Johann Praetorius
Professor für Mathematik in Altdorf, bedeutender Instrumentenbauer und Astronom.* 1537 in Joachimsthal[1] ; † 27.10.1616 in Altdorf
- Vater: Paul Richter, Hüttenschreiber in Joachimsthal (1490?-10.01.1559).
- Heirat: 22.09.1579 in Altdorf,[2] Helena Siegel (?-10.02.1636[3]), Tochter des Diakons Georg Siegel[4] (?-17.05.1573) an der Egidienkirche.
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Kinder: 2 Söhne, 7 Töchter, von denen nur zwei Töchter die Mutter überlebten.
- Hinweis: Von den 9 Kindern sind 7 in den Taufverzeichnissen von Altdorf nachweisbar:
1. Kind: Maria 06.12.1587-? Taufen Altdorf 1576-1594, Bl. 82r, Nr. 775 2. Kind: Andreas Johannes 25.11.1588-? Taufen Altdorf 1576-1594, Bl. 89v, Nr. 26 3. Kind: Helena 30.06.1592-? Taufen Altdorf 1576-1594, Bl. 123r, Nr. 551 4. Kind: Martha 19.01.1594-? Taufen Altdorf 1576-1594, Bl. 139r, Nr. 847 5. Kind: Ursula 01.06.1595-1640 Taufen Altdorf 1595-1613, S. 6, Nr. 32
Leichpredigt auf W. Ludwell von Ernst CregelUrsula heiratete am 15.10.1616 den Altdorfer Juristen Wilhelm Ludwell (1589-1663). 6. Kind: Anna Maria 24.09.1596-? Taufen Altdorf 1595-1613, S. 51, Nr. 270 7. Kind: Maria Magdalena 29.04.1600-13.04.1641 Taufen Altdorf 1595-1613, S. 179, Nr. 938
Seifert: Stammtafeln 2, 1723, Nr. 36Maria Magdalena heiratete den Regensburger Juristen Sigmund Wendler (ca. 1507-1655).
Lebenslauf:
Ab 1557 studierte Johann Praetorius Philosophie und Mathematik in Wittenberg. Nach dem Erwerb des Magistertitels hielt er sich von 1562 bis ca. 1569 in Nürnberg auf, wo er für die Herstellung mathematischer und astronomischer Instrumente bekannt wurde. 1569 verließ er Nürnberg, angeblich in Richtung Prag und Wien. Noch in diesem Jahre lernte er den kaiserlichen Rat Andreas Dudith (1533-1589) in Krakau kennen, wo er auf Rheticus (1514-1574) traf. Im folgenden Jahr folgte er dem Ruf an die Universität Wittenberg als Professor für höhere Mathematik, musste aber nach dem Sturz der Philippisten in Sachsen seinen Lehrstuhl räumen. Durch Vermittlung seines Bruders Paul (?-1584[5]), der Rektor der Sebalder Schule in Nürnberg war, erhielt er 1576 den Mathematiklehrstuhl in Altdorf, wo er bis zu seinem Lebensende 1616 blieb.
Wirken:
Die Sonnenuhren am Altdorfer Kollegienhaus. |
Im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg haben sich die folgenden Instrumente von Praetorius erhalten: Eine Büchsensonnenuhr von 1566, je ein Himmels- und Erdglobus von 1566, ein Astrolab von 1568, ein Sonnenquadrant von 1571, ein Torquetum von 1568 und eine Würfelsonnenuhr von 1562. Sie sind alle im Behaimkatalog von 1992 abgebildet. Seine besondere Vorliebe galt Sonnenuhren, von ihm dürften die Sonnenuhren am Altdorfer Universitätsgebäude stammen. Er versuchte den Jakobsstab und den Quadranten zu verbessern. Umstritten ist, ob er in der Geodäsie tatsächlich der Erfinder des Messtisches ist, mit dem an Ort und Stelle maßstabsgetreue Landkarten gezeichnet werden konnten. |
Dass Praetorius äusserst praktisch veranlagt war, zeigt zum Einen, dass Altdorf im die Einrichtung der ersten Wasserleitung verdankt, mit der Wasser von Pühlheim nordöstlich von Altdorf in die Stadt geleitet wurde. Zum Anderen entdeckte er einen wesentlich kürzeren Weg von Altdorf nach Nürnberg: War man vorher von Altdorf über Lauf nach Nürnberg gelaufen, führte der neue Weg über Birnthon und Fischbach.
