Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Lowitz, Georg Moritz (1722-1774) |
Empfänger | Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[1] |
Ort | Hannover |
Datum | 18. April 1767 |
Signatur | Niedersächsisches Landesarchiv Hannover: Hann. 94, Nr. 745, Scan 69-71, 68 |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Hochgebohrner Reichs-Freyherr
Hochgebietender Herr Premier-Minister
Gnädigster Herr !
Ewro Hochgebohrne Excellenz geruhen gnädigst, durch gegenwärtiges unterthänigstes Memorial meine Noth und meine demütigste Bitten schriftlich sich vortragen zu lassen, da es die Umstände nicht gestatten es in submissester Unterthänigkeit mündlich zu thun! Ich habe um des Inhaltes Willen einzig und allein meine Hieherreise unternommen: und ich bitte unterthänigst, daß Ew. Hochgebohrne Excellenz demselben einige Aufmerksamkeit schencken, und mein flehendes Bitten gnädigst erhören und gewähren wollen!
Vor allen Dingen nehme ich mir die Freÿheit, wegen allen meinen Handlungen, die beÿ Ew. Hochgebohrnen Excellenz einiges Mißfallen erreget, und mir dero schwehre Ungnade zugezogen haben, noch einmahl fußfällig nicht allein um gnädige Verzeyhung,[2] sondern auch zugleich darum zu bitten, daß Hochdieselben geruhen mögen, mir Dero vorige Gnade wiederum zu schencken, und mein beklemmtes Herz mit deren Versicherung auf zurichten und zu erfreuen! Es ist das, was ich bisher gethan habe, aus keinem bösen Herzen geschehen, sondern meine verwirrten Umstände zusammen genommen: da ich 1) mit meinem verunglückten Weltkugeln Wercke, worein ich mein ganzes Vermögen, nebst allen meinem Fleiß und Sorgen verwendet, alle meine Hoffnungen des Glücks vernichtet worden: da ich 2) in Göttingen durch Veranlassung meiner Feinde, die bekanten unerträglichen Verfolgungen u. Beschimpfungen erdulten muste: und 3) da meine vor zweÿ Jahren verstorbene Frau, mehr als ich, mißvergnügt in Göttingen lebte, und sich, nach einem andern Ort zu ziehen sehnete:
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diese, und noch mehrere Umstände zusammen genommen sage ich,
haben mich verleitet meine Dimission zu fordern, um, nach
meiner Meynung allen meinen Trübseligkeiten eine Ende zu
machen. Allein ich bin deswegen bis hieher, theils
durch den Verlust meiner Besoldung: theils durch ungeheuere
Hauscreutze und Unglücksfälle: theils aber, und
fürnehmlich durch den erlittenen strengsten Mangel an dem
Nothwendigsten des menschlichen Lebens, mehr gestraffet worden,
als je das gröste Civil-Verbrechen bestraffet werden kan.
Zu Betrachtung dieser Umstände hoffe und wünsche ich:
Ew Hoch Gebohrne Excellenz werden nach Bereuung meiner Übereilungen nicht länger anstehen mich wiederum in Dero Gnade an und auf zu nehmen, und mir Dero Schutz und Hülffe zu meiner Errettung gnädigst angedeyhen lassen! |
Da nicht zu zweifeln ist Ew Hochgebohrne Excellenz werden überzeuget seÿn, daß ich mit meinen Einsichten in die mathematischen Wissenschaften überhaupts, insbesondere aber in die Experimental-Physik, in die Astronomie und Geographie, der Georg Augustus Universität nüzlich seÿ kan,[3] in dem ich nun mehr die weitläuftigern beschwerlichen Arbeiten an denen Weltkugeln habe einstellen müssen, und folglich keine Zeit mehr darauf verwenden darf: so nehme ich mir die große Freÿheit
Ew Hochgebohrne Excellenz unterthänigst zu bitten wenn es möglich ist, mich dort wiederum auf irgend eine Art, zum Nutzen der Universität, zu placiren! |
Da ich fürnehmlich meine Haupt Bemühung auf die Experimental Physick, die gegenwärtig in Gottingen nur auf den alten berühmten Professor Hollmann[4] beruhet, wenden wollte, in dem ich schon mit meinem ansehnlichen Vorrath von Instrumenten und Maschinen versehen bin, welchen ich beÿ einer hinreichenden Besoldung zur Ehre der Universität stets verschönern und vermehren würde:
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und da ich auch zugleich die Astronomie dabeÿ treiben und
lehren mögte; so könten Ew Hochgebohrne Excellenz leicht
ein diensames Mittel finden mich nuzbar zu machen.
Damit auch Ew. Hochgebohrne Excellenz erfahren, auf was
für eine Art ich meine Zeit, während meiner unglücklichen
Entziehung von der Universität, zwischen meinen schwehren
und ein paar mahle tödlichen Kranckheiten zu gebracht habe,
so will ich den Augenblick, als meine Sachen wiederum
entsiegelt und mir freÿ gegeben werden (denn alle meine
Papiere u. Arbeiten sind damit versiegelt worden)[5] anfangen
ein paar mathematische Abhandlung[en] in Ordnung und
ins Reine zu bringen, wozu die Materialien schon ausgearbeitet
sind, und solche Ew. Hochgebohrne Excellenz
unterthänigst zu der Absicht überreichen: damit Hochdieselben
solche an die Königliche Societät der Wissenschafften
in London, und an die Königliche Academie der Wissenschaften
in Paris senden, und deren Urtheile darüber einfordern
können! Sie enthalten eine schwehre Materie, die noch
nicht bearbeitet ist: und ich schmeichle mir, daß Ew.
