Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Löffelholz, Johann Carl (1673-1756)
Ort Nürnberg
Datum 2. Januar 1734
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 388-391
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohl Gebohrne, Gnädige Herren.

Zu dem bereits angetrettenen Neuen Jahr wünsche ich Euer Wohlgebohrn und Gnaden, Glück, Heil, und Seegen, die Weißheit und Gerechtigkeit Salomonis, damit Sie beÿ dero schweren und gewißenhafften Schöpfen=amt das wahre von dem unwahren, das helle von der Finsternus zu unterscheiden jederzeit diese theuere Gnaden habe, welche über allen Reichthum zu schätzen von Gott dem allmächtigen erhalten möchten, der laße Euer WohlGebohrn und Gnaden dieses, samt dero Hochadel. Familien nebst noch vielen folgenden Jahren, in beständiger Gesundheit und allem hohen Wohlergehen in Ruhe und Frieden erleben: Die Indianer pflegten ehedeßen nach anzeig der Historie den Unbekandten Gott zu opfern, ich muß beÿ diesem angehenden Jahr meinen mir unbekandten Richter auch ein Opfer bringen, und wünsche Ihme von dem uns Christen bekandten Gott ein glückseeliges, gesundes und höchst vergnügliches Jahr, Er laße Ihn noch lange Jahr in Ruhe und Frieden leben, Er schmücke Ihm mit dem Kleid der Gerechtigkeit, damit diese täglich wider aufgerichtet werden möge, und nicht dahin sieche, wie ein krancker schwacher Mensch, der von allen Kräfften kommen, und nicht mehr gehen kan, Er gebe Ihme ein mitleidiges Hertz gegen betrangte und Verfolgte, und nach diesem mühseeligen elenden Leben, endl; die Krone der Gerechtigkeit; die Naturkündiger schreiben, wie das Butirum antimonii[1] auch die härtesten Kieselsteine zerschmeltzend mache, ich wünsche daß das, so theuer vergoßene Blut unsers Heÿlandes Jesu Christi als der adrete butter das so gar harte herzt einmahl erweichen und erbittlich machen wolle, damit ich nach so vielen und langen harten Gefängnus anjezog in Freÿheit gesetzet werden möge:

Wohl Gebohrne Gnädige Herren, es sind nun bereits 31: Wochen verfloßen, daß ich in diesen unbeschreiblichen harten Gefängnus eingeschloßen gehalten werde, und versichere ich, daß es ehender einer formalen Drachenhöhle zu vergleichen, es melden zwar die alten Historis von der Graffschafft Zips, woselbsten ohngefehr 3. Meilen vom Carpatischen Gebürg eine notable Drachenhöhle seÿn solle, worinnen allerhand merckwürdigkeiten zu sehen, sie soll sehr hoch, und ungemein künstlich seÿn, so daß Sie der beste Künstler kaum netter hätte zurichten sollen, allein meine Höhle ist so beschaffen, daß ich auch das merckwürdigste, nemlich die Sonne, und den Himmel, nicht einmahl sehen kan, sie ist so hoch, daß ich mich allezeit bücken muß, wann ich recht aufgerichtet gehen solle, künstliches ist auch nichts darinnen zu sehen, als ein offen, welcher beständig rauchet wie der Berg Vesuvius; mithin gar leicht zu erachten, daß elender nicht seÿn kan: Ich habe vorige Wochen gebetten um einen Advocaten, welches

