Briefwechsel Erasmus Blank


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Blank, Erasmus (1677-1704)
Empfänger Scheuchzer, Johann Jacob (1673-1733)
Ort Nürnberg
Datum 6. Juni 1703
Signatur ZB Zürich: Ms H 297, S. 33-36
Transkription Hans Gaab, Fürth

Monsieur mon tres
honoré Docteur,

Es wird Selbiger zweiffels ohne die Antworth von Hln. D. Lochner[1] auf Ihr vielgeliebtes welches ich Ihm wohl übersandt, inzwischen erhalten haben, bedaure daß ich nicht eher meine Schuldigkeit abtragen und mit einem Brieff aufwarten können. Es gehet mir überaus fatal mit meinen besten Bücher die ich in Pariß angeschaffet indeme solche biß dato noch in Schaffhausen stehen und nicht können hierher geschickt werden auß furcht vor denen Kaÿserl. Päßen weilen lauter französische Wahren; nun habe die gantze Zeit über geglaubt, es mögte etwas besser wären, und meine Verehrten Hl. D. keine ungelegenheit verursachen wollen; allein weilen es aussiehet daß es eher schlimmer als besser wird, so werde gezwungen die freÿheit zu nehmen und selbige Kästen wiederum zurück an meinen Hyl. Hl. D. nachher Zürich gehen zu lassen, weilen ich weiß daß selbige alsdorten besser als beÿ bemelden aufgehoben seÿn wird, was Selbiger vor Unkosten darbeÿ

[S. 34]
haben wird, bitte mir nur zu manquiren, welche ich hernachmahls mit schuldigem Danck abtragen werde. Dieses einige Bitte, selbige, so bald sie ankommen wird, zu eröffnen, und vornehmlich nach den Paquet Kisten? zu sehen welche von Mons. Tournefort[2] am Mons. Volckamer[3] sind gesand worden, damit etwan selbige nicht zu schanden gehen; der bücher können Sie sich nach Ihrem Gefallen bedienen und so etwann Gelegenheiten bißweilen hirher gangen absonderlich durch Kauffleuthe, die beÿliegende Manuscripta und Collegia mir zu senden, die ich gerne haben mögte. Vor die Kupffer Stuck habe ebenfals grosse Sorg getragen, daß sie mögten Schaden leÿden, weilen sie aber anjetzo von Ihnen eröffnet werden, so weiß ich schon daß sie wohl aufgehoben sind, weilen Sie alhier einem Vornehmen Mann zugehören der viel Geld darauf gewendet der Ihnen grosse obligation haben wird, sollten wir denn bald bessere Zeiten bekommen (welches Gott geben wolle) so werde alsdann schon berichten mit was vor Gelegenheit selbige anhero könnten gesand werden. Neues weiß so viel nicht zu berichten als daß es in unserer Nachbarschafft recht schlimm

[S. 35]
außsiehet und von nichts als Krieg und Kriegsgeschreÿ hören, so daß wir auch täglich in Furchten stehen maßen es werde uns auch treffen, doch haben wir Gott noch so viel zu dancken, daß uns solches biß dato noch nicht betroffen, da es schon schlimm ausgesehen und jezt gemeines? unsere schöne Landschafften mögten eben so wie viele andere benachbarte herhalten müßen, allein die Göttl. Hand ist noch jederzeit über uns gewesen, auf welche wir noch einig und allein unsere Hoffnung setzen. Vergangene Woche hat es alhier eine kleine rencontre[4] zwischen denen Baÿrischen und denen unsrigen, die vor den Rothen Berg sind, gesetzt da die erstern den Rothen Berg entsetzen wollen, allein die unsrigen als sie solches erfahren, sind Ihnen entgegen gegangen, und haben beÿ die 1000. Mann von denen Baÿrischen so wohl blessirt als niedergemacht, der unsrigen aber sind nicht mehr als 160. tod und plessirt ungeachtet sie 24. Compl. stärker als wir waren darunter aber General Janus blessirt und Oberst WachtMeister Holtzschur getödet worden, sie stehen wiederum sehr nahe beÿsammen, als daß man wiederum täglich von etwas hören wird.[5] In Ihrer Nachbarschafft siehet es ebenfals schlimm auß, und wundert mich sehr daß die Hln. Schweitzer so zu sehen und sich so nahe auf den Halß auf allen Seiten kommen lassen, als daß Sie gäntzl. von dem Frantzos umringet.

