Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Göttingen
Datum 23. Juni 1766
Signatur Niedersächsisches Landesarchiv Hannover: Hann. 94, Nr. 745, Scan 32-37
Transkription Hans Gaab, Fürth


Praes. d. 25.ten Juni 1766,
Morgens um 9½ Uhr[1]

P. M.[2]


Ew. Hochedelgebohren haben am 18.ten Junius beÿ Publication der gnädigsten Besinnungen einer Hohen Königlichen und Churfürstlichen Landes-Regierung auf meine zwo unterthänigste Vorstellungen vom 1.ten Maÿ, und 2.ten Junius[3] mir aufgetragen, meine Erklärung darüber schriftlich abzufaßen, und solche Ihnen zur Einsendung mitzutheilen.

Ob ich schon nicht begreifen kann, warum Ew. Hochedelgebohren mir die Abschrift des publicirten gnädigsten Rescriptes versagen, und dem ungeachtet eine schriftliche Erklärung von mir darüber fordern: Da bekannt ist, daß es schwer fället, aus einer einfachen Vorlesung eines Rescriptes und Postscriptes, worinnen die Rechte eines dritten ver-

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wickelt sind, alles in denen Gedanken zu behalten, noch viel weniger die Verbindungen der Gesinnungen sich auf einmahl so einzuprägen, wie es eine darüber verlangte schriftliche Erklärung erfordert; so will ich dem ungeachtet Ihrem Begehren hiemit willfahren. Ich bin aber dabeÿ überzeuget, daß die Versagung einer Abschrift um die Gebühr nicht allein wider die Absichten der Hohen Königlichen Ministerii streitet, sondern auch selbst dem Wesentlichen einer Commißion von dieser Art, ofenbahr entgegen ist.

Der Hauptinhalt des Höchst zu verehrenden Rescriptes, das als eine Resolution auf meine beÿden Vorstellungen anzusehen ist, scheinet, so viel als ich gehört zu haben mich erinnern kann, dahin zu lauten:

  1.) daß die Hohe Königl. Landes Regierung sich nicht schuldig erachtet, die Kriegsschäden zu ersetzen, sondern es müßte ein jeder
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    das Schicksal des Krieges selbst ertragen;
  2.) dem ungeachtet aber sollte mir von deren sämtlichen, ehedem mir, und dem verstorbenen Rath Franz zum Behuf unseres Weltkugel-Laboratorii vorgeschoßenen Geldern die Hälfte der Summe nachgelaßen werden, wenn ich für die andere Hälfte also bald zur Bezahlung Sicherheit verschaffen könnte.

Was den 1.ten Punkt anbetrifft, so ist mir der Grund dieses Principii nicht bekannt, in wieferne die Obern ihren Unterthanen die Besetzung der ohne Verschulden erlittenen Kriegschäden abschlagen können. Dieses aber weiß ich, daß man beÿ Erörterung dieser Sache nothwendig auf die Personen, und ins Besondere auf die Umstände ihres Etablissements zu sehen habe. Entweder ist

  a.) die Person ein Bürger des Ortes, welcher daselbst sich zu Treibung seines Gewerbes aus freÿen Willen niedergelaßen hat: oder sie ist
  b.) auf ihr Bitten, und aus Gnaden angenommen,
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    und an diese Orte versetzet worden; oder aber es haben
  c.) die Obern zu Erreichung vorgesetzter Absichten eine solche Person, die vorher keine Lust bezeiget, sich in diesem Lande zu etabliren, durch allerleÿ Versprechungen aus einem andern Lande hieher zu ziehen überreden laßen.

Dem Hohen Königl. Ministerio ist es bekannt, in welcher Klaße von diesen Personen ich mich befinde, und was mir für Rechte zustatten kommen, wenn meine Umstände untersuchet werden sollten.

Da es scheinet, als wenn dieses allgemeine Principium, ohne auf die Art meiner Hieherberufung zu sehen, auch auf mich ausgedehnet werden wolle, so muß ich darauf dringen, daß alle hierzu gehörige Umstände entweder durch eine Commißion, oder aber gerichtlich untersuchet werden. Denn da ich nunmehro seit meiner letzten Vorstellung an des Herrn Premier-Ministers Excellence durch einen

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auserordentlich glücklichen Zufall, auser andern Schriften, die zu dieser Sache gehören, auch noch die eigenhändigen Schreiben des verstorbenen Rath Franzens an den seel. Herrn Hofr. Scheid[4], wie auch die eigene Hand dieses letztern an jenen, und überhaupt dadurch die ganze Entwicklung der unerlaubten, ja ich darf sagen, betrügerischen Art dieser beÿden Männer, mich sicher nach Göttingen zu bringen, in die Hände bekommen habe; so bin ich überzeuget, daß mich die Rechte nicht allein von allen Forderungen des Hohen Königlichen Ministerii lossprechen, sondern auch noch über diese zur gänzlichen Schadloshaltung nicht alleine des durch den Krieg erlittenen Verlustes und Schadens den Weg bahnen, wie auch wegen der Hieherziehung meines Weltkugel-Laboratorii, welches nach erfolgter Ermangelung der versprochenen Unterstützung, nebst aller meiner Mühe und Arbeit, und eigener darauf gewandeten großen Kosten unnütze geworden ist, die gebührende Genugthuung verschaffen werden.

