Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Walch, Christian Wilhelm Franz (1726-1784)[1] |
Empfänger | Landesregierung in Hannover |
Ort | Göttingen |
Datum | 7. Mai 1763 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 10r-13r (Reinschrift) D-23-9-2, Scan 81-82 (Entwurf) |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Hoch- und Hochwohlgebohrne Königlich Großbritannische
zur Churfürstlich Braunschweig=Lüneburgischen Landes=Regierung
Hochverordnete Herren Geheime=Räthe,
Gnädige und Hochgebiethende Herren !
Euer Hoch= und Hochwohlgebohrnen Excellentzien sehen wir uns gemüßiget einen Vorfall in Unterthänigkeit vorzutragen, und Hochderoselben gnädige Entschließung uns darüber gehorsamst auszubitten
[Bl. 10v]
Es sind in der Stadt von 3. und 4. wie
auch vom 6. biß 7. April an. curr.[2] beÿm
Hof=Rath Aÿrer[3],
Stallmeister Aÿrer[4], Professore
Kulenkamp[5] und
Koehler[6], wie auch beÿm Hof=Rath
Michaelis[7]
Pasquills[8] von einerleÿ Haupt=Inhalt,
obgleich einige variantes lectiones in
solchen vorkommen an den Haus=Thüren angekleistert
gefunden worden: ingleichen
hat man eine solche in der Nacht vom 8.
biß 9. April beÿ Stallmeister Aÿrer und
an vier andern Hauß=Thüren angekleisterte
Scartque[9], des Morgens angetroffen:
In der Nacht vom 16. biß 17. April ist die
dritte Art dieses Pasquills in welchem man
das erstere nur vor eine Satÿre auszugeben
sich nicht entsehen[10], auf groß Pappier
mit griechischen Buchstaben geschrieben, in
der Reitbahne und in Dr. Falkenhagens[11] Hause,
früh morgens gefunden, und beÿ mir
dem Prorectore ist ein dergleichen Exemplar
durchs Fenster von der öffentlichen
[Bl. 11r]
Strasse, vermittelst zweÿer angemachten
Bleÿ=Kugeln, in die Bibliothec-Kammer geworfen
worden. Damit hat diese Beunruhigung
noch nicht cessiret[12], sondern in der
Nacht vom 4. biß 5. Maÿ ist ein dergleichen
Zettel, worinnen spöttischer Weise dem
Entdecker des Urhebers oder auch dem Schreiber
derselben, eine Premie von 5. Hartz=Gulden
versprochen wird, an vier HaußThüren
und an der einen Ecke des Rathhauses angekleistert
gefunden worden. Da nun beÿ
diesem böslichen, und zu wiederholten mahlen
geschehenen Unternehmungen, sich einige
starke indicia wider den Professorem Lowitz,
und einige etwas schwächere gegen den Professorem
juris von Selchow[13], (denn der Entwurff
des ersten und dritten Pasquills scheinet
aus der Feder eines Juristen geflossen
zu seÿn) beÿ summarischen Verhör[14] geäusert,
wir aber in dieser Pasquillen=Sache, weil
der Haupt=Beleidigte der Universitaets=Stall
[Bl. 11v]
meister und die vorjetzo vermuthlichen Beleidiger,
entweder die beÿden gemeldte Professores
selbst sind, oder sie doch, wer der Verfasser
und Copisten derselben ist, Wissenschaft
zu haben scheinen; so mögen wir
in dieser uns höchstmißfälligen fameusen
Sache, dieselben in ein ordentliches Verhör
zu ziehen und die geäuserten indicia zu ihrer
Verantwortung ihnen vorzuhalten, uns
nicht ermächtigen, sondern halten es vielmehr
unserer Schuldigkeit gemäßer zu
seÿn, die in dieser Sache abgehaltene summarischen
Verhöre, nebst ein Exemplar
von jeder Sorte der infamen Schrifften zu
übersenden, und dabeÿ: ob und wie in dieser
Sache weiter zu verfahren seÿ, uns
deshalben gnädigen Verhaltungs=Befehl
pflichtschuldigst auszubitten.
