Briefwechsel Johann Leonhard Rost
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Rost, Johann Leonhard (1688-1727) |
Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 14. August 1717 |
Signatur | UB Basel: L Ia 720, Bl. 29r-30r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdler u: Hochgelahrter
Hochgeehrtester Herr.
Auf Dero vom 11 Julii datiertes Schreiben, diene hiemit in schuldiger Antwort, daß in meinen, an Sie ergangenen Briefen, weiter nichts von einer allzu großen Höflichkeit eingemischet, als was Sie bestermaßen verdienen, und ich zur Bezeugung meiner Ergebenheit, unmöglich verschweigen können. Sie glauben dahero sicherlich, daß ich von Grunde des Hertzens geschrieben: und auch in das künftige, niemal eine falsche Sÿllbe, gegen Sie erwehnen werde. Damit aber, nach Dero ertheilten Befehl, mit vielen Umständen, nicht beschwehrlich falle: so bedancke mich zum vordersten, vor die 2 Exemplaria des Nord-Scheines;[1] davon ich das eine, dem Herrn von Wurzelbau, zugestellet: und dargegen vor Sie, diesen beÿkommenden Brief, von Ihm empfangen habe.[2] Ich gestehe, daß es mich recht erfreuen sollte, wenn diese merckwürdige Himmels Begebenheit, mit ansehen können, weil es gewißlich eine Sache, die sich so bald nicht mehr zutragen dürfte. Ich habe unterschiedliche Gedancken darüber, und muthmaße, ob es nicht von einem großen feuer circa polum arcticum herrühre, inmaßen die Holländer circa polum antarcticum, eben dergleichen wargenommen, und deßwegen die Gegend terra del fuogo[3] geheißen. Dieweil aber von bloßen Einbildungen, auf unfehlbare Gewißheiten, nicht zu schließen, mag ich auch meine abgefaste Muthmaßungen, nicht weitläuftiger, fürstellig machen. Ich melde dafür, daß mir die Nachricht, wegen des Englischen Quadranten,[4] nicht unangenehm: und hofe, mir einen noch beßern Concept davon zu machen, wenn mir Hl Wagner den Abriß mit der Beschreibung, zuschicket. Inzwischen bleiben Sie nur der Tabb. ☉ar. des Hl von Wurzelbau, eingedenck, damit Sie etwan der Herr Author noch beÿ seinem Leben vollständig herausgiebt.[5] Weil Ew. HochEdl. hiernächst, von mir zu wißen begehret, auf was vor
[Bl. 29v]
eine Art, ich die Maculas Solares observire:[6]
so belieben Sie zu vernehmen daß ich zu
Hauße einen 6schuhigen Tubum mit 2 Gläßern gebrauche: und so oft ich die Sonne anschaue,
vor das Ocular, sauber und rein geschliffene, Meergrüne Venetianische Spiegel Gläßer
applicire. In dem foco des ocularis, wo sonsten das Micrometron hingehört, habe
ich 2 subtile Seiden Fäden Creutzweis gezogen; davon mir der eine, an statt der perpendicular
Linie dienet: den andern aber, adhibue darzu, daß den eigentlichen locum
macularum, desto füglicher, bemercken kan. Sie sehen also hier aus, daß mir solche Arbeit,
wenig Mühe machet; allein, ob mir schon hiedurch, zumal wenn ich einen beßern Tubum,
als der meinige, die maculae deutlicher, als auf der weißen Scheibe erscheinen: so entgehet
mir doch dadurch der Vortheil, daß ich die Eclipticam, und folglich die declinationes
macularum, nicht so determiniren kan, als sie ihren Ephemeridibus,[7] ein
Exempel, einverlaibet. Möchten Sie mir die Methode, beÿdes zu finden, communiciren, würde
ich die Gefälligkeit, mit großem Danck, annehmen. Diesen statte auch für die überschickten
loca solis ab: und will solches noch mehr tuhn, wenn ich auch die übrigen, mit den
neulich begehrten altitudinibus meridianis, empfangen. Ich habe zwar vermeinet Ew.
