Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 10. Februar 1736
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 120,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

10 Febr. 1736    

HochEdler und Hochgelährter
Sonders Hochzuehrender Herr,
Hochgeneigter Gönner!

Ew. HochEdlen Angenehmes von 10 Januarii[1] ist mir durch die Hhl. Endterische richtig zu Handen gekommen, wobey ich auch die zwey beygefügten piecen, als den Astronomischen Calender und die Astronomischen Begebenheiten[2] auf dieses Jahr mit erhalten, und zwar diese als ein vergnügendes Geschenck, wofür ich sehr obligirt bin, und ein Schuldner bleibe bis wieder dargegen mit was werde dienen können. Was den von darinnen vor dieses Jahr angedeuteten Cometen anlanget,[3] hat man mir aus Wien berichtet, daß man selbigen den 11. Martii eine Stund nach Mitternacht (so gar genau hat man dessen Apparenz determiniren wollen) daselbsten sehen werde, ich habe aber darauff in einem Brieff zur Antwort ertheilet, daß man sich so weit nicht daran binden möge, auch den Tag nicht so genau (will geschweigen die Stund) angeben könne, weil es leicht geschehen dörffte, daß man von Ihme gar nichts könnte zu sehen bekommen, gleichwie schon mehrer Exempla gehabt haben. Von Marpurg schriebe jemand hirher und meldete aus der dasigen gemeinen Relation, daß der Comet mit seinem Schweiff, da er so nahe derselben kommen werde, die Erde anzünden soll, worüber ich wohl gelachet, solche Historien machen unverständige Leuthe. Vor die gütig communicierte observation von Hl. Römer bin ich ebenfalls verbunden,

[Bl. 120,1v]
es ist dieser ausser allem Zweiffel eher als der clüverischen zu traun, die mir ebenfalls suspect vorgekommen.[4] Da ein astronomischer Extraordinarius nach Kamtschatka, nach E. HochEdlen ertheilten Bericht, abgeschicket wird mögte wohl mir dessen Namen ausbitten,[5] und von wannen er gebürtig ist wissen, man hat vermeynet es solle Hl. Klimm aus Meissen solche station annehmen, allein Er hat sich dafür bedanckt, indeme eine gar gute Resolution dazu gehöret, um dergleichen Affaire sich zu unterziehen.[6] Ausser diesen mögte auch über folgendes E. HochEdlen Gedancken vernehmen, als ich in der Honorati Fabry synopsy optica pag. 229[7] ungefehr gelesen, daß er meldet: Praeterea vidimus pone Iouis discum nouum Phenomeni genus, non eidem coeli plagae semper affixum, sed loui semper non procul adhaerens: Caudam cometae dixisses, lucidis punctis distinctam; quid si vapor, vel halitus retro quasi proiectus, aut certe ex Iouvis sphaera quoquouersum affurgens, in quo solis radij refracti, & vt aiunt, modificati, hoc rarum phaenomenum nunquam ab ullo ante observatum exhibeant, von welchem l'lunomino sonsten niemahlen was gelesen habe; weiter habe in des Hamelii Physic[8] ein und andermahl gefunden, daß, da öffters die circumjoviales, von dem corpore Jovis, ohne in dessen Schatten zu fallen, bedecket werden, er alle Species Eclipsium gar auff

[Bl. 120,2r]
1300 reduciret, welche Anzahl mir allzu groß vorkommet; worüber E. HochEdlen Gedancken auch vernehmen mögte. Endlich mögte auch wohl wissen, ob von der in Hamburg florierenden Kunstrechnungs Societät, ausser ihrer ersten A. 1723 edirten Sammlung noch was weiters inzwischen herausgekommen.[9] Die verlangte Zettul von den Nürnbergl. Globis werde bey Gelgenheit schicken, indeme derselben viele habe eines curieuxen Liebhabern zu communicieren. Sollte sich noch ein Exemplar von des Baron von Kroßeck Project,[10] die Astronomie betreffend übrig finden, will mich darum recommendiren, weil das vorige nicht mehr finden kan. Ich offerier mich wieder zu andern angenehmen diensten und verharre unausgesaget und mit etwas eilfertigen Ende.

