Briefwechsel Tobias Mayer
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Mayer, Tobias (1723-1762) |
Empfänger | Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770) |
Ort | Göttingen |
Datum | 02. September 1754 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5747, Bl. 23r-26v |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Hochgeborner Freyherr,
Gnädigster Herr Cammer-Praesident,
Ew. Hochgeborn. Excellenz werden in Gnaden sich zu erinnern geruhen, daß schon vor einiger Zeit von der königl. Academie zu Berlin mir die Stelle eines anwesenden Mitgleides derselben unter einer Pension von 550 Rthlr. angetragen worden, welche ich aber damals ausgeschlagen habe. Nachem aber nicht nur dieser Antrag unter weit vortheilhaftern Bedingungen an mich aufs neue geschehen, sondern auch fast zu gleicher Zeit von dem Hl. Hetmann Grafen v. Rasumowsky[1] mir die Stelle eines Mitgliedes
[Bl. 23v]
und Directoris über das geographische Department
bey der kayserl. Academie zu Petersburg mit einem
ansehnlichen Gehalt angeboten worden: So finde ich, in
Betracht der Pflichten, die ein Mensch sich selbst schuldig ist,
und da sonderlich die mir angetragenen Bedingungen
mein hiesiges Gehalt so viel übersteigen, daß ich mir
Unmöglichkeit zu finden, vermeÿne, daß meine hiesigen
Umstände jenen könnten gleich gemacht werden,
mich fast gleichsam gezwungen, eine dieser Stellen,
und zwar die erstere anzunehmen. Ew. Excellenz
uneingeschränkte Gnade, welche durch die Beförderung
nach hiesiger Universität zu meinem Glücke den
ersten Grund geleget, und mich dadurch in unendliche
Verpflichtung gesetzt, läßt mich hoffen, daß Hochdieselben,
diesen Entschluß welchen ich nicht ohne
einiges Widerstreben ergreife, nur im Besten vermerken
[Bl. 24r]
und meine demüthigste Bitte um Ertheilung einer
gnädigen Dimission, in Gnaden werden stattfinden
lassen. Bey erfolgter Veränderung würde
ich nicht unterlasssen, im fall Ew. Excellenz
für gut befinden, daß ich bey hiesiger königl.
Societaet der Wissenschaften, als auswärtiges
Mitglied bliebe, mit größten Vergnügen
ohnentgeltlich meine Beyträge ferner
zu liefern, bis die mathematischen
Stellen wieder besetzt würden. Und überhaupt
werde ich allezeit, so viel an meiner Wenigkeit
liegen kann, das Ansehen hiesiger
Universitaet, die so viele Vorzüge hat, und
bey welcher eine Stelle bekleidet zu haben
mir allezeit zur Ehre gereichen wird,
[Bl. 24v]
zu erhalten und zu befördern trachten. Das
Andenken der ungemeinen Gnade und des hohen
Schutzes Ew. Excellenz, unter welchen ich meinen
hiesigen Aufenthalt in Ruhe und Vergnügen
zugebracht, wird diese Begierde niemals erlöschen
lassen, und ich werde niemals aufhören mich
bey aller Veränderung glückseelig zu achten,
wenn ich mit tieffster Devotion mich nennen darf
Hochgebohrner Freyherr,
Gnädigster Herr Cammer-Praesident
Ew. Hochgebohrnen Excellenz
Göttingen den 2. Sept.
1754.
unterthänigster
Tob. Mayer.
[Bl. 25r]
[Stellungnahme zum Brief von Mayer von unbekannter Hand, undatiert]
P. M.
Die Vorschläge, so Herrn Mayer geschehen sind, bestehen darin: er soll Mitglied der Academie zu Berlin werden, freye Wohnung, 700 rthl. Salarium, und jährlich über 200 rthl. vor den Calender bekommen.
Ich sehe, daß er diesen Vorschlag sehr hoch schätzt. Er hat einen andern nach Petersburg mit 2000 rthl. ausgeschlagen. Doch das ist nicht zu verwundern: dort sind die übrigen Umstände so schlecht, daß kein in Deutschland halb[?] placirter Gelehrte dahin verlanget. Es scheint ihn zu Berlin das am meisten zu gefallen, daß er Collegia lesen kann, und doch nicht schuldig ist so zu lesen, sondern seiner Hauptarbeit nach ein Academicien ist, ferner, daß er über das dortige Observatorium völlig zu disponieren hat. Er meint auch, die Mathesis sey dort besonders hoch geachtet.
Was Euer Excellenz etwan sonst zu seiner Verbesserung folgich thun können, weiß ich nicht: allein folgende Neben-Vorschläge könnten vielleicht etwas fruchten.
1) Vielleicht nimt er mit einer kleinen Verbeßrung vor lieb, wenn ihn auf eine andere mathematische Besoldung, eine Anwartschaft gegeben würde. Ich weiß nicht, ob Eur. Excellenz Herrn Eberhard nach Vorschießung der 2 Jahr zu behalten gedencken; vor nicht, so könnte deßen Pension etwas, obgleich nicht alles thun. | |
2) Es könnte ihn vorgestellet werden, daß da das Scenarium der Societät durch mehrern Abgang der Zeitungen, täglich beträchtlicher würde, | |
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und man noch zu mehrerm Zuwachs Hoffnung habe, von selbst auch sich ergeben, daß die Einnahmen der Mitglieder besagter Societät mit der Zeit wachsen könnten, so ihm, wie wohl langsamer, mit zu Gute komme, | |
3) Durch eine dritte Hand könnte ihn insinuirt werden, daß er wohl wiße, wie viele Hindernißen sich in England fänden, seiner Absicht den Preis von 20000 [Pfund] auch als denn zu ertheilen wenn sie ihn verdiene. Druch seine Veränderung würde er wenigstens eine sehr eifrige und nachdrückliche Beheibung[?] dißer Sache verlieren. Dißer letzte Bewegungs-Gund erfordert viel Behutsamkeit des Concipienten. | |
4) Mir kommt es vor, als habe ihn es einiger maßen alien gemacht, daß so viele die Mathesin allhier lesen, von denen er nur zur geringe Begriffe hat, und sie vielleicht mit recht hat. Ich bin zwar gar kein freund von Monopolien auf Universitäten; allein das muß ich auch gestehen, daß bey einer abstrusen Disciplin, wie die Mathesis ist, gemeiniglich der schlechte Docent dem besten die Auditores raubet, weil er wenig sagt, und daher den Rufe erhält daß er leicht und faßlich docire, und weil er endlich wol gar aus der Mathesi ein bloßes Spie-Werck macht. Es kann zwar | |
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nach der hiesigen Einrichtung niemand, der promovirt hat, untersagt werden, die Mathesin zu lesen: allein es können andre Docenten weniger encouragirt werden, sonderlich des außer ihn und Herrn Segner wol kein hiesiger Docente in mathematicis ist, aus dem jemahls ein echter Haupt-Mathematicus werden dürfte. |
Fußnoten
- ↑ Graf Kirill
Rasumowski (1728-1803), der letzte
Hetman (zweithöchster Feldherr nach dem König) der Ukraine,
war von 1746 bis 1798 Präsident der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg,
- Juskevic, A.P.; Winter, E.: Die Berliner und die Peterburger Akademie der Wissenschaften im Briefwechsel Leonhard Eulers. Berlin: Akademie-Verlag 1976, S. 402