Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Eimmart, Georg Christoph (1638-1705)
Ort Nördlingen
Datum 5. März 1703
Signatur Nationalbibliothek in St. Petersburg: Ф 998, Vol. 4, Bl. 297r-298v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nördlingen. 5. Mart: 1703.

Hochgeehrter Herr Vetter![1]

Dessen inzwischen erlittene Unpäßlichkeit habe ich aus Hl. Doct: Rösers Schreiben sehr ungern vernommen, hoffe aber anjezo es werde sich wiederum zu einer völligen Genesung angelassen haben,[2] dern beständige continuation ich jederzeit von Herzen anwünsche, übrigens giebet mir das von Hl. Doct: Zumbach[3] gestern erhaltene Schreiben abermahlen die Gelegenheit an die Hand, diese wenigen Zeilen an meinen Hochgeehrten Hl. Vettern abzuschicken, und ein u. anderes, so hoffentlich nicht mißfällig seyn wird, daraus zu communiciren: Es ersuchte mich aber bemeldter Hl. D. Zumbach vor allen meinem Hochgeehrten Hl. Vettern, der Ihme obwohlen nicht von Persohn doch par renomme bekannt seye, auff das freundlichste in seinem nahmen zu salutiren, so ich hiemit will gethan haben, anbey berichtend daß er die Eclipsin Lunae, welche den 3. Jan: gewesen ist, nicht habe wegen des starcken Schneiens observieren können,[4] und wird wohl auch solche mein Hochgeehrter Hl. Vetter, wegen des trüben Wetters nicht observiret haben, überdeme vermeldte Er auch nach meinem Begehren wegen seines 20. schuigen Tubi von Hl. Hartsoecker,[5] gegen mich, daß solcher herrlichen effectus thä=

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te, weilen er durch denselben den ♃ auff das wenigste zweymahl so groß, den ♄ aber einmahl so groß, als mann den Mond mit bloßen Augen siehet, observiret habe, auch den Annulum Ellipticum Saturni samt den spatiis utrinque inter globum ♄ et annulum intermediis sive lumine, u. den umbram, welchen der Saturnus auff den annulum wirfft, distinctissime gesehen, so daß ich nicht zweiffle es werde mein 22 schuiger Tubus, wo nicht noch besser doch eben die effect thun, und mich sehr contentiren. Den Martem hat [er] im Novembr: des vorigens Jahrs auch observiret, und befunden daß er damahls in parte aversa solis in der Runde mercklich abgenommen, vor einem Monath aber hat er durch eben denselben Tubum einen Transitum Lunae observiret, dessen observation, wie Er sie mir überschicket ich hiebey füge.[6]

Anno 1703. D. 24. Januarii, mane aer nebulis et plerisque nubeculis impurus, temperatur tn., ventus a West, dein Nordwest et Nord. p.m. Serenissimum et frigidius eum vento Nordoost, nox serenissima et gelida, Barometr: tota die 29. 8. nocte ascendere incipit.

Nota hoc vesperi Lunam casu per Telescopiam 20. pedum aspiciens, reperi proxime apud cornu Austrium illius stellam illam

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Cete, quae est supra oculum in fronte occidentalis 4tae mag: Hevelio tunc habens longitudinem in ♉ 3.o 19'. Latit: Austr: 5.o 52.' Attendi ch. donec Luna illi perfecte conjungeretur ducta linea per Lunae tunc fere Dichotomae cornua, et accidit transitus 41 ¼ minutis primis antequam cor hydrae esset in Azimuth 46.o 10.' a meridie versus orientem numerato, distitit stellula a cornu Aust. ☾. in transitu minus 1/8. ut plus 1/9 parte diametr: app: ☾ fuit ch. Leidae h: 9. 12. temp: apparenti.

und so viel von der observation: weiters gab er mir zu vernehmen daß die opera posthuma des vortreffl. Hugenii von Zulichen eben zu Ende im drucken gelanget, welche in quarto sind fast mit 30. Kupfferstücken, ohne den Holzschnitten versehen, es begreiffen aber solche in sich, 1) einen Tractatum Dioptrices. 2) de vi percussionis &c. 3) descriptionem Automatis planetarii,[7] das pretium[8] ist 5 fl. hollh. oder ein species Ducaten, ich habe es schon allbereit verschrieben, da ich dann auch solches meinem Hochgeehrtern Hl. Vettern zu leßen werde überlassen können. Der editor dieser operum ist Hl. de Volder[9] in Leiden, bey welchem ich auch des Automatis planetarii curieuxe construction und bewegung gesehen.[10] Ferner daß ehestens neue globi ex observationibus Hevelianis correcti, dern Diameter 14. Zoll, bey den Valcken in Amsterdam mit ver=

