Briefwechsel Johann Philipp Andreae
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Andreae, Johann Philipp (1699-1760) |
Empfänger | Löffelholz, Johann Carl (1673-1756) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 8. Februar 1734 |
Signatur | Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 443-446 |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
WohlGebohrner, Gnädiger Herr !
Es hat mir die Eisenmeisterin hinterbracht, daß ich mit solchen harten schreiben solle inne halten, welchem befehl ich auch gantz willig nachzukommen schuldig bin, wo mich und mein Weib und Kind nicht die äusserste Noth dazu brächte, und ich zum Vorauß sehete, daß noch beÿ längerer aufenthalt dieser Inquisition ein Seelen verderblicher Zustand darauß entstünde, wie es das leÿdige ansehen hat beÿ meinem hart betrangten Weib: Ich gebe Euer Gnaden zu erkennen, daß ein solcher Mensch, welcher fromm und Göttsförchtig viel eher in Verzweifflung fallen kan als ein boßhafter, besonders so es siehet, daß es gar zu hart verfolgt wird und Gott mit der hülffe in etwas verzeucht, ja wann es sehen muß, wie den bösen alles hingehet, und mehr glauben als einem Ehrlichen beÿgemessen wird, dann gewiß wo ein tugendhafftes Gemüth einmahl durch solche gedancken corrumpiert wird, und ein wenig beginnet zu wancken, so ist der Satan viel geschäftiger als beÿ andern, nur umb das gute dadurch zu verkehren, und andern frauen Gemüthern auch einen Strugel[?] einzuflössen. Ich sage nur nochmahlen, daß beÿ dermahligen Umständen die äusserste noth da, indeme meine frau gestern wider mit wunderbahren gedancken gekommen, welche mich noch mehrers erschreckt, wie es die Eisenmeistersleuthe selbsten besser sagen werden, und will ich, so eine gefahr darauß entstehet, keine verantwortung hievon haben, sondern denenjenigen zu verantworten überlassen, welche diese Inquisitionssache mit allem willen aufgeschoben und zuruckgehalten haben, Sie klagte überhaupts, daß Sie sich nicht mehr trösten könne, glaube auch nicht, daß Gott seÿe etc. etc. welches ich ein lebtag von Ihr nicht gehört, böße leuthe hätten mehr recht und Glauben als Ehrl: Gemüther, die bildleuthe kämen täglich wollen arbeit haben, sie können ja keine verfertigen, das baargeld müsse Sie sehen aus den händen gehen, zu leben hätte Sie nichts, hunger und kummer samt ihrem Kind müsse Sie leiden, Sie hätte nur zu thun, daß Sie solten schaffen vor die Kälte, und Kleid die blösse zu bedecken, andern leuthen zu Gnaden gehen oder vor deren thüren zu betteln, seÿe ihr als Einem Ehrl: frommen burgers kind viel verächtlicher als länger so zu leben, mithin sehe sie kein anders mittel als daß Gott die hertzen verhärte, und daß bösen eher geholffen werde als Ehrl: und frommen, Sie könne ihr nicht helffen, wann es jezo kein Ende nicht nehme, so werde man schon sehen, was geschehe, welches alles die Eisenmeistersleuthe angehört. Und seÿe ja Stadt und landkundig, ja die kleinsten Kinder auf der gassen wüsssten zur genüge, daß ihr mann der thäter nicht seÿe und seÿe schon ¾ Jahr, daß sie so elendigl: leben müsse, das Gruft zu flehen, und bitten um allen wuden Jesu willen helff ja nichts beÿ Einem HochEdlen Rath, Sie wisse und könne ihr nicht mehr helffen; dieses waren ihre worte welche gewiß von dem innersten deß hertzens gegangen.
[Blatt 444]
Dises habe zu melden nicht umhin können, zumahlen ich, wo einiges unglück geschihet
keine verantwortung dermahlens haben will. ¾ Jahre Gnädiger Herr ist
eine Straffe, und keine geringe, obgleich Euer Gnaden gesagt haben
meiner frau, ob ich dann meine, daß dieses eine straffe seÿe, keine
wohlthat ist es nicht zu nennen, indeme ich gekrancket genug bin worden; von
bösen infamen leuten zu zweÿen mahlen unschuldiger weise angeklagt,
ich hoffe und glaube daher, daß ich gestrafft seÿe, und unter Einer christlichen
obrigkeit stehe, welche nicht gar zu hart mit denen betrangten werden umbgehen:
Indeme Gott uns nicht über unser Vermögen versuchet, sondern machet
daß die Versuchung ein Ende gewinne, daß solche zu ertragen.
