Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Blumentrost, Laurentius (1692-1755)
Ort Nürnberg
Datum 15. November 1726
Signatur Akademie der Wissenschaften St. Petersburg, Archiv, F 1. op. 3, Nr. 8, Bl. 244r-245v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 15. Nov.
A. C. 1726.  

HochEdelgebohrner und Hochgelährter Herr,
Hoher Gönner!

Obwohlen ich allbereit vor kurzem schon ein Schreiben an Ew. HochEdelgebl. abgefertiget und darinnen sowohl meinen ergebensten danck vor das überschickte sehr Angenehme, als meine geringe Gedancken wegen der künfftighin mit vielen Nuzen anzustellenden Correspondenzen dargeleget, so habe doch, da Ihro Kayserl. Mayestät zuförderst dieses Werck höchst weißlich als ein sonderbares Requisitum, so zur Aufnahme der Wissenschafften und Künste erforderlich ist, erkennen, solches auch in einen guten Stand gebracht, allergnädigst wissen wollen, inzwischen um desto mehr diese Sache in eine weitere Überlegung gezogen und dabey befunden, daß weil S. Petersburg (wie bekandt) von den mehrsten Ländern und Örthern in Europa, wo curieuxe Gelährte anzutreffen, sehr weit entfernt liegt, und viele Correspondenten dardurch allerhand obstacula haben würden, man (ohne maas zu geben) nach einen Orth, der jenen weit näher gelegen wäre, um besagte Correspondenten desto besser mit helffen befördern zu können, dienlichst mit zu Hülffe ziehen mögte, indeme aber Nürnberg absonderlich hierzu bey ihrem situ, da es fast mitten in Europa und Teutschland lieget, sich förderlich dargiebt, und ich darinnen meine große Ergebenheit, um was zur Beförderung der Wissenschaft und Künste gereicht, schuldigst zu dienen, zeigen mögte, da meine Leibes=Constitution solches gegenwärthig zu thun keines Weges zugelassen, so will mich hiezu nochmahlen gehorsamst offeriret haben, zu mahlen man dabey gar leicht erkennen mag, wie dieses alles mit gar erwünschtem effect geschehen könne, als da man erstlich von Nürnberg aus die Gelährte, auff öffters zu schreiben, dann viele wie mich die Erfahrung gelehret, durch mehrere Brieffe zur Correspondenz auffgemuntert werden müssen, um desto besser und öffter zur Beantwortung: bringen mag.

[Bl. 244v]
Zum zweyten daß man von Nürnberg aus verschiedene Gelährte, welche, wenn sie an gar weit entlegene örthern schreiben sollen, solches, um die grosen Brief=Porto zu menagiren, wie mir auch wohl wissend, gar unterlassen, am besten in dergleichen Ausgaben überheben, (wenn die Briefe francirt hin und unfrancirt her nach Nürnberg kommen sollten) und dadurch die Correspondenten noch mehr befördern könnte.

Drittens daß die mehreste Gelährte, da sie ihre richtige Adresse nach Nürnberg wissen, mit Beförderung ihrer Briefe weit fertiger sich zeigen sollten, als wenn sie in eine so weite Entfernung selbige immediate müßten gehen lassen, auch mehrere die eigentliche Adresse nicht wissen. Dieses Werck könte man auf ihrer Seiten absonderlich auch mit befördern, so man zum öfftern, was von Observationibus curiosis in quocumque genere[1] sich bey Ihnen ergiebet, bey der Post an mich einzusenden beliebte, da ich dann solches an einen guten Hl. Correspondenten wiederum auf das eine abgeschrieben übersenden wollte, um dadurch dern fleiß zu animiren und dargegen andre curiosa communication vor die Illustre Academie zu erlangen.

Wo dieses bisherige eine hochgültige Approbation findet, so wollte ich, weil mir die Media und die Wege hierzu bestens bekandt sind, viele curiosa communicata auch brieffe, wo es verlanget wird, aus Portugall, Spanien, Italien, auch aus Frankreich, wenn Mr. de l'Isle[2] nicht Zeit hätte, und seine Addressen mir zu verschaffen belieben sollte, dann aus der Schweiz Teutschland, und dann u. wann aus Engeland verschaffen, so oft was beysammen mit einander bey der Post in einem starcken brieff, da die communicata durch einen Scribenten auf Postpapier sauber u. complett

