Briefwechsel Erasmus Blank


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Blank, Erasmus (1677-1704)
Empfänger Scheuchzer, Johann Jacob (1673-1733)
Ort Paris
Datum 19. Januar 1702
Signatur ZB Zürich: Ms H 297, S. 17-18, 21
Transkription Hans Gaab, Fürth

Pariß 19. Jener 1702.

Monsieur et tres honoré Docteur,

Es wird mich Zweiffels ohne Selbiger einer grossen negligence beschuldigen, daß ich biß dato meinen promessen nicht besser nachgekommen, und eher mit einem schreiben aufgewartet habe, allein ich hoffe leicht excusirt zu seÿn, wenn mein Hyl. Hl. Doctor erst meine Entschuldigungen darob anhören wird. Es ist nunmehro 1. Monath, daß ich, dem Höchsten seÿ Danck, alhier zu Pariß glückl. arriviert bin, und meine guthen freunde auch gesund angetroffen, welche so bald ich solche nur gesprochen, gleich Anstalten gemacht, daß ich guther commodite überkommen habe, allein ich bin kaum etl. Tage hier gewesen, so muste ich schon mit meiner compagnie nacher Versalien gehen, da wir dann den König der Franken berühren und Chevaliers de St. Esprit[1] machen sehen, welches mir viel Zeit weggenommen, so daß ich nicht eher materie hatte die würthig war meinem Hyl. Hl. Doctor zu berichten, weilen ich wohl weiß, daß mit blossen Worten und complement Sie nicht zufrieden sind. Ich habe gleich beÿ meiner Ankuft gesucht mit berühmten Leuten in conversation zu kommen, um durchweg Gelegenheit zu haben etwas von Ihnen zu lernen, ist mir auch mein Unternehmen schon zieml. reüssiert, indem schon mit den berühmsten Leuthen, die mir unterkommen, bekandt worden, vornehmlich aber mit Mons. Homberg[2] premier chimique de l'Academie und Mons. Lemery,[3] als von welchem ersten ich schon ziemliche Sachen bekommen und noch überkommen werde. Er rühmet sehr das studium naturale, hat aber keine Zeit sich auf Selbiges zu legen oder zu practiren, Er hat mir auch inliegendes recept die Vögel zu conserviren gegeben, welches ich in discurs von Ihm begehret, weiß aber nicht ob solches meinem Hyl. Hl. Doctor anständig seÿn wird oder nicht; gestern hat Er mich auch versprochen ein Wasser zu geben, darinnen man Blumen und Sachen conserviren kan in ihrer Gestalt und Farb, wenn ich solches habe, werde nicht manquiren es meinem Hyl. hl. D. zu communiciren. Eben dieser Mons. Homberg hat eine phÿsique unter händen, die Er gantz nach ein andern fuß einrichten wird, ingleichen auch eine chimie, darinnen er alle andere bißhero gewöhnl. principia über den Hauffen stoßen und vera principia geben will, man wartet mit grossen Verlangen auf beede.[4] Die Anatomie betreffend, so ist biß dato noch nicht von Mons. Duverney[5] angefangen worden, indeme Er allzusehr interessiert ist, und keine da sind die Seinen Geitz sättigen wollen, Er hat vor einen cursum 50 Louis d'or begehrt, welche Er aber schwerlich bekommen wird; ich meinestheils laborire in dem L'Hotel de Dieu[6] beÿ meinem armen Anatomico, deme ich gantz allein 4. Louis d'or gebe, der mir aber so viel cadaver als ich verlange schaffen muß. Mons. Tournefort[7] ist noch nicht gekommen, man zweiffelt auch daß Er noch unter einem Jahr kommen wird, welches mich sehr verdrüßt, absonderlich weilen ich vernommen daß Er ein grosser Liebhaber studii naturales seÿe. Sonsten habe noch zu berichten wie daß ich in Straßburg Hln. D. Sebitzio[8] aufgewartet (Profession phÿsices u: Botanices.) Welcher ein über aus curieuser Mann ist absonderlich in physica experimentali, der auch groß aestim von meinem Hyl. Hl. D. machet, und muß ich gestehen daß ich noch niemahlen einen solchen grossen Vorrath von instrumentis phÿsicis, die darbeÿ guth und commod seÿn, gesehen hab, als