Neben dem Abhalten von Vorlesungen zur Astronomie war seine Aufgabe das Schreiben von Kalendern und Prognostiken. Kalender verfasste Praetorius Jahr für Jahr bis zu seinem Tod, seine Prognostiken fielen allerdings sehr kurz aus. Ab 1585 ließ er sie wohl ganz weg, obzwar er vom Nürnberger Rat aufgefordert wurde, sie weiterhin zu verfassen. Er lehnte die Astrologie ab, bezog allerdings nie öffentlich Stellung dazu.
Abgesehen von seinen Kalendern kamen zu seinen Lebzeiten nur zwei Schriften von ihm heraus: 1578 nahm er zum Kometen des Vorjahres Stellung und 1598 veröffentlichte er über Sehnenvierecke. Daneben vererbte er seinem Nachfolger Petrus Saxonius (1591-1625) zahlreiche Manuskripte, die dieser weiter anreicherte. Sie befinden sich in den Bibliotheken von Schweinfurt, Erlangen und München und wurden bis heute nicht systematisch ausgewertet. Aus den Manuskripten geht aber hervor, dass sich Praetorius mit einer Vielzahl von geometrischen und astronomischen Problemen befasste.
Wie viele Wittenberger Astronomen lehnte Praetorius zwar das heliozentrische Weltsystem ab, bewunderte aber die mathematischen Leistungen des Nicolaus Copernicus (1473-1543). Er kannte das System von Tycho Brahe (1546-1601), das "nit allenthalben zuverwerffen" sei, doch lehnte er es ebenfalls ab. Sein Ziel war, die Verbesserungen, die Copernicus erzielt hatte, auf der Basis des ptolemäischen Weltbildes zu leisten. In seinen Vorlesungen stellte er des öfteren dem ptolemäisches Weltbild das heliozentrische gegenüber. Zofia Wardeska zog daraus den Schluss, dass Altdorf "ein Zentrum der astronomischen Forschung war und deswegen nicht ohne Bedeutung sein kann für die Ausbreitung der copernicanischen Theorie um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert."
Ausgewählte Werke:
- De cometis, qui antea visi sunt, et de eo,
qui nouvissime mense novembri apparuit, narratio. Nürnberg: Gerlach & Montanus 1578
- Deutsche Fassung
- Narratio Oder Historische erzelung dern Cometen. Nürnberg: Gerlach und Berg 1578
- Tycho Brahe über die Beobachtungen von Praetorius
- Schreibkalender auf 1587 [BSB München]
- Problema, quod iubet ex qvatvor rectis lineis datis qvadrilaterum fieri, quod sit in circulo, aliquot modis explicatum. Nürnberg: Valentin Fuhrmann 1598
- Varel, Edo Hilderich von: Gemini Probatissimi Philosophi, Ac Mathematici
Elementa astromoniae Graece et latina.
Altdorf: Lochner & Hofmann 1590
- Wie aus der Vorrede hervorgeht hat Hildericus (1533-1599) dieses Buch auf Bitten von Praetorius hin ins Lateinische übersetzt, auch hat Praetorius für die Drucklegung gesorgt.
- Griechisch-deutsche Übersetzung von Manitius von 1898 (pdf-Datei)
- Manuskripte
- Fundamenta operationum quae fiunt per tabulas Prutenicas Erasmi Reinholdi Salueldensis. UB Erlangen: Ms 821
- Fundamenta operationum quae fiunt per tabulas Prutenicas Erasmi Reinholdi Salueldensis. UB Erlangen: Ms 822
Literatur:
- Bott, Gerhard (Hrsg.): Focus Behaim Globus. 2 Bde. Nürnberg: Verlag des Germanischen Nationalmuseums 1992
- Doppelmayr, Johann Gabriel: Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1730, S. 83-90
- Folkerts, Menso: Johannes Praetorius (1537-1616) - ein bedeudenter Mathematiker und Astronom des 16. Jahrhunderts. In: Dauben, Joseph; Folkerts, Menso; Knobloch, Eberhard; Wußing, Hans: History of Mathematics. States of the Art. San Diego: Academic Press 1996, S. 149-169
- Kästner, Abraham Gotthelf: Geschichte der Mathematik, Bd. 3. Göttingen: Rosenbusch 1799, S. 297-299
- Matthäus, Klaus: Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Frankfurt a.M.: Buchhändler-Vereinigung 1969, Sp. 1044-1047
- Müller, Uwe (Hrsg.): 450 Jahre Copernicus De revolutionibus. Astronomische und mathematische Bücher aus Schweinfurter Bibliotheken. Schweinfurt: Stadtarchiv 1993
- Simon, Matthias. Nürnbergisches Pfarrerbuch. Nürnberg: Selbstverlag des Vereins für Bayerische Kirchengeschichte 1965
- Wardeska, Zofia: Die Universität Altdorf als Zentrum der Copernicus-Rezeption um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Sudhoffs Archiv 61/2, 1977, S. 156-164
- Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Bd. 3. Nürnberg: Lorenz Schüpfel 1757, S. 225-231
- Würfel, Andreas: Diptycha Ecclesiae Sebaldinae, das ist: Verzeichnuß und Lebensbeschreibungen der Herren Prediger Herren Schaffer und Herren Diaconorum / welche seit der gesegneten Reformation biß hieher an der Haupt= und Pfarr=Kirche bey St. Sebald in Nürnberg gedienet haben. Nürnberg: Christoph Melchior Roth 1756
Links:
Zur Biographie von Praetorius- Neue Deutsche Biographie
- Zedlers Universallexikon
- Apin, Sigismund Jacob: Vitae Professorum Philosophiae. Nürnberg: Tauber 1728
- Eintrag zu Praetorius im Biobibliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750
- Mathesius, Johannes: Postilla Prophetica. Leipzig: Beyer 1589;
darin S. 68
das Todesdatum des Vaters von Praetorius.