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schiedenen Inventionibus vermehret worden zu haben seyn,[11] sonsten fällt mir noch bey daß neulich ein anderer guter freund von einem curieuxen Tractat geschrieben, welchen H. Doct: Woodward in London D. M. zu ediren gesonnen ist, nemlich de praesagiis tempestatum ex nubilus in montibus ortis, ut et ex vaporibus et halitibus in fodinis, lapidicinis et antris carbonariis conspicuis.[12] Schließlichen vermeynet Hl. Doct: Zumbach was die Astronomiam carolinam anbelanget,[13] wohl den calculum Mercurii zu examiniren; ob solcher, wo nicht besser, doch eben so guth als derjenige in den Bullialdinischen Tabb:[14] wäre, da mann alß wohl könte solche dem publico geniesen lassen, welches zu probiren ich lang in willen gehabt nun aber gewis effectuiren werde, wie sie mit dem calculo anderer Tabb: überein kommen, dazu die II. observationes, als in des Riccioli[15] Astronomia reformata pag: 352. als in welchen der Riccioli seinen calculum gegen ander Tabb: gehalten, mir gleichfalls zu einer erwünschten collection dienen werden. Inmittelst verharre ich nebst frl. Begrüßung an das ganz hochwerthe Hauß, und alle liebe freunde, in specie an Hl. M. Glaßer und Hl. M. Müller unter Empfehlung Göttl. schuzes


meines Hochgeehrten Hl. Vettern
Ergebenster diener   
J G Doppelmayr mpp  


Fußnoten

  1. Wie auch im Brief vom 12. Dezember 1702 spricht Doppelmayr Eimmart als seinen Vetter an, obzwar er mit ihm nicht verwandt war.
  2. Georg Hieronymus Röser (?-1721) studierte in Altdorf Medizin. 1699 verließ er Altdorf und ging nach Halle, im folgenden Jahr besuchte er weitere Universitäten. Doppelmayr und er dürften sich also gut gekannt haben. 1702 promovierte er in Altdorf, im folgenden Jahr wurde er in Nürnberg ins Collegium Medicum aufgenommen.
    Vgl. Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 3. Nürnberg, Altdorf: Schüpfel 1757, S. 381.
    In Doppelmayrs Diarium Tempestatum (Band 40 des Eimmart-Nachlasses) fehlen Einträge vom 17. Januar 1703 bis zum 17. Februar 1703, die hiermit also durch Krankheit erklärbar sein dürften.
  3. Lothar Zumbach von Koesfeld (1661-1727) hielt ab 1692 medizinische und astronomische Vorlesungen in Leiden. 1708 übersiedelte er nach Kassel, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Er war einer der wichtigsten Lehrer von Doppelmayr. Das Schreiben von Zumbach von 1703 ist nicht überliefert.
  4. Im Brief vom 12. Dezember 1702 hatte Doppelmayr Zumbachs Wunsch übermittelt, Eimmart möge ihm seine Beobachtungen der partiellen Mondfinsternis vom 3. Januar 1703 übersenden, im Gegenzug wollte er ihm seine eigenen Beobachtungen schicken.
  5. Im Brief an Allgoewer vom April 1701 erwähnt Doppelmayr, dass er einen "privatus", in Amsterdam besuchen wolle, der gute Teleskope herstellen soll. Damit dürfte Nicolaus Hartsoeker (1656-1725) gemeint sein, bei dem er offensichtlich seinen 22schuhigen Tubum bestellt hat. Diese Bestellung dürfte durch Zumbach angeregt worden sein, der einen 20schuhigen Tubus von Hartsoeker besaß.
  6. Am Mittwoch, den 24. Januar 1703 stand der Mond nahe bei dem Stern Xi 2 Cet. Der folgende lateinische Text gibt Zumbachs Beobachtungen hiervon wieder.
  7. Huygens, Christiaan: Opuscula postuma quae continent dioptricam. Commentarios de vitris figurandis. Dissertationem de corona & parheliis. Tractatum de motu. De vi centrifuga. Descriptionem automati planetarii. Leiden: Cornelium Boutesteyn 1703.
  8. Pretium (lat.): Preis.
  9. Burchard de Volder (1643-1709) war ein niederländischer Mathematiker.
  10. Nach Anweisungen von Huygens stellte 1682 Johannes van Ceulen (1654-1715) ein Planetarium her. Es ist heute im Museum Boerhaave in Leiden zu sehen.
  11. Diese Globen sind in Amsterdam von Gerhard (1652-1716) und Leonard Valk (1675-1746) hergestellt wurden. Zumbach hatte dazu die bei Hevelius zu findenden Sternkoordinaten auf 1700 umgerechnet. Johann Leonhard Rost schrieb 1723 in seinem Atlas coelestis portatilis S. 129 über diese Globen:
    "ob man in Teutschland bessere oder nur ihres gleichen findet / ist mir unbewust. Indessen wäre es wol möglich / daß man sie eben so gut nachmachen könnte."
    Für Doppelmayr waren diese Globen Vorbild für seine eigene Produktion ab 1728.
  12. John Woodward (1665-1728) war ein englischer Naturhistoriker. Ein Werk zu Wettervorhersagen ist von ihm nicht bekannt.
  13. Vgl. dazu Doppelmayrs Brief an Eimmart vom 12. Dezember 1702.
  14. Boulliau, Ismael (1605-1694): Astronomia philolaica. Paris: Piget 1645. Am Ende der Vorrede seiner Übersetzung der Astronomia Carolina bezog er sich wie schon im Brief vom 12. Dezember 1702 auf Mercator, wonach die Merkurtafeln von Streete mindestens genauso gut seien wie die von Boullia. Der Mühe dies selbst nachzurechnen, scheint er sich nicht unterzogen zu haben.
  15. Der italienische Jesuit Giovanni Battista Riccioli (1598-1671) schuf bedeutende Werke zur Astronomie.