrers als daß seine eigenen Brieffe da wären, so würde sich die gantze Sach von selbsten erläutern, daß nichts anders gesucht, als die Zunge Ihme zu ziehen, und können solches die lebendigen Zeugen absonderlich der Guntzelmann ansagen, wie offt Er zu Ihme gesagt, ich redete Ihme kein wahres wort, sondern hielte Ihm nur vor einen Narren.

Ich will aber eben dasjenige nichts so gar beschönen, was ich in dem Mspt in dem Reich der Todten geschrieben, sage selbsten daß ich es beßer hätte überlegen sollen, allein wann man alle diejenigen wolte dergestalten straffen, so würden schwehrlich viele Häußer seÿn, darinne solches nicht geredet worden ja es ist so gar in denen geschriebenen Correspondenzen von Wien zum öfftern gestanden, und wo ich es selbsten gelesen; und dergleichen lügen hörte man anfänglich sehr viele, wie es auch die Extractus von Regenspurg aufweisen:

Euer HochGebohrn und Gnaden wollen die hohe Gnade doch vor mich haben, und die Sache so viel als mögl. beschleunigen, damit wider an meiner Arbeit continuiren könne, und ich nicht gar an den Bettelstab komme, ich werde vor dero langes Leben beständiges Aufnehmen der Hochadel: Familie den lieben Gott inständig anflehen und allerzeit verharren mit unterthänigstem Respect

Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden

e Carcere den 13: Julij: 1733:

Unterthänigster Diener
Johann Philipp Andreae
Mathematicus


Fußnoten

  1. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  2. Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759) war 1714 zum Geheimrat in Diensten des Ansbacher Markgrafen ernannt worden. Auf dem von ihm erhaltenen Portät wurde er auch als Baron bezeichnet.
    Neue Deutsche Biographie, 24 (2010), S. 119-120 (Verfasser: Gerhard Rechter).
  3. Johann Georg Kittler schrieb sich 1706 an der Universität in Altdorf ein. 1732 war er Prokurator am Nürnberger Untergericht. Im Verhör von Andreae vom 3. Juli 1733 wurde Kittler als Prokurator bezeichnet, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 200. Kittler wurde am 30.03.1733 bestattet, Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 61 (Scan 49), Nr. 65.
  4. Der Brief befindet sich im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 281-282.
  5. Johann Gunzelmann wurde am 31.07.1672 in St. Lorenz getauft: "Basilius Gunzelmann, Mußquetierer allhie. Sophia. Johann. Allmann, Schellenmacher, 31. [07.1672]", Taufen St. Lorenz 1668-1680, S. 78 (Scan 37). Am 21.01.1700 heiratete der Kupferdrucker Johann Guntzelmann Anna Steinhauser: "Der Ers. u. Kunstr. Joh. Guntzelmann Kupferdrucker, deß Ers. Basilius Guntzelmann [?] Gesellen S.N.E.S., J. Anna, deß Ers. Joh. Steinhauser, Hefftleinm. E. T. [...] d. 21. Jan [1700]", Trauungen St. Sebald 1692-1727, S. 170 (Scan 88), Eintrag 9.
  6. Johann Georg Reuß war Schreiber in Schweinau und scheint enge Beziehungen zu Johann Paul Glück in Schwabach gehabt zu haben. Ein Brief von ihm liegt im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 95-97.
  7. Judas Iskariot, der die Festnahme Jesu im Garten Gethsemane ermöglichte.
  8. Thomas Geiger (1692-1739) war seit 1726 Advokat in Nürberg, wurde aber erst 1731 mit einer Disputation Licentiat in Altdorf. Vgl. Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 1. Nürnberg 1755, S. 519.
  9. Laut seines ersten Verhörs am 18.07.1733 war der Kupferdrucker Abraham Brennauer (Bronauer, Brünauer) war 35 Jahre alt, wohnte in der Katharinengasse, war verheiratet und hatte ein Kind. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 35.
    Er hatte am 12.02.1725 geheiratet: "d. 12. Febr. [1725] Der Ers. Abraham Brunnauer, Kuferdrucker, des Ers. und Kunstr. Eberhard Brunnauer, Messerschmidts Ehel. [Sohn] die Tugendsame Jgfrl. Anna Catharina, des Ers. Georg Hofmanns, Rothgießers und Verlegers Ehel. Tochter. Frühmeß", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 970 (Scan 599). Am 06.01.1727 wurde die Tochter Maria Magdalena geboren, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 108 (Scan 54).
    Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 185.
  10. Johann Friedrich Riederer (1678-1734) war Handelsmann und Dichter. Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1230-1231.
  11. Adolph Georg Haas wird 1732 im Verzeichnis der Beamten als Schreiber bei St. Elisabeth geführt. 1748 wurde er als Gerichtsschreiber bestattet: "Der Ehrnvest, Vorachtbar u: Rechtsgelehrte Adolph Georg Haas, E.H.E u: H. W. Raths am Ehrlöbl. Stadt- u: Ehe-Gericht wolverdienter Gericht-Schreiber, an der Fleischbrucken. ♂. d. 17. dit. [Dezember 1748], dreÿerl. St. Roch:", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 102 (Scan 106), Eintrag 107.

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