[Blatt 389]
ich hiermit nochmahlen in aller unterthänigkeit repetire, auf daß beÿ gegenwärtig ohne hin mißlichen Zeiten mein Weib und Kind nicht auch gar umb alles gebracht werden, damit ich heute mit Ihme reden könne und instruiren; Ich kan mich gar nicht begreiffen, daß in dieser meiner Inquisitionssache so gar langsam das Recht erhalten kan, und immer von einer wochen, ja von einem Tag zum andern vertröstet werde, bald höre ich, die bißherige Criminal Inquistionen hinderten, bald wären die Hhl: Consulenten kranck, welches ich aber doch daraus nicht ersehen kan, weilen der Hahn[2] auch bereits seine Freÿheit erlangt, der doch schon lange Zeit in Ehl: Raths brod gewesen, und etl: tausend bögen zu Schaden abgeschrieben, auch hin und wieder verkaufft, wie ich es Ihme in faciem beÿ der Confrontation gesagt, welches aber von mir nicht kan gesagt werden, vermuthl: haben eben die beeden Herren Consulenten Scheurl und Finckler deßen Sache gehabt wie das meinige, woraus dann abzunehmen, daß man mich allein plagen und martern will, indem ich schon 31: Wochen size; ich glaube aber, es ist Ursach daß dieser loß worden, weilen Er vielen Patriciis die Sachen verkauffte wie er mir es selbsten erzehlet, daß Er seinen Hl: Hauptmann jeder zeit die ersten Früchte bringe, und zwar nicht nur eimahl, sondern oft 3. biß 4. mahl, sind also auf solche art noch mehrer Commissionair, ich bins nicht allein; dann zu meinem Gebrauch begehre ich eine Sache nur einmahl, die übrigen werden allezeit mit Commission wider verkaufft, vermuthlich hats deß Hahns Hl: Hauptmann auch nicht alle vor sich behalten, etc. Die Truckersleuthe, welche die Ehrlichsten haben seÿn sollen, haben dem sichern vernehmen nach ihren Abschied auf den Absatz genommen, und sind fort. Wann man mir hätte sollen 3. Tag zu Beförderung dieser Inquisition die Freÿheit geben ein und anders von Schwabach herein zubringen, oder den rechten Thäter zu erfahren, es hätte denen rechten nach nicht seÿn können, wie ich es dann auch erfahren, als ich nur um 8: tag wegen einer Arbeit auf die Leipziger Neu Jahr Meße meiner Freÿheit gebetten, so mir ebenfals nicht vergönnet worden, da ich es doch nicht gemacht hätte wie die Truckersleuthe, dann wann ich hätte echappiehren wollen, ich habe es 5: biß 6: Wochen vorhero gewußt, daß der Glück[3] und Reuß[4] wegen meiner, gifftige Pienenstiche vorgehabt, bin auch genugsam von allen, ja so gar von Stecher und Truckersleuthen gewarnet worden, es war aber jederzeit meine Antwort, daß ich mich vor der Gerechtigkeit nicht förchte; Ich

[Blatt 390]
weiß nur gar zu wohl, Wohlgebohrne Gnädige Herren, daß diese gantze Inquisition nichts anders aufhält, als daß man meinet, durch die Länge der Zeit, würde ich noch mehrers entdecken können, welches man in Jure per Angustias extorquieren[5] heißt, und man keine andere mittel solches zu erfahren gebrauchen kan, allein wo will man von einer Trauben, welche vielmahl unter der Kelter gewesen, noch mehrern Safft bekommen, oder wo soll das Hertz, welchem das Blut gar zu häuffig entzogen und genommen worden, mehrers von sich geben, eben so ist es mit mir auch, meine Gewohnheit ist gar nicht etwas zu behalten, was schädl: wäre, oder wo etwas daran gelegen, ich habe so wahr als Gott noch lebet, alles, und mehr als ich nach denen Burgerpflichten schuldig wäre gesagt und entdecket, mit Bierbäncken Geschwätz mag ich nichts zu thun haben, mit Lügen auch nicht gegen denen Obern, dann eine lügen ist einer Scheeballen zu vergleichen, wie weiter man diesen in dem Schnee fortwältzet, wie größer Er wird, und kommt Er als dann in eine Wärme, so geschmiltzt Er doch, eben also ist es mit dem Bierbänklügen beschaffen, wann man solche recht nachsuchet, so ist es ein liederliches Geschwätzt mithin wird auch Euerm HochEdlen Rath nichts damit gedient seÿn, ich sage also nochmahlen vor Gott, daß man beÿ mir nichts mehr aus dem Herzen erpreßen kan, weilen es leer ist, hat auch keinen anstoß vor denen inwendigen Gespenstern, sondern es ist ohne forcht: daß ich die gröste und schwerste auch längste Straffe habe ist klar am Tage, der Trucker hat 5: wochen 4: Tage geseßen, jedoch eine Ansprach gehabt, der Hahn 10: Wochen hat auch eine Ansprache gehabt, der Stecher ist ebenfalls lange in Arrest hat aber tägl; Compagnie, keiner menschlichen Ansprache habe ich mich 31: Wochen zu getrösten gehabt, außer nächtlicher weile des Satans Phantaseÿen von denen außerlichen Gespenstern welches keines Beweißthums brauchet, sonden der Teuffel und seine Mutter alhier auf Erden genugsam bezeugen können. Ich habe aber die Courage nicht mehr umb einige Gnade zu bitten, weilen keine erhalten kan, sondern ersuche lediglich mir heute nachmittag einen Advocaten zu admittieren, damit das nöthige mit Ihme reden und Ihme informieren könne, für welche geringe Gnade ich aber jederzeit mit unterthänigstem Respect verbleiben werde

