Briefwechsel Johann Heinrich Müller


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Müller, Johann Heinrich (1671-1731)
Empfänger Scheuchzer, Johann Jacob (1673-1733)
Ort Altdorf
Datum 26. Dezember 1710
Signatur ZB Zürich: Ms H 298, S. 159-162
Transkription Hans Gaab, Fürth

Vir Celeberrime, Fautor & Pa-
trone Honoratissime!

Durch die Gütigkeit eines guten Freundes in Nürnberg nehme die Gelegenheit gegenwärtiges geringes Pacquet zu übersenden, und zugleich den schon lang schuldigsten Danck zu erstatten vor das so schöne Herbarium Diluvianum,[1] so ich von Mr. Casp. Brunner V. D. M.[2] den 25 Jun. alhier in Altorf zu meinem großen Vergnügen erhalten. Ich wünsche dessen neue edition der Naturwissenschafft bald zu sehen, als von welcher besagter Hl. Brunner Hoffnung gemacht, daß sie bald viel vermehrter werde herauskommen.[3] Zu einigen teutschen Bögen, so bey etl. wochen her successive heraus gegeben worden, der Neue Bücher Saal

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genannt, ersehe ich auch mit freuden die herrl. Anstalten des Hl. Graf Marsigli zu Bononien in Aufrichtung eines Studij Universalis, wodurch er von neuem in Orbe Literato revivisieret.[4] Von meinem Bruder, welcher bey einigen Jahren her die Kayserl. Erblande, u. jezt in specie Mähren per omnes angulos[5] durchwandert, um alles in accurate Land-Charten zu bringen, wobey er auch zu mehrer Richtigkeit in den vornehmsten Städten Observationes Coelestes anstellet,[6] bekomme ich dann u. wann verschiedene Curiosa naturalia von allerhand Mineralien, Mährischen Rubinen u. Diamanten, deren er ganze Berge findet, gloss petris,[7] auch andere curieusen Observationibus

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von Bergwerken, Marmor-Brüchen, Stülen, Fontibus Medicata etc., so daß ich hoffe er werde bey diesem seinem εργω [Werk] noch so eine ziemlich Historiam naturalem oder ein παρεργω [Nebenwerk] mit der Zeit zusammen bringen. Die große sehr accurate u. von den anderen gemeinen der situation der Donau nach merklich abgehende Land-Charte von Ungarn auf 4 großen Platten, so er im vorigen Jahr herausgegeben,[8] wird vielleicht schon bekandt seyn. Unter andern befahl er mir einsten in einem Schreiben seinen dienstl. Gruß an M. Hochgeehrsten Hln. zu vermelden. Die Ursach meiner Veränderung, daß ich nun seither dem Ende des Febrarij in Altdorf bin, ist, daß

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Hl. D. Lang Theol. D. u. Professor von hier in Königl. Preußische dienste nach Prenzlau als Inspector oder Superintendent gekommen,[9] da dann die Succession auf Hl. D. Baiern, u. von diesem auf mich gekommen. Das Observatorium in Nürnberg versiehet jezt Hl. P. Doppelmaier. Künfftiges Frühjahr haben wir Hoffnung auf hiesigem Collegio auch eines zu bekommen,[10] inmassen das Holz albereit darzu angeschafft, u. ausgeschlagen ist. Ich wünsche Glückl. Beschluß des alten u. fröhlichen Eintritt in das N. Jahr, u. verbleibe unter Göttl. Gnaden-Ergebung

Celeberrimi Nominis Tui

Altdorf ♀ d. 26 Dec.
    1710

Cultor Perpetuus
Joh. Henr. Müller
P. P.    


Fussnoten

  1. Scheuchzer, Johann Jacob: Herbarium Diluvianum. Zürich: Gessner 1709.
  2. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden. "V. D. M." ist die üblich Abkürzung für Verbi Divini Minister, also Pfarrer.
  3. Scheuchzer, Johann Jacob: Physica oder Natur-Wissenschaft.
    1. Auflage Zürich: Bodmer 1701. Band 1; Band 2
    2. Auflage Zürich: Bodmer 1711. Band 1; Band 2
  4. Neuer Bücher-Saal der gelehrten Welt oder Ausführliche Nachrichten von allerhand neuen Büchern und andern Sachen, so zur neuesten Historie der Gelehrsamkeit gehören.
    Darin S. 262-264 ein Bericht über das Vorhaben von Graf Ferdinando Luigi Marsigli (1658-1730).
  5. Scheuchzer, Johann Jacob: Herbarium Diluvianum. Zürich: Gessner 1709.
  6. 1714 brachte Johann Christoph Müller seine Karte von Mähren heraus.
  7. Laut Zedlers Universal-Lexicon (Band 10, Sp. 1697) sind Glossopetra "dreyeckigte, zugespitzte, aschen=farbige Steine".
  8. 1709 brachte Johann Christoph Müller seine Karte von Ungarn heraus.
  9. Johann Michael Lang (1664-1731) war bis 1709 Professor für Theologie in Altdorf. Im September 1709 wurde er aber als den Pietisten nahestehend seines Amtes enthoben. Er wurde daraufhin Pfarrer und Inspektor in Prenzlau, wo er 1731 starb.
  10. 1713 konnte Müller das neue Observatorium mit einer feierlichen Rede offiziell einweihen.