Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Andreae, Johann Philipp (1699-1760)
Empfänger Ebner, Hieronymus Wilhelm (1673-1752)
Ort Nürnberg
Datum 26. März 1734
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 68-69 (Original)
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Merkel Hs 2o 647, S. 166-171 (Kopie)
Transkription Hans Gaab, Fürth; teilweise bereits transkribiert von Hampe

[Copia
des von dem Andreae bei seiner Ent=
weichung in dem Eisenverhafft
hinterlaßenen Billets.]


Monsieur !

Daß die Freÿheit dem menschlichen Geschlecht angenehmer als die vergitterten Fenster und versperrten Thüren, solches wird keine Christgläubige Seele negiren können, auch kein unvernünftiges Thier mit seinem ihme von dem Schoepfer verliehenen sensu wird es laugnen, daß die Freÿheit das edelste, das man betrachte; nur ein Zeißlein oder eine Meise, ob es gleich ein kleines Vögelein, so wird es doch seinen Kopf durch die eiserne Drähte continuierlich picken, ob es Luft gewinnen möchte, davon zu fliegen, also daß es manchmalen den [Seite 167][1] Kopf ganz verwundet, und aestimiert die Speise nicht, so man Ihme vorsezte, sondern will lieber seinen Magen in Freÿheit laben und sein Gefräß suchen, noch viel weniger ist es einem vernünftigen Menschen zu verargen, wann er auch die äußersten Kräften mit Gottes Beÿstand daran streckt, sich zu salviern und in Freÿheit zu setzen. Daß ich aber meine retirade[2] gesucht mit Gott vorzunehmen, dieses habe nicht ich, sondern der Hl: der stark und mächtig ist, getan; diesem allein habe ichs zu dancken und keinem Menschen, besonders, da ich die Verfolgung meiner Feinde unschuldig gelitten; ich sage mit gutem Gewissen unschuldig, dahero auch Gott mich unschuldig gerettet, aus diesem Jammern, worein ich bin von bösen Leuten gesezet worden, welche mich unschuldiger weiße [Seite 168] angeklaget, das unter Handen gehabte Pasquill verdienet keine Strafe lebenslang, sondern, wann ich Leib und Leben verwürckt hätte, als dann wäre dieses nur Gnade, zu nennen, demjenigen der gerne in der Welt lebt, ich meines orts sage lieber todt, als lebens lang geplaget; und ist wie jenem Sperling der in einem Käfig eingespert worden, die besten Körner von Getreid vorgesezt würden, er sich doch mehr umb Freÿheit, als umb die Speise bekümmeret, uns dem Leniate[3] Speise hin, Speise her, wann ich nit die Freÿheit haben, womit ich das Herze labe etc:

Ich bin aber auch nicht weggegangen, daß ich nicht mehr nach Nürnberg kommen wollte, sonder dieses ist die einzige Ursache, daß ich dorthin will, daß ich ehrlich mit meinen Vorgesezten umgegangen, und [Seite 169] nicht, wie ich bin angeklagt worden, das einzige Pasquill ausgenommen, ich will dasjenige, wovon ich schon lange gesagt, und darnach geseufzet, von Schwabach herein zur Stelle schaffen und dieses in wenigen Tagen, damit die Herren Aeltern sehen, daß ich nicht derjenige bin, sondern daß meine gesammelten Schaden Sachen vielen Nuzen Ihnen und Ihren Nachkommen bringen werden, dahero mache der Hl: es nicht weitläuftig, biß er Befehl hat von Hl: Ebners[4] Gnaden, seÿe Er still darzu, es ist beßer, man erfähret es nicht, biß ich die Sachen hereingesandt, als das will ich in Schweinau so lange abwarten, biß von denen Herren Aeltern mir Sicherheit versprochen wird, da ich dann ohne einigen Anstand erscheinen und meine Treue biß an mein Ende zeigen werde. Sollte ich aber verfolget, und übles von mir rai- [Seite 170] sonniret werden, so wird nichts anderes damit ausgericht, als daß ich von allen guten Vorsaz abgehalten werde; dann ich werde mich in Zeit von einer Stunde in Schweinau entweder beÿ dem Büttnersgörgla oder dem Hirschenwirth befinden, daselbst mich abtrücknen; will der Herr oder sonsten jemand mit mir reden, so komme Er 1. Stunde nach Mitternacht oder morgen frühe, wie Er kan hinauß, so will ferner mit ihme reden.

Ob Er gleich Tür und Tor alles wohl verschlossen, so hat Gott doch einen Engel gesandt, und der mich wunderbar ausgeführet hat, und eine Ohnmöglichkeit vor menschlichen Augen gewesen ist durchzukommen.

Ja, es hat gar müssen das Was=[Seite 171] ser mich retten und sich separieren, wie beÿ den Kindern Israel.

Adio ! Adio !

Komme der Herr morgen, so will ich mit Ihme reden. Adio !


Fußnoten

  1. Angaben in eckigen Klammern beziehen sich auf die Kopie des Textes im Germanischen Nationalmuseum.
  2. Retirade: Rückzug.
  3. Leniate: Linderung
  4. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) diente seit 1700 dem Rat der Stadt Nürnberg.

 © 2004 - 2024  | Astronomische Gesellschaft in der Metropolregion Nürnberg e.V. (AGN)
Datenschutz         Impressum         Haftungsausschluss