HochEdl. würden mich berichten, ob eine continuation Ihrer
Ephemeridum zu hoffen;[8] allein
weil Sie solches ohne Zweifel, wegen überhäufter Geschäfte, vergeßen: so werde ich es wol
ein ander mal vernehmen. Herr M. Gaupp[9]
wird auf künftige Herbst-Meße, das 1718.
1719 und 1720 Jahr zugleich:[10]
aber nicht so wie die 1717 sondern nach der Art des Herrn Manfredi[11]
und des Seel. Hl. Hofmanns[12] ediren; jedoch dasjenige was darinnen abgehet,
ja noch mehr andere Astronomische materien, in dem sogenanndten
Calendario Astronomico[13] suppliren.
Allein in das künftige, will er in der methode des 1717 Jahres fortfahren,
die er allbereit biß 1740 berechnet; auch das folgende Decennium, ebenfals
bald fertig haben wird. Wie er mir selbst schreibet, wär es was nützliches, wenn auch
Ihre Ephemerides ex Tabb. Rudolphinis, continuirten; damit man durch Hülfe, der hierüber
angestellten observationen, die Tabb. Theoricas, desto füglicher corrigiren könte.
Vielleicht, finden Sie einen Verleger darzu, wenn es anderst nicht schon geschehen: und ich
wünsche, daß Sie bald zum allgemeinen Nutzen, im Druck erscheinen möchten. Wie der Herr von
[Bl. 30r]
Wurzelbau vor ohngefehr 14 Tagen, beÿ Herrn Endter[14]
nachfragen ließe, ob er ihm keinen
Brief an Sie einschlüßen könte, machte ihm derselbige zu wißen, daß er Sie nächster
Tagen, persönlich erwartete, weil Sie eine Reiß nach Franckreich tuhn würden. Er hat deßwegen
mit dem Brief zurücke gehalten. Da ich ihm aber gesagt, daß Sie in Ihrer Zuschrift
an mich, nichts davon gedacht, hat er mir itzt seine Zeilen eingehändiget. Er hat vorige
Woche, etliche Tage hintereinander, mit seinem großen 6schühigen Telescopischen
Quadranten, den Syrium, vormittags durch den meridianum gehen sehen; auch mich dergleichen
curiöse observation mit anzusehen, eingeladen. Es muste sich aber eben fügen, daß beÿ
meiner Gegenwart, den Syrium eine Wolcke bedecket: drum habe ich nichts davon zu Gesichte
kriegt. Doch weil ich dergleichen observationes, mehr vor was anmuthiges, als vor was
nützliches halte, habe ich mich eben nicht sonderlich darüber betrübet. Giebt es die Gelegenheit,
daß Sie mit Herrn Wagner sprechen: so bitte ohnbeschwehrt mein ergebenstes Compliment
an ihn zumachen. Ich hätte Ihm gerne dießes mal zugleich mitgeschrieben; weil
ich aber zuvor seine Antwort erwarten möchte, will ich es biß dahin aufschieben.
Hiesiges Ortes, habe der Zeit aus Ermangelung eines Gehülfen, nichts observiret. Solte
aber ins künftige was fürfallen, will ich nicht ermangeln, Ihnen part davon zu geben
und mir ein gleiches von Ihnen ausbitten. So bald als ich wieder an Sie schreibe, sollen auch
meine übrigen maculae Solares folgen, von denen verwichenen 1 Augusti duae novae,
circa centrum exortae,[15] observiret worden.
Ich hätte sie dieses mal beÿgefüget: allein
weil mir eben ein Hinderniß zustößt, daß ich sie nicht abschreiben kan:
so muß ich schlüßen
und nur noch die aufrichtige Versicherung hinzufügen, daß ich lebenslang verharre
Ew. HochEdlen
Nürnberg,
den 14 Augusti. A.o 1717.
gehorsamer und verbundener
diener
Johann Leonhard Rost.
Fußnoten
- ↑ Kirch, Christfried: Auffrichtiger Bericht / Von dem in itztlauffenden 1716den Jahre den 17. Martii Abends entstandenen ungewöhnlichen Nord-Schein / Wie solcher allhier in Dantzig / die gantze Nacht durch mit Fleiß observiret / und nachgehends in unterschiedenen beygefügten Figuren abgezeichnet worden. Danzig 1716 [SB Berlin]. Rost hatte im vorhergenden Brief um Zusendung dieser Schrift gebeten.