Ich komme also nochmahlen, da die 37: wochen anfängt, und bitte Euer Gnaden umb deß gekreuzigten Heÿlands Jesu Christi willen welchen ich zwar hier nur mir zu erinnern trost angehaffet, Sie helffen Recht und Gerechtigkeit befördern und handhaben, Sie helffen erretten Seelen, welche durch das blut unsers Erlösers Jesu Christi theuer erworben sind. Es ist so wahr Gott lebt kein schertz, sondern es gehet von grund deß hertzens, wollen aber Euer Gnaden auch diesesmahl diese letzte Vorstellung wie die vorhergehenden ansehen und unerhörter lassen, so ruffe ich diesen Erlöser Jesum Christum zum zeugen an, der diese leibes und selen noth einsihet, diesen nehme ich anjezo zu einem Advocaten an, der wird mein fürstrecker seÿen, und mich nicht[?] vor bösen und Gottlosen anklagen, dieser wird auch Richter seÿn zwischen mir und denenjenigen, welche mich mit ihren bösen stücken gesuchet in noch grösser Unglück zu bringen: deß Gerechent blut wird zu Gott schreÿen über diejenigen, die mich wider besser wissen und gewissen fälschlicher weise angeklagt haben, ich werde dermahlens diejenigen vor Gottes stuhl anklagen, die falsch zeugnus wider mich gegeben haben, das Wehe wird über dieJenigen gehen, die mich samt Weib und Kind in Unglück stürzen, daß seele und leib darunter noth leiden müssen ich seuffze, Herz Ewiger Gott, der du kennest alle Heimlichkeiten, und weissest alle dinge zuvor, ehe Sie geschehen, du weissest daß diese böse Rotte falsch zeugnis wider mich gegeben haben, und nun sihe, ich muß unschuldiger weise länger leiden, so ich es doch nicht schuldig bin, sondern haben bö&slig;lich über mich gelogen
[Blatt 445]
Meine Frau hat Euer Gnaden selbsten einen brieff gereichet worinnen wegen Würtemberg
gemeldet, ich habe noch biß dato keine antwort darauf erhalten, ob ich schreiben
kan, darff, soll, es ist ja himmelschreÿend, daß gar alles bitten und flehen
auch in billigen Sachen vergebens ist; Anbeÿ sende des brt: von augspurg
auch wider zurück, Euer Gnaden lel:[?] Hl: KirchenPflegers wohgeborn
und Gnaden einzuhändigen, und mir doch wissen lassen, ob schreiben
darff auf Würtemberg und an den Kürft. oder nicht, ob ich denn schon 5: wochen
übersandten brf: nach Augspurg zurückerhalte oder nicht, ich habe meines
theils keine unehre davon, ich suche nicht meine Ehre dadurch,
sondern Eines HochEdlen Raths Euer Gnaden überlegen sollten, was
solche leuthe gedencken, daß Ihnen keine nachricht gegeben wird von dem
gerechtsamen ihrer Sache, zweÿ brieff sind auch noch nicht zurückkommen
von Anspach, auf solche art ist ja ohnmögl: daß ich nicht tägl.
erinnerung muß thun lassen, und demüthigst bitten; Es wird dergleichen
langwühriger Process in einer solchen Sache nicht erhört worden seÿn, noch
weniger in Chronicis zu finden. Von einer woche zur andern, von Einem
tag zum andern hat man die nachricht, daß ein schluß erfolge,
ich bitte auch anjezo weiter umb nichts als umb einen schluß, daß
Weib und Kind, leib und Seel sich doch darnach zu richten hat
daß die truckerin die beweiße nicht anschaffen kan, glaube ich gar wohl,
es dochen[?] lügen waren, und Sie mir gesucht Einen HochEdlen Rath
blauen dunst vor die augen zu machen. Wäre es Persohnen von
geringen stand geschehen, diese leuthe hätten nicht so viele Gnade,
Ich bitte nichts mehrers als umb Einen schluß umb der Heÿl. dreÿfaltigkeit
willen. indessen aber verbl. mit allem hohen Respect
Euer Wohlgeborn und Gnaden
é Carcere duro den 8:
Februarij: 1734.
unterthänigst-Gehorsamster
Johann Philipp Adnreae
Mathematicus.