Briefwechsel Johann Philipp Andreae
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Johann Philipp Andreae (1699-1760) |
Empfänger | Kaiser |
Ort | Schwabach |
Datum | 15. März 1756 |
Signatur | Österreichisches Staatsarchiv, Wien: AT-OeStA/HHStA RHR Judicialia Decisa 111-2-3 |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Pro Memoria !
In währenden Churbaÿrl. Kriegsläufften, war ich beÿ der Königl. Ungarl. Administration in München durch die 4. Rat=Ämter Taback=Lieferant und mußte monathl: 5000: fl: anticipando[1] auf ordre des Herrn Hoff=Cammer=Rath von Kempf[2] zur Kriegs=Cassa zahlen; Ich hatte einen Compagl: Nahmens Christian Friderich Theußner[3] von Nürnberg, der in dem Administrations Contract mit mir in Solidum[4] verschriben war. Da nun der Churbaÿrl: Kaÿser das land wider in Besitz genommen,[5] so wurden alle Taback=lager wieder alle Recht und Billigkeit von dem Kaÿserl: Churbaÿrl: Hoff=Kriegs=Rath zu einer bonne prise[6] gemacht, welches mir einen Schaden von fl 36000: verursachet, ohnerachtet man mir alle rechtl: Vorstellungen beÿ dem Churbaÿrl: Ministerio gemacht, so verbleibe es doch beÿ dem einmahl gefaßten Entschluß, daß die sämtl. Tobacklager eine bonne prise verbleiben solten, weil ich mit der Königin von Ungarn[7] als Einer Feindin contrahirt und gelieffert.
Mein Compagl: der bemelte Theußner fand Gelegenheit mich anzuschwärtzen, als wann ich mit denen Königl. Generales colludirt[8], und Ihnen verschiedenes dem Hauß Baÿern nachtheiliges entdecket, verklagte mich wegen seines in der erkanten bonne-prise stehenden Verlustes vor fl 3986: Er fand beÿ dem Churbaÿrl: Ministerio Gehör, und brachte zu wegen, daß man mich arretieren und alle meine Scripturen wegnehmen ließ, da man aber nichts gefunden, so wurde ich angehalten, Ihme die Schuld einzugestehen, welches ich auch gethan, aber häc conditione, daß wann die Churfürstl. Hoff=Cammer mich würde bezahlen, Er seinen theil a ratione portione jedes mahl bekommen solle, wie die beÿ dem act befindl: copia vidimata[9] solches verificiret, man regadirte aber von seiten Churbaÿern im geringsten nicht auf bemeldte Condition, sondern es wurde von einem tollsinnigen Referenten der hernachmahls im Herzog Spitahl daselbsten curiret worden, die Sache dahin getroffen, daß ich condemnirt[10] worden Ihn zu bezahlen, auf welch widerrechtl. Spruch ich die appellation[11] ergriffen, an statt aber daß solche angenommen worden, mit der excusation, das privilegium de non Appellando[12] gestatte diese nicht, worauf man abermahlen getrachtet mich zu arretiren, ich nahm aber ein Refugium nach Hauß; das Churbaÿrl. Hoffraths=Collegium aber gab dem Theußner als meinen würckl. Socio Intercessionalia[13] an die Regierung, worauf ich Executive angehalten worden dise unbillige ja allen Handelsrechten zu wider lauffende Praetension[14] zu bezahlen, nun machte ich vorstellungen über vorstellungen, ließ so gar ein Handelsparere[15] von dem Handels Platz in Nürnberg abfordern, welche mich davon absolvirt, und zudeme waren noch 10. Attestata beÿ Handen. ja sein würcklich unterschriebener Contract beÿ der Königl. Administration wurde mir in Anno 1751: von Hl: von Kempf aus Wien anhero gesandt sub Copia Vidimata, allein auch dieses halff nichts, sondern ich solte und müßte zahlen, auf diese Sentenz appelierte ich vor dem Anspachl: Justiz=Raths=Collegio an das Kaÿserl. Landgericht Burggraffthum Nürnberg. Dieses nahm zwar die Appellation an, forderte aber einen Bericht vorher von dem Justiz=Rath ab, worauf nun die Appellation von dem besagten Landgericht abgesprochen worden, blieb mir also nichts übrig, als das flebile Beneficium Appellationis[16] an das höchste Reichsgericht nach Wien übrig, weß
