Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Liebknecht, Johann Georg (1679-1749)
Ort Nürnberg
Datum 3. April 1722
Signatur UB Uppsala: Waller Ms de-00997, Bl. 1r-v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelährter, insonders Hochgeehrter Herr
Professor und Sehrgeneigter Gönner.

Es sind mir vor einer geraumen Zeit einige Disputationes als Zeichen eines unermüdeten Fleisses, und Zeugen der gegen mich tragenden Affection von E. HochEdl. zu Handen gekommen,[1] erkenne demnach solche Gütigkeit mit schuldigem Danck, und wünsche wiederum Gelegenheit zu haben, wie ich meine Ergebenheit in andren Stücken dafür darthun möge. Was einige nova Literaria, die ich berichten mag, anlanget, so habe vor kurzem aus Engeland vernommen, daß die Opera des Herrn Flamsteeds innerhalb einem halben Jahr zum Vorschein kommen,[2] aber dabey ziemlich kostbar seyn werden, denn sie über 50 Gulden kommen sollen. Herr Halley[3] als successor des Herrn Flamsteeds ist dahin bemühet neue Tabulas Astronomicas auch eine Verbesserung seiner Theoriae magneticae zu ediren. In Oxford ist Mr. Bradley[4] zum successor des Dr. Keils[5] ernannt worden. Die Transactiones Philosophicae sind von anno 1700 bis hieher, wieder in einem compendio, wie solche zuvor von Lowthorpe bis 1700 dargegeben worden, zu haben.[6] Man hat auch in London den Mercurium zu Anfang dieses Jahrs bey gar trüben und nicht gar kalten Wetter wieder die gemeinen Reguln so hoch als es wohl seyn kan, in dem Barometro befunden, und habe auch dergleichen bey uns observiert, trage demnach Verlangen zu vernehmen, ob sich auch dergleichen Phaenomenon bey eben dem Wetter bey Ihnen ereignet habe. Sie wollen es der großen Variation der Winde zu schreiben, weil die Barometer ca. Aequatorem, da die winde regulärer als bey uns sind, weil wichtiger als bey uns sich befinden sollen, dieses wird die Zeit am besten

[Bl. 1v]
lehren. Übrigens habe noch zu melden, was unser Regard von denen novis ergeben mag daß nunmehro auch der zweite Tomus der Physicae Hypotheticae Sturmianae endlich noch einmahl zum Vorschein gekommen,[7] und ich mich inzwischen auf eine Theoriam magneticam appliciret und darinnen gefunden wie es gar möglich seye, daß, ob schon die Poli magnetis circa Polos torne[8] immer einer Veränderung sich befinden, man dennoch, Datis declinatione magnetis et altitudine Poli, die longitudinem eines jeden Orths, es seye gleich zu Wasser oder zu Land, wo die observation gehalten worden, determinieren köne, es will aber die Sach noch weiter Zeit haben, da ich zu mahlen noch gar viele observationes von verschiedenen Orthen desideriere, sollte mein Hochgeehrter Hl Professor etwas von dergleichen in Bereitschafft haben, so bitte um gütige communication, doch daß die Zeit dabey determinieret seye, denn sonsten könte mir Ricciolius[9] in seinen Wercken viel gutes contribuieren, weil er aber gar die Jahr auslässet, so sind solche zu meinem Propor ganz undienlich. Ich habe dieser Materie wegen eine Correspondenz mit Hl M. Semlern[10] in Halle angestellet, (da wir zwar in einigem bishero noch einig, in verschiedenen aber ziemlich voneinander different seyn) weil er schon lang mit dergleichen Affaire umgehet, wovon die Zeit ein mehres zeigen wird. Womit verharre unter Erlassung Göttl. Protection in Eil weil die Meßleuthe abgehen wollen

meines hochgeehrten Herrn Profes-
soris        

ergebenster diener    
J G Doppelmayr mpp  


Fußnoten

  1. 1721 erschienen drei Disputationen mit Liebknecht als Praeses. Es dürfte sich dabei um die hier angeführten übersandten Arbeiten handeln:
    1. Liebknecht, Johann Georg; Götz von Ohlenhausen, Carl: Desideria mathemathica nov-antiqua, ad mensuras, speciatim geographicas, et geodaeticas generali ac feliciori methodo recens aestimatas et reductas. Gießen: Müller 23. August 1721.
    2. Liebknecht, Johann Georg; Weber, Immanuel: Pharus, Sive De Prodigiis Ignis Colestibus. Gießen: Müller 16. Oktober 1721.
    3. Liebknecht, Johann Georg; Mörster von Mörschid, Ernst Ludwig: Desideria mathematica nov-antiqua ex architectura militari generatim collecta. Gießen: Vulpius 8. November 1721.
  2. Diese Arbeit von John Flamsteed (1646-1719) kam erst 1725 heraus:
    Historia coelestis Britannica, tribus voluminibus contenta. London: Meere 1725.
  3. Edmond Halley (1656-1742) wurde 1719 Nachfolger Flamsteeds als Royal Astronomer.
  4. James Bradley (1693-1762) wurde 1721 auf den Savilian Chair of Astronomy an der Universität Oxford berufen.
  5. John Keil (1671-1721) hatte bis zu seinem Tod den Savilian Chair of Astronomy an der Universität Oxford inne.
  6. 1. Lowthorp, John (1658/59-1724): The philosophical transactions and collections to the end of the year 1700, abridg'd and dispos'd under general heads. London: Thomas Bennet 1705.
    2. The philosophical transactions from the year M DCC. (where Mr. Lowthorp ends) to the year M DCC XX. abridg'd, and dispos'd under general heads. In two volumes / By Benj. Motte.
    Dass diese Ausgabe "zu haben" ist, bedeutet hier nur, dass sie veröffentlicht wurde. Doppelmayr konnte sie in Nürnberg nicht erhalten, und erkundigte sich noch im Brief an Bilfinger vom 12. Juni 1732, ob sie in Tübingen vorhanden seien.
  7. Sturm, Johann Christoph: Physica Electiva Sive Hypothetica. Partem physicae specialem de geocosmo, seu mundo elementari, de mundo sidereo, sive macrocosmo, nec non prioris specialiora et posterioris de planetis specialissima, complectens. Nürnberg: Endter 1722.
  8. Drehpunkte.
  9. Der italienische Jesuit Giovanni Battista Riccioli (1598-1671) brachte eine Reihe wichtiger astronomischer Werke heraus.
  10. Christoph Semler (1669-1740) aus Halle war Theologe, Astronom und Pädagoge.