- ↑ Brief von Wurzelbau an Kirch vom 11. August 1717, UB Basel: L Ia 730, Bl. 18.
- ↑ Feuerland, die Südspitze des heutigen Chile. Vgl. hierzu den Brief von Wurzelbau an Kirch vom 11. August 1717.
- ↑ Im Inventar der Berliner Sternwarte von 1725 ist aufgeführt:
"1. Ein künstlicher in Engellandt verfertigter Quadrant im Radio bey 4 Fueß stehet in einen Gehäuse oben auf dem Altan.
Hierzu gehöret ein Kästlein worinnen die Schlüßel, so zu diesen Quadranten gehören, verwahret werden, ingleichen ein paar dioptren die an diesen Quadranten appliciret werden können."
Im Inventar von 1745 ist ein "Englischer quadrant" von "2½ Schuh im Radio" aufgeführt.
Ein Quadrant von "2½ Fueß" mit "dioptris telescopicis" wird auch im Verzeichnis von 1725 aufgeführt, wird hier allerdings nicht als "englischer Quadrant" bezeichnet. Nachdem Rost im Brief vom April 1717 von einem kleinen Englischen Quadranten spricht, dürfte dieser zweite Quadrant gemeint sein.
Vgl. Hamel, Jürgen: Die Instrumente der Berliner Sternwarte, 1700-1780. In: Hamel, Jürgen (Hrsg.): Gottfried Kirch (1639-1710) und die Berliner Astronomie im 18. Jahrhundert (= Acta Historica Astronomiae 41). Frankfurt a.M.: Harri Deutsch 2010, S. 65-11, hier S. 94, 99. - ↑ Schon im Brief vom April 1717 hatte Rost Kirch gebeten, Wurzelbau zur Veröffentlichung seiner Sonnentafeln zu drängen. Sie kamen 1719 heraus: Uranies Noricae basis astronomica. Nürnberg: Selbstverlag 1719
- ↑ Maculas Solares: Sonnenflecken; seinem letzten Brief an Kirch vom 14. Juni 1717 hatte Rost Fleckenbeobachtungen beigelegt.
- ↑ Kirch, Christfried: Teutsche Ephemeris auf das Jahr 1714-1716. Worinnen nicht nur der Lauff der Planeten in Länge und Breite, sondern auch derselben sichtbarer Auf- und Untergang ... und andere nützliche astronomische Rechnungen zu finden. Nürnberg: Endter 1714.
- ↑ Kirch, Christfried: Teutsche Ephemeris auf das Jahr 1714-1716. Worinnen nicht nur der Lauff der Planeten in Länge und Breite, sondern auch derselben sichtbarer Auf- und Untergang ... und andere nützliche astronomische Rechnungen zu finden. Nürnberg: Endter 1714.
- ↑ Johannes Gaupp (1667-1738) war Pfarrer in Lindau, der aber vor allem als Astronom bekannt wurde.
- ↑ Gaupp, Johannes: Ephemeris Motuum Coelestium. Secunda, tertia, & quarta. Ad Annos a Nativitate D.N.J.C. 1718. 1719. 1720. Augsburg: Caspar Brechenmacher 1718 [SB Regensburg]
- ↑ Eustachio Manfredi (1674-1739) aus Bologna brachte ebenfalls Ephemeriden heraus.
- ↑ Johann Heinrich Hoffmann (1669-1716) war der Vorgänger von Christfried Kirch als Direktor der Berliner Sternwarte. Er gab heraus: Ephemeris motuum coelestium. Berlin: Pape 1702-1712.
- ↑ Johannes Gaupp gab ein Calendarium Astronomicum heraus (nachweisbar von 1715 bis 1718).
Vgl. den Eintrag zu Johannes Gaupp im Biobibliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750 von Klaus-Dieter Herbst. - ↑ Die Endters waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
- ↑ duae novae, circa centrum exortae: zwei neue [Flecken], die um das Zentrum entstanden sind.