Wir würden die angeschlagenen und in die Häuser geworfene Pasquills nach Maaßgebung der Rechte, bereits durch
[Bl. 12r]
des Scharf=Richters Hand, auf öffentlichen
Mark zum Absehen und Beschimpfung der
Urheber und Schreiber haben verbrennen
lassen, wenn wir nicht zu besorgen, daß
wir beÿ der Untersuchung der Sache zur Überzeugung
solche nöthig haben möchten.
Dieses haben wir von diesen schändlichen
Vorfall pflichtmäßig zu berichten, und ehe
wir weiter in der Sache verfahren, Ew.
Hoch- und Hochwohlgeb. Excellentzien hohen
Verhaltungs=Befehl, nebst Remittirung
der Original=Protocolle und Beÿlagen deshalben
ehrfurchtigst erwarten sollen,
die wir mit tiefster Verehrung jederzeit
verharren.
Eurer Hoch= und Hochwohlgebohrnen Excellentzien
Unseren gnädigen und hochgebiethenden Herren
Göttingen den 7. Maÿ
1763.
unterthänigst gehorsamster
Prorector und zur Universi-
taets=Deputation verordneter
Professores.
Chr. Wilh. Franz Walch.
zeitiger Prorector
[Bl. 12v]
Postscriptum
Auch
Gnädige und Hochgebiethende Herren
Da in dieser Pasquillen=Sache die mißfälligen Anschläge zur Kränkung der beleidigten Personen fortdauern, und doch in der Sache es sehr bedenklich scheinen möchte, wenn wir dabeÿ biß zu Endigung der Untersuchung unseren darüber geschöpfften Unwillen nicht zu erkennen gäben; so haben wir den Entschluß gefasset, wenn es mit Ew. Hoch= und Hochgwohlgeb. Excellentzien hohen Genehmhaltung geschehen könne, durch einen öffentlichen Anschlag am schwarzen Brete, solchen ernstlich zu äusern, und der Pasquillanten Unfug beÿ Strafe der Relegation cum infamia[15] zu untersagen, auch dabeÿ zu drohen, die Pasquille durch des Henkers Hand auf öffentlichen Markte verbrennen zu lassen.
[Bl. 13r]
Dieses haben wir unsern unterthänigen
Bericht annoch beÿzufügen nicht ermangeln
sollen, die wir ut in litteris[16] pp.
Fußnoten
- ↑ Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Juli 1762 bis zum 4. Juli 1763 war er Prorektor der Universität.
- ↑ an.[no] curr.[ent]. im fortlaufenden Jahr.
- ↑ Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
- ↑ Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760
Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075. Er war der Neffe (= Vetter) von Georg Heinrich Ayrer (1702-1774). - ↑ Lüder Kulenkamp (1724-1794) war Professor für Philosophie in Göttingen.
- ↑ Johann Tobias Köhler (1720-1768) war ebenfalls Professor für Philosophie in Göttingen.
- ↑ Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
- ↑ Pasquille: Schmähschrift.
- ↑ Scarteke: ein unwürdiges Stück Papier. Vgl. Zedlers Universallexikon.
- ↑ sich nicht entsehen: sich nicht entblödet.
- ↑ Johann Heinrich Falkenhagen (1720-1784) war Privatdozent der Rechtswissenschaften in Göttingen.
- ↑ cessiren: aufhören, wegfallen.
- ↑ Der Jurist Johann Heinrich Christian von Selchow (1732-1795) war seit 1757 außerordentlicher Professor der Rechte, 1762 dann ordentlicher Professor in Göttingen.
- ↑ Ein summarisches Verhör ist ein formlos abgehaltenes Verhör, das in der Regel am Anfang einer Untersuchung stattfindet.
- ↑ Relegation cum infamia: Verbannung aus Ehrlosigkeit.
- ↑ ut in litteris: wie geschrieben steht.