[Bl. 245r]
zusammen schreiben ließe, überschicken. Dieweilen aber dadurch die Bezahlung sehr vieler und große Porto auf mich kommet, und das Jahr durch auf ein starckes Quantum hinauslaufet (welches noch mehr machen sollte wenn alle Briefe einzel und immediate von deren Herren Correspondenten nach Petersburg gehen sollten, und 8. 9. etc. Brieffe, so sie in ein convert zusammen gemacht werden, um so viel, als wenn ich zwey einzele apart überschickte, fortbringen kann, wie ich öffters anderwärts probiert) ferner einen eigenen Scribenten darauff halten muß, der die communicata, die hin und her gehören, abschribe, ich auch dabey das meiste zu thun habe, so ist freylich dabey erforderlich, daß jährl. eine gewise Angabe, (die ich nicht vorschreibe) von verschiedenen hundert Rubeln, die sonsten vor so viele einzelne Brieffe ausgegeben würden, zur Bestreitung der fast täglichen Ausgaben und andrer Bemühung mir gütigst angedeyen müßte, dabey mir zuförderst ein Diploma, um mich überall legitimiren und meinen Briefen um desto mehrer Krafft geben zu können, gehorsamst ausgebitten haben wollte. Sollte mir dabey noch mehrer Ehre zuwachsen, werde mich um desto mehr animirt befinden meine schuldigste Ergebenheit zu zeigen. Und weil nun die Illustre Academie in einen guten Stand, so könte man mit dem folgenden Jahr mit Gott, einen guten Anfang zugleich in diesem rühmlichen Vorhaben machen, welches um desto eher, wo es beliebig ist, zu versuchen wünsche, weil ich, indeme meine bisherigen Verrichtungen in Haltung der Collegien und hülfflicher Handleistung verschiedene Buchführer bestanden, als dann das lezte unter=

[Bl. 245v]
nehmung nach und nach aufgeben, und von nichts weiters annehmen wollte, indeme in diesem neuen Werck schon genug zu thun fände, will also um was neues von den Buchführern anzunehmen in etwas zurück halten und die Ordre hierüber erwarten, der ich inmittelst bin und verbleibe mit aller Devotion

  E. HochEdelgebohrnen
   meines hohen Gönners


gehorsam=ergebenster Diener    
J G Doppelmayr mpp    

P. S. Wir haben neulich in unseren Zeitungen geleßen, daß nebst Mr. Bernoulli[3] ein Medicus Hl. Dr. Bürger[4] bey Ihnen mit Todt abgegangen, sollte eine Recommendation von einem habilen Medicum noch statt finden, wollte Hl. Dr. Glaschke,[5] dessen Meriten sowohl Mr. de Wilde[6] als auch Herrn H. Goldbach bekandt sind, unmaßgeblich vorschlagen, der bey einem Fürsten in diensten, inzwischen doch kein bedencken sich macht, auch in einem weit entfernten Lande sonder beyhülffe zu contribuiren.


Fußnoten

  1. Observationibus curiosis in quocumque genere: sorgfältige/interessante Beobachtungen jeglicher Art.
  2. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) im Dezember 1725 Doppelmayr in Nürnberg besucht.
  3. Nikolaus II. Bernoulli (1695-1726) starb am 9. August 1726 in St. Petersburg. Doppelmayr hatte dessen Berufung vorgeschlagen.
  4. Michael Bürger (1686-1726) stammt aus dem littauischen Memel (heute: Klaipeda). Er hat in Königsberg promoviert und dann mehrere Jahre gemeinsam mit Blumentrost in Leiden verlebt. Er wurde als Professor für Chemie und Medizin nach St. Petersburg berufen, starb aber schon am 22. Juli 1726 an an den Folgen eines unglücklichen Sturzes. Doppelmayr bezieht sich auf eine Notiz zu dessen Tod in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen aus Leipzig vom 10. Oktober 1726, S. 796. Zu Bürger siehe Richter, Wilhelm Michael von: Geschichte der Medizin in Russland, Band 3. Moskau: Wsewolojsky 1817, S. 205.
  5. Johann Michael Glaschke (?-1731).
  6. Gemeint sein könnte der Sammler Jacob de Wilde (1645-1721), der in Amsterdam ein Museum eingerichtet hatte, worin u.a. wissenschaftliche Instrumente zu sehen waren. Zar Peter der Große hat ihn 1697 besucht, nach seinem Tod kamen Teile seiner Sammlung nach St. Petersburg. De Wilde ist allerdings schon 1721 gestorben.