Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Rat der Stadt Nürnberg
Ort Nürnberg
Datum Frühjahr 1704[1]
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Reichsstadt Nürnberg, Kirchen- und Vormundamt 1919 (1), Bl. 1r-v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Ad Viros Generosissimas atque Magnificentissimas, DN. Ephorum Ecclesiarum et Protoscholarcham, Septem Virum, ut et reliquos DNN: Scholarchos ac Senatores Illustris Reipubl: Noribergensis splendissimos, DNN: et Patronos meos sub isse Venerandos

Libellus supplex

Joh. Gabrielis Doppelmajeri

Pro gratiose concedenda
Professionis Mathem: functionis
In Auditorio Aegidiano

VIRI
Generosissimi atq; Magnificentissime
Domini grationsi

Nil firmius umquam in animo ab ineunte aetate mihi haesit quam illud Ciceronis, quod non nobis solum simus nati, ortusque nostri partem Patria, partem parentes, partem Amici sibi vendicat,[2] in id igitur omnes nervos semper intendi, ut officia qualiacunque dilectissimae meae Patriae imprimis praestarem, Mathesin igitur, ac quam insignis hujus utilitas et singularis animi mei propensio me invitavit, amplexus, sperans me aliquando in hoc studio non inutilem navaturum operam, in Academiis, precipue in Inclyta Vestra Altdorffina sub manductione fidelissima celeberrimi Sturmii per tres annos et quod excurrit, tam privatim quam privatissime[3] jeci fundamenta, ne quid autem ulteriori exercitio in Mathematicis decederet, iter per biennium in Belgium et Angliam mei impensis suscepi, quibus in terris consortio Mathematicorum celeberrimorum frui, Bibliothecas insigniores, Bodleianum praeprimis Oxonii perlustrare, rariores in hoc studiorum genere libros et nonnulla instrumenta magnis meis sumptibus comparare datum fuit, innio etiam collegia, in quibus praeter reliquas Matheseos partes, rariora in Astronomicis et Theoria Musices tradebantur, frequentavi, quo desideriis Philomathematicorum suo tempore tanto meluis satisfacerem. Postquam autem in Patriam redux factus deprehendi, me cum jam Mathematica in classibus Gymnasii Vestri excolantur, voti mei compotem fieri, et animum meum inserviendi cupidissimum re ipsa declarare posse, si candidatos Academiae

[Bl. 1v]
in Auditorio Aegidiano Mathesin docere mihi integrum foret, cum hoc autem nisi Auctoritate Generositatum Vestrarum impetrari nequeat ad vos supplex accedo, ea qua par est observantia rogans, ut justis meis petitis benignissime annuatis, spondeo me in id unice incubiturum ut utilia et in vita communi necessaria methodo Sturmiana facile et perspicue proponam. Etiam si autem ad comprobandam meam observantiam gratuitam operam per aliquod tempus non subterfugiam, confido tamen si Generositates Verstrae bonarum Artium et literarum Nutrices, quid comodi in Auditores Mathematicos inde redundet, perspexerint, me ope Vestra non destitutum, sed subsidium quoddam pro comparandis Instrumentis, imprimis Astronomicis in Mathesin incrementum et boni publici emolumentum benignissime concessum iri, interim Patrocinio et Favori Vestro me totum commendo ac committo per omnem vitam futurus