      Ew. Hochedlen
  meines Hochzuehrenden Herrn

Nürnberg den 10 Febr:
    A.C. 1736

ergebener diener  
JG Doppelmayr mpp


Fußnoten

  1. Der Brief Kirchs vom 10. Januar 1736 ist nicht überliefert.
  2. Kirch, Christfried: Merckwürdige Himmels-Begebenheiten, So sich im 1736. Jahr zutragen werden. Berlin: Rüdiger 1736.
  3. Zum Beschluß folget eine Anzeige, wegen eines vermutheten Cometen, der von einigen Astronomis im 1736. Jahr erwartet wird. In: Kirch, Christfried: Himmelsbegebenheiten 1736, S. 58-60.
    1668 und 1702 hatte man an gleicher Stelle am Himmel einen Kometen gesehen. Geht man von ein- und demselben Kometen aus, müsste er im Jahr 1736 wiederkehren. Diese Wiederkehr hatte Antonio Ghisilieri (1685-1734) in seinen Ephemeriden für 1736 angekündigt.
  4. Vgl. zu diesen Beobachtungen den Brief Doppelmayrs an Kirch vom 20. Dezember 1735.
  5. Die akademische Gruppe der zweiten Kamtschatkaexpedition war bereits 1733 aufgebrochen. Mit astronomischen Messungen war Louis De l'Isle de la Croyère (1690-1741) betraut worden, der jüngere Bruder von Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768). Sein Name taucht im Bericht über die geplante Expedition nach Kamtschatka auf, der in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen vom 2. November 1733 (Nr. LXXXVIII, S. 777-781) steht. Er dürfte also Doppelmayr wohlbekannt gewesen sein. Auch der Geodät Andrej Krasil'nikov (1705-1773) nahm astronomische Vermessungen vor. 1735 wurde jedoch eine Erweiterung der Expedition beschlossen und man suchte noch einen weiteren Astronomen. Goldbach diskutierte das Thema intensiv mit Christfried Kirch in zahlreichen Briefen. Im Gespräch waren sowohl Johann Albrecht Klimm als auch Kirch selbst, doch zerschlugen sich beiden Möglichkeiten, es wurde kein weiterer Astronom nach gesandt.
    Vgl. Juškevič, Adolf Pawlowitsch; Kopelevič, Judith Chaimovna: Christian Goldbach 1690-1764. Aus dem Russischen übersetzt von Annerose und Walter Purkert. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser 1994, S. 77
    Ich danke Wieland Hintzsche für freundliche und hilfreiche Auskünfte.
  6. Johann Albrecht Klimm (1698-1778) war in seiner Jugend von seinem Vetter Johann Christoph Klimm (ca. 1668-1729) nach Nürnberg geholt worden, wo er begann sich für Astronomie zu interessieren und u.a. bei Doppelmayr Vorlesungen hörte. Seit 1729 unterrichtete er Mathematik an der Fürstenschule St. Afra in Meißen. Auf Initiative von Joseph-Nicolas Delisle soll im 1735 und nochmals 1736 eine Stelle in St. Petersburg angeboten worden sein, was er aber ablehnte. 1735 war beschlossen worden, den Personenkreis der zweiten Kamtschatkaexpedition zu erweitern.
  7. Fabri, Honore (1608-1688): Synopsis Optica; In Qua Illa Omnia Quae Ad Opticam, Dioptricam, Catoptricam Pertinent, Id Est, Ad Triplicem Radium Visualem Directum, Refractum, Reflexum, Breviter Quidem, Accurate tamen demonstrantur. Leiden: Boissat & Remeus 1667, S. 229.
  8. Duhamel, Jean Baptiste (1624-1706): Operum philosophicorum tomi duo. 1. Astronomia physica. Nürnberg: Johannes Zieger 1681.
  9. 1. Der hamburgischen Kunst-Rechnungs-lieb- und übenden Societät Kunst-Fruechte aus der Arithmetica, A. Erste Sammlung; darin so wohl allerhand Kunst-Fragen eroertert und folviret, als auch eine Anleitung gegeben wird zur genauen Erkaentnis und Erforschung der Prim-Zahlen, und Verwandlung der cossischen Aequationen, sammt einer Abhandlung musicalischer und mercatorischer Quaestionen, bey welchem letztern gewiesen, wie Algebra und Astronomie auch der Kaufmanschafft zu Nutzen kommen koennen, nebst einer Vergleichung verschiedener Ellen-Masse, und andern nuetzlichen Dingen dargestellt sind, auch mit noetigen Figuren und Register versehen. Hamburg: Hamb. Kunst-Rechnungs-Liebende Societaet 1723.
  10. Bernhard Friedrich von Krosigk (1656-1714) hatte sich in Berlin eine private Sternwarte gebaut. 1704 schickte er Peter Kolb (1675-1726) zu astronomischen Vermessungen ans Kap der Guten Hoffnung.