Briefwechsel Michael Adelbulner


Kurzinformation zum Brief Zum Originalbrief
Autor Adelbulner, Michael (1702-1779)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 18. März 1736
Signatur UB Basel: L Ia 677, Bl. 49r-50v
Transkription Hans Gaab, Fürth


HochEdelgebohrner, Hochgelahrter
   Insonders hochzuehrender Hl. und Gönner.

Alles das, was Ew. HochEdelgebohren mir gütigst zu überschicken beliebet, habe zu recht erhalten, und statte ich deshalben so wol für die Sache selbst, als auch für das so geneigte Andencken ergebensten danck ab. Der Commercii betreffend, mögen dieselben entweder das Geld von den Exempl. des Comm. einnehmen, oder aber ich will welches überschicken, welches dero disposition überlaße. So bald als sich eine Gelegenheit ergibt, werde die 7. Ex. completieren, welches freylich complet überschicket habe, es kan aber seyn, daß selbige Ew. HochEdelgebohren nicht eingehändiget worden, welches mir zum größten Verdruß schon öfters widerfahren, als wodurch ich bereits einen greulichen defect bey denen ohnehin wenigen exemplarien erhalten habe. Allein das ist eine Sache, die bey dem Verschicken sich gemeiniglich einzufinden pfleget. Diese Woche habe wieder ein Paquet übermachet, und es wird nun bald das Ende von Tom. II. folgen. Der III. Tom ist bereits auch angefangen, ob aber so bald die Supplementa angehen werden, weiß ich eigentlich selber nicht, und muß ich in der That abwarten; ob das Comm. selbsten nicht mehrere Liebhaber findet als bißher. Denn solte sich der numerus[1] nicht vermehren,

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so dürffte wol aus den Supplementa nichts werden, weil das Risico zu starck, und man billig zu verdenken wäre, wenn man außer der unbelohnten Mühe und Arbeit sich um etlich 100. Gulden, die heut zu tage nicht so leicht zu verdienen sind, in Schaden bringen wollte. Ich büße ohnedem genug bey dem Comm. ein. Ich werde von allen diesen dingen weitläufftiger in der Vorrede des II. Tom. handeln,[2] wohin Ew. HochEdl. zum voraus verweisen will. Das einige will nur noch sagen: Ich verlange vor alle meine Mühe und Arbeit nichts, und bin völlig content, wenn mir mein baares Geld, das ich necessario auslege, nicht erhalten kan.

Daß die Hl. Hl. Directores dero Societät auf meine wenige Person durch Ew. HochEdlegebohren Vorstellung einige reflexion machen, und sich resolvieren wollen, mich in die Königl. Preuß. Soc. als ein Mitglied aufzunehmen, erlerne ich mit vielen dank, und würde es mir nicht eine geringe Ehre seyn, wenn unter so großen und gelehrten Personen, gegen welche ich nur ein infinite parvum bin, einen Plaz erhalten sollte: daß aber obgedachte Hl. Directores vorher etwas von mir zu sehen belieben, ist eine Sache, die gegenwärtig nicht geschehen kan. Damit es aber nicht das Ansehen haben möge, als ob ich eine Ausflucht suche, und meine ignoranz dadurch verbergen wolte, so will Ew. HochEdelgebohren die Ursache, welche Hindernis ver-

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ursachet, getreulich entdecken, um so mehr, weil ich mir bedencken mache, Einem mir so wehrten Gönner eine Sache zu verhelen, die eine so große consequenz in meinem Lebens-ort hat.

