Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 24. März 1739
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 129, 1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 24. Martii
A.C. 1739.    

HochEdler und Hochgelehrter Herr,
Sonders Hochzuehrender Gönner
und werthester Freund!

Nachdem der jüngere Hl. Puschner allbereit zu Anfang des Octobers im vergangenen Jahr ein Schreiben an E. HochEdlen abgefertiget,[1] und selbiges den Hhl. Endterischen[2] zum Einschluß übergeben, so habe dann auch, zugleich mit, einige Zeilen beygefüget, da aber bishero von solchem Empfang nicht die geringste Nachricht erhalten, so nehme mir die Freyheit bey gegenwärtiger guter Gelegenheit, indeme Herr Apotheker Beurer nach Berlin abzugehen in procinctu stehet um allda mit Madm. Wernebergin Hochzeit zu halten[3] und dann in etlichen Wochen wieder (mit seiner Geliebtesten) nach Nürnberg in patriam zurück zugehen, noch ein anderes Schreiben an E. HochEdlen mit diesem Freund abzuschicken, dabey zuförderst melden muß, wie wohl sehr ungern, daß wie die Brieffe aus Venedig von einen guten Freund, (den 13. Martii datiret) vor etlichen Tagen mir haben zu vernehmen gegeben unser werthester Herr Manfredius zu Bononien an der Stranguria, mit großen Schmerzen, gestorben,[4] welche Nachricht mich sehr alteriret hat. Ob seine Institutiones astronomicae willig zum Stand gekommen, zweiffle sehr, immassen er mir den 30 Decembris des vorigen Jahrs, folgendes von diesem Wercke zum Bericht ertheilet "siquid mihi otii a morbo, quo angor atq; a curis, quibus discrucior (solche Sorgen mögen wohl seine dürfftigkeit, denn mein freund schreibet, daß er in Anmuth gestorben, welches das praemium[5] schon vieler rechtschaffener Astronomorum gewesen, verursacht haben) relinquitur, quod perraro accidit, id omne Instituionibus meis astronomicis absolvendis impendere jam diu decrevi quod opus dudum amicis compluribus pollicitus sum, neq; adhuc datum est, ut fidem meam liberem,

[Bl. 129,1v]
diesen Umständen nach ist fast zu glauben daß das schöne Wercke wohl nicht zum Stand gekommen, welches höchstens zu bedauern, inzwischen giebet mir dergleichen Exempel noch eine um desto größere Erwartung, daß ich meinen astronomischen Atlantem noch in diesem Jahr mit Gottes Hülffte zu absolviren einig und allein bedacht seyn möge,[6] welches leicht geschehen kan, weil wenig Tabellen mehr übrig, und die gutige beyhülffte guter Freund absonderlich E. HochEdlen, mir einen fülsamsten Vortheil geben sollte, als da ich z. E. allbereit die mehreste observierte Cometen von A. 1531. bis 1737. in zweyen Planisphäriis caelestibus angebracht, und ihre Anzahl auf 38 gelanget,[7] wie die hiebey gefügte specification zeiget, so mögte von E. HochEdlen gern vernehmen, (1) ob Ihm nicht noch andere, die zuverlässig innerhalb obbemeldter Zeit observiret worden, bekandt. (2) ob von denjenigen Cometen, die vorn mit einem N bezeichnet, E. HochEdlen nicht noch eine bessere Nachricht und mehre loca, als Hl. Cassinus in den Memoiren de l'Acad. R. des Sciences A. 1731. angesezet,[8] bekandt wären; um deren communication inständig Ansuchung thue, wobey mir ein sonderbarer Gefallen geschähe, daß solches bey dem in etlichen wochen übersenden Herrn Beurer geschehen könte, damit der Kupfferstecher um desto besser avanciren mögte, sollte E. HochEdlen auch zugleich in Ihrem schönen astronomischen Vorrath die bey einer Projection auf den Erdboden vorgestellte große Finsternis der Sonnen A. 1706 den 12 May zu Handen haben, wie schon in meinen wenigen Schreiben darum gebetten, wollte mir solche ad statum