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

é Carcere den 2: Januarij:
1734.

Unterthänigster Diener
Johann Philipp Andreae
Mathematicus


Pro Memoria !

Als gestern abends mein Kind beÿ mir eine Arbeit abhohlete, so saget es mir, wie der trucker mit Weib und Kind in Schwabach beÿ dem infamen Glücken seÿe, und als einer von deßen Bürgen beÿ Ihme draußen gewesen, hätten Sie zur Antwort bekommen, wir Er in Nürnberg nichts zu thun hätte, würde auch sein Lebtag nicht mehr anhero kommen, Er wäre jezo unter einer andern Gewalt. Wann meine Brieffe, die ich geschrieben, durchgeleßen werden, so wird sichs nur gar zu deutlich zeigen, daß ich allezeit die Wahrheit geschrieben, nun wird sichs auch geben, was der Glück mit der hiesigen Rotte im Schild geführt, das war eben die Ursach, weilen ich nach seinem gout nicht habe leben wollen, vermuthlich werden die mir in dem Pro Memoria aufgebürdeten Carten fertig seÿn, samt dem schönen Titulblatt, welches ich nur von ferne gesehen, und davon schon mehrmahlen Nachricht gegeben, welches weit ärger als alle Pasquillen sind. Es wird sich auch noch fernerhin zeigen, daß ich unter allen noch der Ehrlichste bin gewesen: dieses nest aber zu zerstören ist gar keine Kunst, man erlaube mir nur etliche Tage, so soll ein HochEdler Rath sehen, was ich mit diesen Leuthen und mit dem biß dato noch verborgenen inventore der Medaillie praestieren kan, ich will einen einzigen Ehrlichen und verschwiegenen Mann zu mir nehmen, so versichere ich nochmahlen, so wahr als Gott lebt in etlichen Tagen zu zeigen, was ich mit List außzuforschen im stande bin; wo dann gewiß sich mehreres zeigen wird, es müste aber geschehen, daß kein Mensch von meiner Erledigung etwas in Erfahrung brächte, biß ein paar Tage vorbei, ich habe meine Meinung hierinnen melden wollen, wird Sie angewiesen wohl und gut, ist es aber nicht, so wird sichs auch zeigen, was ich gemeldet, daß der Glück denen Herren von Nürnberg seinem selbstsagen nach einen Gorr hinter der Hand machen wird, ich gebe es wohl zu überlegen, und versichere anbeÿ daß ich jederzeit beflißen seÿn werde das meinige wider von mir abzuleinen, was ich vorhero theils aus UberEilung gesündiget, im Ubrigen aber soll Ehl: Rath auch sehen daß ich stetigs seÿn und bleiben werde

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

Nberg, den 2: Janurij. 1734.

Treugehorsamster
Johann Philipp Andreae
Mathematicus.


Fußnoten

  1. Butyrum antimonii: Antimonchlorid, auch Spießglanzbutter oder Antimonbutter genannt.
  2. "Johann Hahn, Burger und Corporal unter der hiesigen alten Mannschafft, ein Weib und 5. Kinder habend, und 58. Jahr alt", Verhör vom 19.10.1733. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 232.
  3. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  4. Johann Georg Reuß war Schreiber in Schweinau und scheint enge Beziehungen zu Johann Paul Glück in Schwabach gehabt zu haben. Ein Brief von ihm liegt im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 95-97.
  5. per Angustias extorquieren: durch Not erzwingen.

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