Johannes Mathesius (1504-1565) war der Bruder der Mutter von Praetorius. - Zwei Briefe von Praetorius an Georg Michael Lingelsheim (1556-1636). In: Mieg, Ludwig Christian; Nebel, Daniel: Monumenta pietatis et literaria, Teil 2.Frankfurt a.M.: Sande 1701, S. 121-128 [BSB München]
- Scheiner, Christoph: De Maculis solaribus et stellis circa Iovis errantibus accuratior Disquisitio. Augsburg: Ad insigne pinus 1612, S. 41 (Belegstelle, dass Praetorius als Mathematiker für den Kaiser gearbeitet hat)
- Zwei Briefe von Andreas Dudith an den Nürnberger Senat und an Hieronymus Baumgärtner (1535-1602) vom Juli 1576 mit der Bitte um Unterstützung für Praetorius. In: Hummel, Bernhard Friedrich: Celebrium Virorvm Cvm Norimbergensivm Tvm Aliorvm Qvoqve Epistolae Ineditae LX. Historico-Ecclesiastici Ac Literarii Potissimvm Argvmenti. Nürnberg: Bauer 1777, S. 26-30
- Himmelsglobus
von 1566, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI2.
- Aufnahme von Wolfgang Sauber.
- Erdglobus
von 1566, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI3.
- Erdglobus von 1568, Mathematisch-Physikalischer Salon, Dresden.
- Astrolabium
von 1568, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI4.
- Astrolabium von 1568, Mathematisch-Physikalischer Salon, Dresden.
- Astrolabium von 1591, Istituto e Museo di Storia della Scienza, Firenze.
- Würfelsonnenuhr von 1562, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI10.
- Sonnenquadrant, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI12.
- Büchsensonnenuhr von 1566Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI31.
- Torquetum
von 1568, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg: WI33.
- Aufnahme von Wolfgang Sauber.
Fußnoten
- ↑ Joachimsthal ist das heutige Jáchymov nördlich von Karlsbad in der tschechischen Republik.
- ↑ "Der Erbar und wolgelehrte M. Johannes Praetorius auß dem Joachimsthal verordneter Astronomus zu Nürnberg und Professor der Schulen alhie zu Altdorff. Jungfrau Helena des ehrwürdigen und wolgelehrten Herrn Georg Siegels seligen weiland gewesenen Schaffers in der Sebalder Pfarr [...] zu Nürnberg nachgelaßene Tochter." (Trauungen, Proklamtionen Altdorf 1563-1595, S. 86, Eintrag 44). Der Eintrag steht unter dem Datum "XI post Trinitatis" also dem 17. Juni 1759. Dies ist das Datum der Proklamation, nach Würfel 1756, S. 45 fand die Hochzeit am 22. Septermber 1579 statt.
- ↑ Bestattungsdatum nach der Leichpredigt auf Helena Praetorius von Jacob Bruno.
- ↑ Zu Georg Siegel siehe Simon 1965, S. 217, Eintrag 1327.
- ↑ Paul Praetorius wurde am 01.01.1585 beerdigt: "Der Erbar und wolgelart Paulus Praetorius Schulmeister bey S Sebald 1 Januarij [1585] Gratis" (Bestattungen St. Sebald 1570-1587, Bl. 225v).