Habe mich bißhero einig und allein auf die Astronomie, Geometrie und Algebra geleget, ich habe auch, auf die Versprechungen die man mir getahn, das studio medico, zu welchem ich alle Zeit große Lust gehabt, bey dem Anfang des Comm. wieder fahren laßen; ich habe auch diese studia bißhero mit vielem fleiß getrieben, und ich getraue mir zu behaupten, daß ich es in kurzer Zeit in diesen studiis ziemlich weit wollte gebracht haben. Da man mir aber keines von dem Ursprung gehalten, und man mir nicht einmal die freyheit gestattet, das observatorium zu besuchen, welche man doch den seel. Hl. Rosten zugestanden hat,[3] da man an statt der beförderung mir, auf Instigation des N. N.[4] noch hindernißen machet, und da ich also meine Kräffte, die ohnehin schlecht sind, um sonst und um nichts, ruiniere: so habe ich den Rath guter freunde und gönner um so williger gehör endlich gegeben, und mich resolvieret, das studium medicum von vorne wieder anzufangen; es ist bereits vor einem ¼ Jahr geschehen, und kan Ew. HochEdelgebohren es versichern, daß ich nun weit gesünder lebe, als vorher; dieses studium ist nun also mein Hauptwerk, und ich habe meine Sachen also eingerichtet, daß ich mit Gottes Hülffe entweder dieses, oder doch zu Anfang des folgenden Jahres gewiß, promovieren kan. Und daher sind meine stunden alle besezet, daß ich nichts anders, am allerwenigsten aber eine dissertationcula aufsezen kan, welche sich denen Gelehrten ohne Schamröthe

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zeigen könnte. Dabey ist aber mein Absehen nicht, meine studia eillig zu verlaßen, nein, ich werde vielmehr eine beständige Abwechslung machen, und so bald ich mein finem erreichet, die medicin mit der mathematique zu excoliren, und mir also eine angenehme Abwechslung der studien zu machen, mir angelegen seyn laßen. Dieses Jahr aber werde freylich die Mathematique verlaßen, doch nur in so weit, daß ich nicht weiter zu avanciren begehre; das mathematische exercitium aber wird doch nicht ausbleiben, um so weniger, weil mit einigen Liebhabern der Mathematique die Geometrie, Algebra und Astronomie nach dem lateinischen Werk des Hl. P. Wolfen[5] durchgehe, und auch andern den calculus astronomicum zu zeigen Gelegenheit habe. Dieses sind also die Ursachen, werthgeschäzter Hl. und Gönner, welche mir nicht erlauben, den Willen derer Hl. Directoren nachzuleben; möchten dieselben erstgedachten Hl. Directores mein neues Vorhaben, nebst meinem unterthänig respect vermelden, würden Sie mich sehr obligiren. Gibt mir Gott das Leben, daß ich promoviren kan, so wird vielleicht die Inaugural-Disputation ein kleines specimen geben können. Und habe ich Gelegenheit und Instrumenta zu observieren, so werde ich es auch nicht aus der Acht laßen. Kurz, ich werde allezeit noch meine vorrige mißliche Wissenschafften zu befördern suchen. Und da ich erst in der medicin sehe und deutlich mercke, was vor ein Leitstern die Mathematique, wenn man sie, so wie es sich gebühret, studiert hat, in ander scienzen abgiebet, so habe ich erst ein rechtes Vergnügen daran, und werde durch dieses Vergnügen immer weiter zu gehen, angetrieben werden. Vielleicht verwundern sich Ew. HochEdelgebohren über meinen Entschluß? ich versicher aber, daß Sie selbigen approbieren würden, wenn ich alle rationes determinantes deutlich auseinander sezen dürffte; ich wollte wünschen, daß ich nur eine halbe Stunde mit Ihnen sprechen dürffte, und könnte. Wie oft ich doch zweifle dem Versprechen und Halt, kein andrer ration, als die, welche zwischen etwas und nichts ist. N. hindert, so viel er kan und mit der Astron. ist hier so lang nicht zu rechnen biß etc. Ich bin mit aller Hochachtung

Ew. HochEdelgebohren

Nürnbg d. 18. Mart. 1736.

ganz ergebenster diener
Adlelbulner

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P.S. Weil das Micrometer noch nicht angefangen worden, so will hier von dem guten freund eines anfertigen laßen.
2) Wie hoch kömmet wol ein Tubus Newtonianus? und wo sind sie zu bekommen?


Fußnoten

  1. Gemeint ist die Anzahl der Abonnenten.
  2. Das Exemplar der SUB Göttingen des zweiten Bandes enthält keine Vorrede.
  3. Wegen Differenzen mit Doppelmayr benützte auch Rost ab 1721 das Observatorium nicht mehr.
  4. Adelbulner spielt hier auf Doppelmayr an.
  5. Wolff, Christian: Elementa matheseos universae. 2. Band. Genf: Bousquet 1733. Diese Reihe brachte es schließlich auf fünf Bände.