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eben beÿ demselben, Er hat mich gebetten meinen Hyl. hln. D. zu ersuchen mit ihm Correspondence anzustellen vornemlich in Botanicis, ich versichere Er wird möglichste Satisfaction geben; ich habe auch von Ihm Commission bekommen den phosphorum hinaus zuschicken, kan aber alhier keinen haben, bin aber von einem guthen freund berichtet w. daß man solchen am wohlfeÿlsten und besten zu Canstadt haben kan, alwo ein Laborant, der ein Verwandter Hln. D. Billigers[9] ist, seÿn soll der ihn praeparirt. Hln. D. Sebitzius kan Ihnen viel Experimenta Phosphori communiciren, indeme beÿ Ihm etl. Bögen voll gesehen. Ferner dienet auch zur Nachricht, daß aldorten in Straßburg ein artiges Museum von allerhand naturalibus, beÿ Hln. D. Berklers Seel. Erben,[10] zu verkauffen welches zwar nicht so viel werth als man es aestimiert, dennoch aber muß ich gestehen daß viele rare und schöne dinge, absonderlich quoad regnum mineralium darinnen sind, vor welche ein Liebhaber viel geben wird. Hln. D. Lavater[11] bitte zu berichten, daß ich hier einen überaus guthen Kerl angetroffen der die Hand mache allein die once nicht anderst als vor 9 livres, nemlich 4½ livres vor das Silber und 4½ vor die facon, wenn Er nach welche verlangte, so sollte Er mir durch meinen Hyl. Hl. D. melden lassen wie viel er haben wollte, und von was von einer größe von Weibs- oder Mannes Persohnen, und mit was vor Gelegenheit ich solche übersenden sollte, so würde ich alsdann nicht manquiren allen sachen auf das beste nach zu kommen. Die von Hln. D. Kramer[12] mir aufgetragene Commission habe nach Vermögen verrichtet betaure nur daß ich keine Antworth gleich habe erhalten können, allein Sie haben mir versprochen mit allerehesten an Ihn zu schreiben, bitte inzwischen mein unterthänigsten Respect beÿ Ihm zu vermelden und zu versichern daß ich jederzeit zu deßen diensten parat leben werde, wo er mich anderst capable finden wird solche zu verrichten. Die Bücher sind alhier sehr wohlfeÿl, weilen das Geld sehr beÿ denen Hln. Frantzosen mangelt absonderlich was in Latein geschrieben, es könte sich einer um wenig Geld eine schöne Bibliotheque kauffen wenn der Fuhrlohn nicht zu fürchten wäre. Ich habe Gesneri Thier- Vögel und Fisch Buch, die jenige edition die auf Bibliotheca Tigurina[13] ist gantz schön vor 3. Livres gekaufft, auch noch unterschiedl. schöne alte rare anatomicos, hätte auch grossen Lust mehrere zu kauffen, allein der fuhrlohn hält mich ab. Ich habe den Agricolum de Mineralibus (in folio zu Basel beÿm Frobenius gedruckt)[14] angetroffen welcher aber schon ziemlich alt ist, mögte wissen, ob es die rechte editon wäre oder nicht. Sonsten könnte mich mein Hyl. Hln. D. sehr obligiren, wenn Er mir von etl. raren büchern sowohl in anatomici, chirurgici, als Historia naturali, die auch in Teutschland nicht zu haben sind, einige Ihren Hln. Bruder aufsetzen ließ, so daß ich nach solchen hier mit Gelegenheit fragen, und wo solche zu haben mir anschaffen könnte, denn denen Hln. Frantzosen anjetzo ist alles ums Geld feÿl, ich habe auch promessen den Aldrovandum mit dem Museo[15] zu überkommen. Inzwischen bitte beÿ allen bekandten, in specie beÿ deßen Frl. Mutter, Frl. Liebst, Jfr. Schwestern, Hln. Bruder, Mons. von Schönau,[16] Mons. Ott[17] meine Recommendation zu machen, und Sie sonstl. meiner wenigen dienste zu versichern. Meinen Hyl. Hln. Doctor empfehle ich jederzeit dem Göttl. Schutz und Obhuth und verbleibe

Monsieur et tres honoré
Docteur      
Votre tres obeissent S.
Blanck.      