[Bl. 129,2r]
inspiciendi bey eben dieser Gelegenheit ausgebetten haben, da mir mein Europa eclipsata keine satisfaction genugsam geben will.[9] Ich bitte nachmahlen gar inständig mich in beeden Stücken, wo es möglich, nicht zu verlassen, ich werde so bald keine Bemühung mehr geben, und mich zu andern diensten wiederum jederzeit parat finden lassen, auch meine Erkänntlichkeit mit Supplirung der noch manquirenden Tabellen, oder mit allen Tabellen, gar gern zeigen, da vorhin noch ein Schuldner vor den jährlich überschickten Societäts Calender (wie ich denn auch vor den lezten dieses Jahres viele obligation habe) und dann vor andre edirte piecen, in der That bin. Endlichen nehme auch die Freyheit um einen Brieff an Herrn Prof. Celsium, weil ich Ihme schon lang eine Antwort schuldig bin, und E. HochEdlen öffters an Ihn schreiben, mit beyzufügen und um dessen gute Beförderung bey einem Einschluß Ansuchung zu thun; habe Ihme auch den Todtesfall unsers lieben Hl. Manfredii berichtet, welches Ihne auch betrübt zu vernehmen seyn wird, weil Er eine geraume Zeit, bey seinem Auffenthalt in Italien, um Ihn gewesen.[10] Womit mich zu gutem Andencken empfehlend bestens verharre mit aller Hochachtung,

      Ew. Hochedlen
  meines Hochzuehrenden Gönners

P.S. Herr Beurer hat versprochen den Tag
anzudeuten, wann er wieder von Berlin abgehet,
um desto eher eine gütige Antwort von
E. HochEdlen erhalten zu können


ergebenster diener  
JG Doppelmayr MPP

Fußnoten

  1. Der Brief Puschners ist nicht überliefert.
  2. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  3. Der Nürnberger Apotheker Johann Ambrosius Beurer (1716-1754) stand "in procinctu" (in Bereitschaft), um in Berlin Johanna Dorothea, die Tochter des Apothekers Friedrich Werneberg zu heiraten.
  4. Eustachio Manfredi (1674-1739) starb am 15. Februar 1739 in Bologna. Die Strangurie (bzw. Dysurie) ist eine schmerzhafte Störung der Blasenentleerung.
  5. praemium: Auszeichnung.
  6. Doppelmayrs Himmelsatlas kam erst 1742 bei Homanns Erben heraus.
  7. Karte 28 des Himmelsatlasses zeigt Kometenbahnen am südlichen Himmel. In den Tabellen links und rechts sind 38 Kometenerscheinungen verzeichnet.
  8. Cassini, Jacques: Du Movement véritable des Cometes a l'&Ègard du soleil et de la Terre. Memoires für 1731 (1733), S. 299-346.
  9. Vgl. Doppelmayrs Karte:
    Geographica Representatio Europae die duodecimo Maii 1706 Eclipsatae / qua phasum Solis (in 12 digitos divisi) magnitudines quaevis, suis locis apparentes cum via totalis Umbrae / Europa Eclipsata / Europa Cristiani Orbis Domina In Sua Imperia, Regna Et Status exacte divisa. Nürnberg: Johann Baptist Homann 1707. 57 x 48 cm.
    Doppelmayr war mit seiner Karte nicht mehr zufrieden, da sie den Verlauf der Finsternis im Nordosten nicht richtig wiedergibt.
  10. Wie Manfredi selbst berichtete, hatte sich Celsius in Bologna vom 13. Oktober 1733 bis zum 8. April 1734 aufgehalten: "Anno 1733 Andreas Celsius Regius in Vpsaliensi gymnasio astronomus, ac scientarum academiae nuper ibi erectae a secretis, Bononiae cum moraretur ex die 13 Octobris quotidie cum per tempestatem liceret Soleni ad Divi Petronii observare instituit ad usque diem 8 Aprilis 1734, quo die Bononia discessit", vgl. Manfredi, Eustachio: De Gnomone meridiano Bononiensi. Bologna: Laelii a Vulpe 1736, S. 20.

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