[Rückseite]
wegen ich auch vor Verlauff deß Decenni[17]
cum Notario et Testibus appellirte, und an das allerhöchste Reichsgericht
provocirte, diese Appellation wurde angenommen, wann ich würde
cautionem et Juramentum[18] leisten, solte ferner ergehen was
rechtens seÿe, welches ich auch gethan, auf dieses kam in Sentenz zum Vorschein, ich solte vorhero dociren, daß die
Summa 800. Goldgulden oder 2400 fl. sich erstrecke. So ich ebenfalls praeßiert, und bewisen, daß die Summa ohne
Interesse und Kosten 2556 fl. betragete, hierauf aber zu dato noch keine antwort erhalten, ohnerachtet fleißig sollicitirt
wird, weilen aber den 26. Martij der Termin von 4. Monath zu Ende laufft, und ich könte in Wien praejudicirt werden,
so ergeht meine unterthänigst Gehorsamste Bitte diesen Casum vor Verlauff des 26.ten Merzen anzuzeigen, und den Termin
zu prorogiren[19],
ich werde nechstens durch den Postwagen das Instrument nebst andern Requisitis einsenden, und den
fernern Verlauff berichten, nur bitte inständig diesen Causum in tempore zu berichten, damit nicht versaume,
Hl. Müller als Bringer dieses solle mir den werthesten Nahmen von demjenigen anzeigen, welcher es überrechnet,
da so dann auch noch eingelauffenen Bericht beÿ denen Actis die gewohnliche Actam[?] einsenden werde.
Dieser Process wird nach geschehener Einsicht viele licht geben, wie man mit der Justiz verfahret, und jetzo gar in fine delegirt wird.
Ich will mich also auf gerechte Assistenz verlaßen, und biß zu erhaltenden antwort verbleiben mit aller Submission
Hoch Ergebenster Diener
Schwabach beÿ Nürnberg den 15: Martij:
1756:
Johann Philipp Andreae.
Onolzbachl. Commercien Commissarius
Fußnoten
- ↑ anticipando: im Voraus.
- ↑ 1741 wurde Ignatz Kempf von Angret (1703(04-1767) in Wien Rat der Hofkammer. Im Juni 1742 wurde er Kameraldirektor für die Habsburger im besetzten Bayern. Im November 1744 zog er sich nach Linz zurück. Werner Kummer: Personalmanagement in einer neuen Provinz. Das österreichische Banat (1716-1753), Teil III, 05.10.2018 (Stand: Januar 2024)
- ↑ Über Theußner ist nur bekannt, dass er zwischen 1738 und 1745 in eine Wechselklagsache verstrickt war, Stadtarchiv Nürnberg: E 8 Nr. 3895.
- ↑ In solidum: gemeinschaftlich.
- ↑ Im Rahmen des Österreichischen Erbfolgekrieges war Bayern von 1742 bis 1744 von österreichischen Truppen besetzt. Erst Ende 1744 konnte der bayerischer Kurfürst Karl Albrecht (1697-1745) nach München zurückkehren.
- ↑ bonne prise: guter Fang.
- ↑ Maria Theresia (1717-1780) war seit 1740 Königin von Ungarn. 1745 wurde sie zur Kaiserin ernannt.
- ↑ colludiren: (betrügerisches) Einverständnis haben.
- ↑ Copia vidimata: beglaubigte Kopien.
- ↑ Condemnation: Verurteilung.
- ↑ Appellation: Berufung.
- ↑ Das Privilegium non appellando gestattete Teritorialherren ihren Untertanen zu verbieten, bei höheren Instanzen Berufung einzulegen.
- ↑ Intercessionalia: Einsprüche.
- ↑ Praetension: Forderung.
- ↑ Handelsparere: Ein kaufmännisches Gutachten, bei dem keine Namen genannt werden.
- ↑ flebile Beneficium Appellations: klägliches Recht auf Berufung.
- ↑ Decennium: Jahrzehnt.
- ↑ cautionem et Juramentum: Kaution und Eid.
- ↑ prorogiren: verschieben, vertagen.