Briefwechsel Tobias Mayer
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Mayer, Tobias (1723-1762) |
Empfänger | Münchhausen, Gerlach Adolph von |
Ort | Göttingen |
Datum | 30. August 1759 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5747, Bl. 41r-44r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Hochgebohrner Freyherr,
Hochgebietender Gnädigster Herr !
Ew. Hochgebohrnen Excellenz habe ich vor einiger Zeit die erste Probe einer neuen Kunst Gemählde mit Farben zu drucken, unterthänigst vorzulegen mich erkühnet. Die ehrfurchtsvolle Begierde, keine Gelegenheit zu versäumen, bey welcher ich von meinen wenigen Bemühungen um die Wissenschaften und Künste vor Ew. Excellenz eine Art von Rechenschaft ablegen könne, hat mich zu dieser Dreistigkeit verleitet. Aus gleichem Grunde geschiehet es, daß ich mich für diesen
[Bl. 41v]
beyliegenden zweyten Versuch von Ew. Excellenz
einen gnädigen Anblick unterthänigst erbitte.
Es würde zu verwegen von mir seyn, wenn
ich über dieses noch einigen Beyfall wegen dieser
noch nicht völlig gerathenen Probe hoffen sollte:
Denn diesen von erlauchten Kennern zu
erhalten, würd die Kunst durch Hände, welche
mehr Geschicklichkeit in den Regeln der Mahlerkunst
besässen, als die meinige, müßen getrieben
werden. Vielleicht geruhen Ew. Excellence einen
oder andern geschickten Künstler im Lande
aufzumuntern, daß er sich mit allem Fleiße
auf diese Kunst legte, bey welcher, da sie, wie
in der Beylage angeführt ist, so viele merckwürdige
Eigenschaften besitzet und über dem fast
gar keine Verlagskosten erfodert, sich ein
solcher meines geringen Ermessens, sehr
wohl befinden würde. Meine eigenen
Bemühungen aber werden allen Wehrt
[Bl. 42r]
haben, dessen sie fähig sind, wenn ich damit
Zeichen derjenigen tiefsten Devotion ablegen
kann, mit welcher ich lebenslang verharre
Hochgebohrner Freyherr,
Hochgebietender Gnädigster Herr !
Ew. Hochgebohrnen Excellence
Göttingen d. 30. August.
1759.
unterthänigster
Tobias Mayer.
[Bl. 43r]
Eigenschaften und Vorzüge der neuen Kunst,
Gemählde mit Farben zu drucken.[1]
1) Man durch dieselbe alle Arten von Gemählden es seyen Bildniße, oder Historienstücke, Landschaften, p.p. hundert und mehr mal vervielfältigen; so daß alle Exemplare so wohl in den Farben, als auch in der Zeichnung einander vollkommen änlich seyn: Nicht anders als Kupferstiche die von Einer Platte abgedruckt worden.
2) Jedes Stück oder Exemplar hat seine richtigen natürlichen Farben, Schatten und Licht, und siehet in allem einer mit dem Pensel ausgeführten Mahlerey völlig gleich. Man kann dabey das Coloris eines jeden Meisters nachahmen.
3) Über dieses aber sind die Farben an sich selbst noch weit schöner und lebhafter, als selbst in der Öhlmahlerey. Die Lichter sind reine, und die Schatten haben nichts rußiges oder unangenehmes, wie manchmal in Gemählden, die mit Pastel= oder Öhlfarben verfertiget sind.
4) Auch sind die Farben von einer vollkommenen Dauerhaftigkeit; so daß ein Stück, das nach dieser Kunst ausgeführet worden, viele Jahrhunderte unverändert bleiben, und allezeit wie neu aussehen muß. Man kann so gar mit einem Messer die Farben auf der Oberfläche abschaben, ohne daß es im geringsten verändert werde. Es ist dieses vielmehr ein Mittel, das Gemählde, wenn ja die Länge der Zeit oder ein andrer Zufall etwas darn verdorben hätte,
[Bl. 43v]
wieder ganz neu herzustellen. Man hat weder
Glaß noch Fürniß nöthig, das Gemählde damit
zu bedecken. Zu der Dauerhaftigkeit gehöret
auch dieses, daß man diese Gemählde auf Kacheln
von Holz, Metall Marmor u.d. gl. aufdrucken
kann; ob es schon auch auf Papier angeinge.
5) Die Oberfläche dieser neuen Kunststücke ist völlig glatt und eben, und hat keine dergleichen Rauhigkeit, wie die auf Leinwand gemahlten Stücke. Sie nimmt eine Politur und einen Glanz an, der dem Anblick des Gemähldes nicht nur nicht schadet, sondern ihn noch desto angenehmer machet. Alle unreinigkeit, die sich daran setzen möchten, lassen sich mit Seifenwasser davon abwischen.
6) Diejenige exemplare, die zuletzt abgedruckt werden, sind vollkommen eben so, wie die ersten, und keine der bisher gemeldeten Eigenschaften gehet ihnen dadurch ab. Es ist damit nicht beschaffen, wie mit Kupferstichen, davon die letzten Abdrucke nothwendig schlechter ausfallen, als die ersten, weil die Kupferplatte abgenutzt wird.
7) Was aber noch viel wunderbarer bey diesen Gemählden scheinen mag, ist dieses, daß von eben derselben Schilderey einige Exemplare
[Bl. 44r]
rechts, andre aber links können abgedruckt
werden, ohne daß die übrige Ähnlichkeit weder
in der Zeichnung noch in den Farben im geringsten
geändert, und ohne daß mehr Mühe oder Anstalten
dazu erfodert würden. Alle Abdrucke einer
Kupferplatte sind bekannter massen nur nach
einer Seite gewendet, und es ist nicht möglich
einen Abdruck verkehrt davon zu machen, so wie
er eigentlich auf der Platte selbst zu sehen ist.
Bey diesen Gemählden hingegen gilt es gleich viel,
ob man sie rechts oder verkehrt verlangt.
Manchmal schicket sich ein Bild, das den Schatten
auf der rechten Seite hat, nicht an dem Ort,
wo es solle aufgestellet werden. Nimmt man
ein nach dieser Kunst verfertigtes Exemplar,
welches verkehrt gedruckt ist, so ist der Unschicklichkeit
abgeholfen.
8) Endlich kann eben dieselbe Sache, die das Gemählde vorstellet, in größerem oder kleinerm Formate gedruckt werden. Es ist möglich, die Maschine so einzurichten, daß kein Exemplar dem andern an der Größe beykomme, und doch alle eine völlige Änlichkeit haben.
Fußnoten
- ↑ Vgl. zu Mayers Ausführungen die Stellungnahme des Pastellmalers
Johann Georg Christoph Günther.
- Güther, Georg Christoph: Praktische Anweisung zur Pastellmahlerey. Nürnberg: Weigel 1762, S. 130-131
- Vgl. auch den Brief von Günther an Karoline Luise von Baden in Kirchberg an der Jagst vom 13.07.1765