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Und ob ich schon am Schluße meiner abgegebenen Erklärung vom 1.ten Maÿ des Herrn Premier-Ministers Excellence vorgeschlagen habe: daß wenn die erbetene Untersuchung durch eine auf meine Kosten niederzusetzende Commißion allzu weitläuftig sollte geachtet, und verworfen werden, demohngeachtet aber die Forderung an mir zu Recht bestehen sollte, ich als denn mein Vermögen so viel zur Bezahlung nöthig ist, angebotten habe, um der Sache mit einem mahle ein Ende zu verschaffen; so hat dieses doch keine andere Meÿnung damit gehabt, als daß ich wegen damahls mir noch mangelnden vollständigen Beweises der Betrügereÿen des Rath Franzens, die der seel. Herr Hofrath Scheid dabeÿ wissentlich und bedächtlich unterstützet hat, die Sache abkürzen, und mich dafür lieber unmittelbahr nach Londen wenden wollte, um durch gute Canäle alle meine fatalen Umstände, und hier in Göttingen erlittene Drangsale, davon man einige

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so gar unter dem Schein des Rechtes wider mich verhänget hat, zur Wißenschaft Ihro Majestät unsers Allergnädigsten Königs und Herrn zu bringen, und mich derer allerhöchsten Gnade und Schutzes allerunterthänigst zu unterwerfen.

Was nunmehr den 2.ten Punkt anbetrifft, so muß ich es gestehen, daß ein jeder mit mir in allen andern Umständen die Erlaßung der Hälfte einer Schuld für eine auserordentliche Gnade und Huld würde erkennen müßen. Allein, da ich nicht nur diese uns vorgestreckte Capitalien, sondern noch mehr andere, und viel größere, nebst vieler angewandten Mühe, Arbeit und Hoffnung verloren habe, und über dieses in dem Kriege mit allen Contributionen, und ganz auserordentlichen Einquartierungen beleget worden bin, deren Bestreitung mir eine große Schuldsumme gekostet hat, auch dadurch denen Gebäuden meines Wohnhauses, auch meines in der Karspühle ge-

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legenen Gartens,[5] und übrigen Ländereÿen ein starker Ruin zugezogen worden ist, welches alles sich beÿ einer künftigen Untersuchung ofenbahren muß so hoffe ich, ein hohes Königliches Ministerium werde von selbst, nach Erkundigung alles deßen,was ich durch den Krieg und anderes erlitten habe, von einer Forderung abstehen, um derer wegen ich, weil die Feinde dafür hielten, meine Sachen wären Königliche Sachen, und dürften daher nicht geschonet werden, allen Ruin und Verdruß ausgesetzt gewesen bin.

Ja, wenn wider Verhoffen es der Hohen Königlichen Landes Regierung ganz und gar nicht belieben sollte, mir eine ordentliche Untersuchung und Entwicklung aller meiner Umstände gnädigst zu gestatten; so nehme ich mir die Freÿheit verläuftig hier mich zu

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erklären, daß, wenn,

  ein Hohes Königliches Ministerium mir die höchste Gnade wollte angedeÿen laßen, nebst der gnädigen Entbindung von den besagten Ansprüchen auf beÿde Capitale, mir eine neue und ordentliche Königliche Dimißion sine clausula,[6] nebst einem darinnen angebrachten Testimonio meines hiesigen Verhaltens, und daß ich durch den Krieg und andere Zufälle an der Erfüllung meiner Verbindlichkeit gegen das Höchste und Hohe Publicum, wegen meines Weltkugelwerkes, bisher verhindert worden bin, damit ich eine solche Allergnädigste Dimission zur Erreichung, und zur Befestigung meiner zukünftigen Absichten die höchsten Orten vorzeigen könne, mir auszufertigen, und mitzutheilen;
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  so wollte ich alles übrige dem Himmel empfehlen, und meinen erlittenen Schaden und Verlust mit Gedult ertragen, auch ohne Murren, so bald ich nur könnte, öfentlich von hier abziehen.

Dieses ist kürzlich meine Erklärung, welche ich auf Ew. Hochedelgebohrnen Antrag von mir stellen sollte: dabeÿ aber reserviere ich mir dem ungeachtet alle beneficia juris, indem ich selbst kein Jurist bin, und mir dadurch überall nichts schaden will. Wobeÿ ich die Ehre habe, zu seÿn


Ew. Hochedelgebohrner



Göttingen d. 23. Juni
        1766.

gehorsamer Diener
Georg Moritz Lowitz.



Fußnoten

  1. Einfügung von anderer Hand. Als Datum steht hier der 23. Juni, was aber nicht stimmen kann, da der Brief erst an diesem Tag verfasst wurde. Zudem lag der vorliegende Brief dem Schreiben gleichen Datums von Erythropel bei, das am 25. Juni präsentiert wurde. Deshalb wurde obenstehendes Datum mit dem 25. Juni ausgebessert.
  2. P. M. steht hier für "pro memoria", zur Erinnerung.
  3. Diese beiden Schreiben sind nicht überliefert.
  4. Christian Ludwig Scheidt (1709-1761) war seit 1748 Hofrat und Bibliothekar in Hannover. Zu ihm siehe: Büsching, Anton Friedrich: Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, insonderheit gelehrter Männer, Band 3. Halle: Curt 1785, S. 263-316.
  5. Im Brief vom 24.01.1757 sprach Lowitz von "einem großen Garten der in der Stadt nächst der neuen reformirten Kirche lieget". Die Grundsteinlegung zum Bau dieser Kirche erfolgte am 10. Mai 1752, die heutige Adresse ist Untere Karspüle 11. Der in der Nähe liegende Garten von Lowitz war allerdings bereits am 18. Januar 1765 an den Wirt Johann Carl Engelhard für 400 Reichsthaler verkauft worden. Vgl. Stadtarchiv Göttingen: Exp. IV, Bd. 27, S. 86-89.
  6. Dimission sine clausula: Entlassung, bei der die Erfüllung von Verbindlichkeiten erlassen wird.