Generositatum Vestrarum Magnific.um

devotissimus et humillismus cultor,
Johann Gabriel Doppelmair



Übersetzung:
Nichts hat sich seit Anbeginn der Jugend so beharrlich in mir festgesetzt, wie jener Ausspruch Ciceros, dass wir nicht nur für uns geboren sind, dass vielmehr das Vaterland, die Eltern und die Freunde uns teilweise für sich beanspruchen. Darauf habe ich also immer all meine Kraft verwandt, dass ich jeglichen Aufgaben meiner hochgeschätzten Heimat besonders nachkam. Der Mathematik also nahm ich mich an, so wie ihr überragender Nutzen und meine persönliche Neigung mich ermunterten, in der Hoffnung, dass ich irgendwann durch dieses Studium einen nützlichen Dienst erweisen werde. In den Akademien, besonders in Eurer berühmten in Altdorf hielt ich mich über drei Jahre hinweg auf unter der verlässlichsten Führung des allseits bekannten Sturm. Sowohl privat als auch privatissime legte ich das Fundament. Damit aber eine gewisse Übung in höherer Mathematik nicht zu kurz kam, habe ich zwei Jahre lang eine Reise nach Belgien und England auf eigene Kosten unternommen. In diesen Ländern genoss ich den Umgang mit den berühmtesten Mathematikern, besuchte herausragende Bibliotheken, vor allen die Bodleiana in Oxford. Bei diesen Studien erwarb ich - mit hohen eigenen Kosten verbunden - verschiedene Bücher und einige Instrumente. Ich besuchte auch häufig Kollegien, in denen neben den übrigen Teilen der Mathematik seltene Themen auf dem Gebiet der Astronomie und Musiktheorie vermittelt wurden, so dass ich für die Bedürfnisse eines Mathematikliebhabers seinerzeit mehr als genug getan habe. Da die Mathematik ja bereits in den Klassen Eures Gymnasiums zu Ansehen gebracht wird, bin ich nach der Rückkehr in die Heimat im Wunsch zu dienen, allzu versessen darauf, die Kandidaten der Akademie im Auditorium Egidianum in Mathematik zu unterrichten. Es wäre mir eine Freude, wenn ich freie Hände dazu hätte, was natürlich nur mit Eurer großzügigen Zustimmung erreicht werden kann. Deshalb wende ich mich an Euch, um Euch in Hochachtung zu bitten, dass Ihr meinem wohlbegründeten Gesuch wohlwollend zustimmt. Ich verspreche, dass ich mich einzig und allein darauf verlegen werde, das Nützliche und für die Allgemeinheit Notwendige mit der Methode Sturms einfach und klar darzulegen. Auch wenn es einige Zeit dauern wird, um meine Ehrerbietung und meine unentgeltliche Arbeit anzuerkennen, werde ich mich nicht heimlich entziehen, vielmehr vertraue ich darauf: Wenn Eure Großzügigkeit hinsichtlich der schönen Künste und Wissenschaften erkennt, welcher Vorteil den Mathematikstudenten zukommt, hoffe ich, dass ich mit Eurer Hilfe nicht leer ausgehe, sondern dass mir eine gewisse Unterstützung recht großzügig gewährt wird für den Kauf der Gerätschaften, insbesondere für die der Astronomie, welche einen Zuwachs für die Mathematik bedeuten und einen Vorteil für die Allgemeinheit. Inzwischen vertraue ich mich und mein ganzes zukünftiges Leben Eurem Schutz und Eurer Gunst an.


Fußnoten

  1. Am 30. Juli 1704 hielt Doppelmayr seine Antrittsvorlesung. Dieser Brief ist damit auf das Frühjahr 1704 zu datieren.
  2. Cicero: De Officiis (Vom pflichtgemäßen Handeln), 1:22: "Sed quoniam [...] non nobis solum nati sumus ortusque nostri partem patria vindicat, partem amici [...]". Zu deutsch: "Aber da wir nicht nur für uns auf der Welt sind, sondern ein Teil unseres Lebens unser Vaterland, einen Teil unsere Freunde beanspruchen [...]".
  3. Als "Privatim" wurden kostenpflichtige Veranstaltungen bezeichnet, "privatissime" fanden Veranstaltungen eines Dozenten für einen ausgewählten Hörerkreis statt.

Danksagung

Ich danke meinem Kollegen Sebastian Blusch für massive Hilfe bei der Übersetzung dieses Briefes. Für eventuell vorhandene Fehler ist selbstverständlich alleine der Verfasser dieser Seiten verantwortlich.