Briefwechsel Johann Heinrich Müller
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Müller, Johann Heinrich (1671-1731) |
Empfänger | Scheuchzer, Johann Jacob (1673-1733) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 1. November 1708 |
Signatur | ZB Zürich: Ms H 298, S. 155-157 |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Vir Nobilissime, Experimentissime, atque Excellen-
tissime, Dn. Fautor & amice Hono-
ratissime!
Indeme immer meine Schuldigkeit in Beantwortung dessen werthen vom 23 Jul. zu beantworten gedenke, u. nur die Zeit erwarte, bis ich zugleich etwas von meinen geringen observationibus zu examinieren Gelegenheit habe, so bekomme ich inzwischen gegen dieselbe eine neue Obligation, wegen Übersendeung dero schönen Tractätgen de Querelis & Vindiciis Piscium,[1] in welchem die neue[?] argumentorum, der pathetische stylus u. die eleganz der so naturell vorgestellten iconis gleichsan miteinander in die Wette zu streiten scheinen, u. nicht allein mich, sondern auch andere Liebhaber insonderheit Hl. D. Schoder, höchstens vergnüget. Dieser würde sich zur Ausfertigung der Marsilianischen Arbeit, worzu er derzeit zwar schlechte reflexion zu machen scheinet, wol endlich noch bequemen, wenn er nur nicht an glücklichen Aus-
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führung des Hln. Grafen seinen desseine selbst noch so
sehr kleinte[?].[2] Einmal scheint diese Arbeit so curieus zu
seÿn, daß, wenn auch schon D. Schoder nicht wäre, jedoch
sich wol ein ander alhier darzu zu appliciren nicht ermangeln
würde. Doch ist er curieus zu vernehmen, ob der Hl.
Bruder wol auf seÿ, u. warum dieser solche Arbeit nicht auf
sich nehme? Wann Hl. Graf Marsigli wieder nach
meinem Bruder fragen solte, so dienet zur Nachricht, daß
er jezt in würklicher Bereisung der Kayserl. Erbländer
begriffen, u. in specie jetzt in Mähren sich befinde,[3] alwo
er kürzlich zu Jarmeritz[4] die Eclipsin ☉ observirt,
u. selbige wol in kurzem im Druck gemein machen
dürffte, u. habe ich in ante cessum so viel Nachricht, daß
er die größte Verfinsterung ein wenig über die Helffte
beÿ schönstem Wetter observiert,[5] auch sonsten in allem von
erwünschtestem Sucess seiner Arbeit berichtet.
Wir haben alhier an dem Tag der Eclips. ☉ so trüb
Wetter gehabt, daß ich kaum so viel, als sie in gegenwärtigem
Schemata sehen, u. zwar nur raptim
erlangen können,[6] deßwegen ich sie auch nicht
für gar exact ausgeben kan. Ich stelle es zu dero belieben,
ob sie dieselbigen samt der übrigen observation
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der Eclips. ☽ u. der macularum ☉ der venerablen Societät
zu communiciren für würdig erachten. Ubrigens
empfehle M. Hochwerthesten Gönner samt allen
Angehörigen in den Göttl. Schuz u. verbleibe
Celeberrimi Nominis Tui
Nürnberg den 1 Nov. 1708.
Cultor observantissimus
M. J. H. Müller
P. P.
Fussnoten
- ↑ Scheuchzer, Johann Jacob: Piscium querelae et vindiciae. Zürich: Gessner 1708. Von dieser Arbeit gab es auch eine deutsche Ausgabe.
- ↑ Im Brief vom 16. Juli 1708 war von Marsiglis Arbeit zum Mittelmeer
die Rede, die aber erst 1725 herauskam:
Marsigli, Ferdinando Luigi (1658-1730): Histoire physique de la mer. Amsterdam: Aux dépens de la Compagnie 1725. - ↑ 1714 brachte Johann Christoph Müller seine Karte von Mähren heraus.
- ↑ Jarmeritz ist heute die westlich von Brünn gelegene tschechische Stadt Jaroměřice nad Rokytnou.
- ↑ Am 14. September 1708 fand eine Sonnenfinsternis statt. Eine Veröffentlichung von Johann Christoph Müller darüber ist nicht bekannt.
- ↑ Auch Johann Philipp von Wurzelbau
berichtet im Oktober 1708 an Kirch, dass er die Sonnenfinsternis vom 14. September wegen schlechten Wetters
kaum beobachten konnte.
Vgl. Herbst, Klaus-Dieter: Die Korrespondenz des Astronomen und Kalendermachers Gottfried Kirch. Band 2. Jena: IKS Garamond 2006, S. 540f. - ↑ Über Scheuchzer fanden Müllers Beobachtungen Eingang in die Memoires
der französischen Akademie:
Cassini, Jacques: Observations des Eclipses de la Lune & du Soleil faites à Nuremberg pendant l'année 1708. Memoires 1709, S. 62f..