Hochgebohrne Excellenz mit ihrem Beÿfalle vollkommen
zufrieden seÿn werden. Auch hatte ich in dieser
nemlichen Zeit eine neue Karte von dem Fürstenthum
Göttingen unter denen Händen, die ich selbst mit grosser
Mühe zusammen gebracht: und wenn sie vollends fertig
ist Ew Hochgebohrnen Excellenz unterthänigst überreicht
werden soll. Dem Professor Hamberger[6]
in Göttingen sind alle meine Arbeiten u. Bemühungen bekant:
und wenn dieser rechtschaffene Mann um die Warheit
dieses meines gegenwärtigen Vorgebens befraget wird,
so solte er es gewiß nicht wagen Ew Hochgebohrne
Excellenz das geringste zu berichten, was nicht eine
vollkommene Richtigkeit hätte.
Endlich habe ich noch eine der dringensten Bitten an Euere
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Hochgebohrne Excellenz zu bringen, die für mich die
betrübteste ist, so ich je in meinem ganzen Leben gethan
habe.[7]
Ich lebe mit denen Meinigen seit ein
paar Jahren in dem traurigsten Mangel. Meine
beständigen und in Göttingen bekannte Kranckheiten
haben mich, ausser denen ohnehin damit verknüpften
grossen Kosten verhindert, mittelst einigen Arbeiten
mir das nöthige Brod zu erwerben. Und da ich
doch dabeÿ nichts von meinen Meublen noch viel
weniger von meinen Büchern und Instrumenten, wie auch
andern Seltenheiten veräussern wollte: so ist leicht
ein zu sehen, weil ich über dieses auch weder Besoldung noch
eine ander Einnahme hatte, daß ich in denen erbärmlichen
Umständen darben muste! Ferner, da
ich gegenwärtig mein Schuldenwesen in eine Ordnung
bringen, und tilgen will: so sehe ich wenigstens
auf einige Zeit, das bitterste Elend, welches zur Verzweifflung
leiten könte, vor meinen Augen. Diese wahren
Umstände nöthigen mich, wieder meine Neigung
Ewere Hochgebohrne Excellenz wehemütigst anzuflehen, mir und den Meinigen eine BeÿHülffe aus der Königl. u. Churfürstlichen Kloster Cassa zu zu wenden, damit wir, bis dahin, bis ich alles wiederum nach dem Plane des beÿliegenden zweÿten Memorials in Ordnung gebracht haben werde: oder bis es Ew Hochgebohrne Excellenz gnädigst gefallen mögte andere Verfügungen mit mir zu treffen, ohne Hunger leben können ! |
Es kan eine solche Christliche BeÿHülffe, deren Größe Ew Hochgebohren Excellenz eigenen hohen Gnaden überlassen wird, der Königl. Kloster Casse des-
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wegen nicht beschwerlich fallen: weil sie seit der Zeit
meiner unglücklicher Weise genommenen Demission dadurch
ein Capital wenigstens von 1500 Rthl. ersparet
hat. Durch diese BeÿHülffe so wohl, als durch die
Erhörung alles meines Flehens, erretten Ew Hochgebohrne
Excellenz einen Mann aus dem Verderben,
der sich in seinem Gewissen nichts weiter
vor zu werffen hat, als daß er sich aus Einfalt und
Irthum von einem seiner nächsten Anverwandten in die
schwehresten Verwirrungen, und dadurch in das gröste
Unglücke ziehen lassen.
Unter Hoffnungsvoller Erwartung einer gnädigen und zu meiner Errettung erwünschten Resolution erstirbet in tiefster Submission
Hochgebohrner Reichs Freyherr
Hochgebietender Herr Premier-Minister
Gnädigster Herr.
Ewerer Hochgebohrnen Excellenz
Hannover am 18.ten April
1767.
unterthänigster Knecht
Georg Moritz Lowitz.
Lowitzens Antrag, ihn wieder in die Universität aufzunehmen, wurde mit Datum vom 30. April 1767 abgelehnt:
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Dem Profeßor Lowitz zu Göttingen wird, auf sein eingereichtes Memorial,
darinnen er aldorten wieder placiert zu werden und inzwischen um eine Beihülfe
nachsuchet, zur Resolution ohnverhalten,[7]
was massen die hiesigen Caßen Umstände sothane Bewilligung nicht gestatten,
und man mit einem mehrern, als was in dem Erlaße an dem ihm vorgeschoßenen
Capitale zugestanden, demselben nicht beitreten könne.
Hannover, den 30. April 1767.
Fußnoten
- ↑ Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
- ↑ Randnotiz von anderer Hand: "I. Lowitz aus Göttingen bittet fußfallig um die gnädige Verzeÿhung seiner übereilten Handlungen."
- ↑ Randnotiz von anderer Hand: "II. Er wünschet in Göttingen placirt zu seÿn."
- ↑ Samuel Christian Hollmann (1696-1787) war ordentlicher Professor für Philosophie in Göttingen. Von 1753-1761 war er hier alternierender Direktor der Gesellschaft der Wissenschaften.
- ↑ Lowitz hat sich Anfang Mai 1767 für zahlungsunfähig erklärt, weswegen seine Sachen am 6. Mai versiegelt wurden.
- ↑ Georg Christoph Hamberger (1726-1773) war seit 1755 außerordentlicher Professor der Philosophie, ab 1663 ordentlicher Professor in Göttingen.
- ↑ Randnotiz von anderer Hand: "III. Er flehet um eine nothdürftige BeÿHülffe aus der Königl. Kloster Cassa zu seinem und der Seinigen gegenwärtigen Unterhalt."
- ↑ ohnverhalten: nicht verschwiegen.