P. S. beÿ Hln. Doctoribus Muraltis[18] u: Lavatero bitte meinen unterthänigsten respect zu vermelden. Ob der Catalogus Lapidum figuratorum[19] gedruckt worden mögte gerne wissen.

NB. Ob Joh. Bauhin[20] alhier noch zu bekommen u: wie viel sie werth seÿ zu kauffen

NB. Von hiesigen Zeitungen bitte nichts zu melden, weilen die Brieff nicht alzu sicher sind u: werden sie öffters eröffnet.

[S. 21]

Beilage 1

Die Adresse ist: à l'Hotel de Navarre dans
la rue d'Anjou per de la rue Dauphine

à     Paris


der Alvarandus ist in 13. Vol. zu verkauffen, mögte
wissen, wie hoch ich solchen nehmen sollte, daß es
der Mühe werth wäre hinaus zu schicken.

 

Beilage 2

Allerleÿ Vögel mit Feder und Fleisch zu conserviren
Rc. Zapfen von rothen buchen mj. Culus vid. einen Löffel Salz
Ingber, Pfeffer an 1 Löffel voll, Urin gestossen, den
Vogel damit allenthalben gestopfft u: aufgestellt, wie man
will, man reibet auch außwendig unter denen federn das
fleisch damit an, setze es in einen Back-Offen und laß
es in gelinder Wärme miteinander trocknen.


Fußnoten

  1. Der 1353 gegründete Orden vom Heiligen Geist war der bedeutendste Ritterorden Frankreichs.
  2. Wilhelm Homberg (1652-1715) war ein deutscher Naturforscher in französischen Diensten.
  3. Nicolas Lémery (1645-1715) war ein französischer Chemiker und Mediziner.
  4. In den Memoires der französischen Akademie von 1702 finden sich Essais de Chymie von Homberg, S. 33-52, größere Arbeiten zu Physik oder Chemie sind von ihm nicht bekannt.
  5. Joseph-Guichard Du Verney (Duverney, 1648-1730) war ein französischer Anatom und Chirurg.
  6. Das Hôtel-Dieu ist eine ehemaliges Pariser Krankenhaus.
  7. Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708) war ein französischer Botaniker und Forschungsreisender.
  8. Der Mediziner Melchior Sebitz (Sebitius, Sebisch, 1664-1704) war Professor in Straßburg.
  9. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  10. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  11. Johann Heinrich Lavater (1645-1719) war Arzt in Herrliberg südlich von Zürich.
  12. Johann Jakob Cramer (1673-1702) war Professor für orientalische Sprachen in Herborn. Gesundheitlich angeschlagen kehrte er 1701 in seine Heimatstadt Zürich zurück, wo er am 9. Februar 1702 starb.
  13. Conrad Gessner (1516-1565) war ein Schweizer Arzt und Naturfoscher. 1575 erschien sein Fisch-Buch in deutscher Übersetzung von Conrad Forer bei Christoph Froschauer in Zürich, 1582 folgte sein Vogel-Buch, 1583 sein Thierbuch.
  14. Georg Agricola (1494-1555) gilt als Vater der Mineralogie. Gemeint ist hier wahrscheinlich sein Hauptwerk De re metallica libri XII, das 1556 in Basel bei Hieronymus Frobenius erschien.
  15. Ulisse Aldrovandi (Ulysses Aldrovandus, 1522-1605) war ein italienischer Arzt und Naturforscher. 1648 erschien sein Musaeum Metallicum, das 1701 in Leipzig neu aufgelegt wurde.
  16. Johann Heinrich von Schönau (1649?-1729) war ein reformierter Theologe.
  17. Vermutlich Johann Heinrich Ott (ca.1678-1724), der als Doktor der Medizin und Philosophie starb.
  18. Johannes von Muralt (1645-1733) war Anatom und Chirurg in Zürich.
  19. Scheuchzer, Johann Jacob: Specimen Lithographiae Helveticae Curiosae: quo lapides ex figuratis Helveticis selectissimi aeri incisi sistuntur & describuntur. Zürich: Gessner 1702.
  20. Johann Bauhin (1541-1612) war ein Schweizer Arzt und Botaniker.