[S. 36]
Vergangene Woche ist ein Holländischer Gesandter beÿ uns angelanget; der dem Kreÿß grosse Promessen thut, wann er beÿ der alliance bleibt und die neuralität nicht angreifft, es gehet auch im Werck daß hiesige reformierte eine Kirch in der Stadt oder Vorstadt bekommen sollen, um die protestirende Religionen mehr und mehr zu vereinigen, welches vieles Nachdencken verursachen wird. In re literaria ist das neueste Becheri physica subterranea c. annotationibus Stahlii[6] id[em]: Hoffmanni dissertatio de balsamo Peruviano[7] als übrige wird Ihnen schon selbsten aus den catalogo bekand seÿn. Wenn es sicher zu reÿßen seÿn wird dürfte wohl Mons. Klerd,[8] den Hl. D. Geßner[9] wohl kennet, bald nacher Zürich zu Ihnen kommen, deßen Hl. Vatter auch unlängst ersuchet von ein und dem anderen Ihm zu berichten, sollte denn die gefaßte resolution bleiben, so wird deßen Hln. Vatter wohl selbsten an meinen Hyl. Hln. D. schreiben. Von Mons. Weßer[10] habe der Zeit nicht das geringste erfahren können, habe kürtzl. Hln. D. Finkler,[11] welcher zu Coburg Hoff-Rath worden, commission geben sich aldorten zu erkundigen der mir versprochen fleissig deßwegen nachzufragen, so bald als ich etwas erfahren sollte, wollte Nachricht davon geben. Schlüßl. bitte beÿ deßen Frl. Liebsten Frl. Mutter, Jfr. Schwestern, Hln. Bruder, lieben Kinder und allen bekandten meine recommendation zu machen. Selbigen aber empfehle jederzeit in Göttl. Schutz und Schein verbleibend

Monsieur et tres honoré
Docteur            

Nürnb. 6. Junij 1703.

Votre tres humble S.
Blanck.

P.S. Diesen Augenblick habe vernommen daß Hl. D. Zwinger[12] hirdurch nacher Berlin gereÿßet, habe aber die Ehre nicht gehabt Ihn zu sprechen, welches mich sehr verdrußt.


Fußnoten

  1. Michael Friedrich von Lochner (1662-1720) war Physicus in Nürnberg. Ab 1711 war er Director Ephemeridum der Leopoldina und damit für die Herausgabe von deren Schriften zuständig.
  2. Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708) war ein französischer Botaniker und Forschungsreisender.
  3. Johann Christoph Volkamer (1644-1720) war ein Nürnberger Kaufmann und Botaniker. Zu den übersandten Samen siehe den Brief an Scheuchzer vom 6. Juni 1703.
  4. rencontre: Treffen.
  5. Die Festung Rothenberg bei Schnaittach östlich von Nürnberg war damals von den Kaiserlichen Truppen besetzt und wurde von den fränkischen Truppen belagert.
  6. Becher, Johann Joachim; Stahl, Georg Ernst: Physica subterranea. Leipzig: Gleditsch 1703.
  7. Hoffmann, Friedrich (Praeses); Lehmann, Immanuel (Respondent): Dissertatio Medica Inauguralis de balsamo Peruviano, eiusque viribus et usu. Halle: Johann Gruner 1703.
  8. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden, Namenschreibweise unsicher.
  9. Christoph Gessner (1637-1709) war Pfarrer zu Wangen.
  10. 1700 immatrikulierte sich ein Johann Caspar Waser in Altdorf, der Mitte 1701 wegen eines Duells Altdorf verlassen musste.
  11. Der Jurist Johann Martin Finck (1648-1711) verließ 1689 Nürnberg und ging nach Coburg.
  12. Theodor Zwinger (1658-1724) war Mediziner und Hochschullehrer in Basel.