Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 19. Oktober 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 242-245
Transkription Hans Gaab, Fürth

Hoch Wohl Gebohrne, Gnädige Herren !

Wegen deß mit mir gestrigen Tages confrontierten Hahn[1] nimmt mich eines theils gar nicht wunder, daß er anfänglich alles denegiert, und gemacht, wie die andern complices, weilen sie dadurch suchen sich zu retirieren[2], und mich einzig und allein zu gravieren, allein es zeigt sich endlich doch klar, daß ich nicht mit unwahrheit berichtet, worauff ich auch lebe und sterbe. Daß der Hahn mir den von seiner eigenen Hand geschriebenen Zettul, die Relationes Mulleri[3] betreffend, auf vorhero offtmahliges bitten, ihme solche zu verkauffen trachte, eingehändiget, auch ihme wohl bewußt war, daß diese an die Hanckin[4] durch den Botten nach Regenspurg gesandt, ist er nun auch geständig, habe ihme ebenfalls den mir in der gehabten Verhör producierten Brieff von der Hanckin vorgeleßen, worinnnen Sie gemeldet, daß sie separatim für den Bogen 8 xr. geben wolle, weilen er mir aber zur Antwort gab, daß Er diese nicht einzeln weggebe, so habe ihn selbsten zu dem botten gewiesen, weilen er ohnehin wegen einer neuen Correspondenz mit Ihme tractiren wolle, und auch bereits eine prob davon durch den Botten erhalten, so er sich schon noch zu entsinnen wird, darauf aber weiter in dieser Sache weder von dem Hahn noch mit der truckerin in Regenspurg etwas gehört. Daß aber die in dem Zettul begriffene Relationes in 300: Bogen ohngefehr von seiner eigenen Hand geschrieben müssen gewesen seÿn, erhellet darauß, weilen Er mir solche vor 18: biß 20: fl: angebotten, und gesagt, Er könne dieses Geld beßer nutzen, weilen er eine Schuld damit bezahlen könne, beÿ dieser hat er auch Additionalia zum Verkauff angebotten, welche ich aber eben so wenig als obige Relationes aestimiert, welches er selbsten sagen wird. Daß aber dieser Hahn vieles von dergleichen Sachen muß vor das Geld abgeschrieben und verdistrahiert haben, schließe ich daher, und wir auch gewiß wahr seÿn, weilen er mir selbst erzehlet [daß habe dem Andreae selbst erzehlet][5], wie Er sich eben umb dieser schreibereÿ wegen hätte einen solchen Posten von seinem Herrn Hauptmann außgebetten, damit Er seine Sachen daselbsten schreiben könne, indeme beÿ Ihme jeder Zeit nur 1. baar alte Männer da wären, welche selten leßen oder schreiben könnten, dörffte auch keiner darunter das Courage haben und ihn fragen, was Er schreibe. Auß seinem eigenen Munde habe auch vernommen, wie er dem Hauptmann Kolben[6] vieles geschriebene zu kauffen gegeben hätte, und andres mehr. Mehr hat er sich vernehmen laßen, wie Er einmahl beÿ Außzahlung deß Geldes auf der Knechtsstuben nicht erschienen, so hätte ihme der Obercommissarius reprimandiert, mit diesen worten wo Er wieder in einer Ecken geseßen, und geschrieben, dieser Herr hat seinem sagen nach alles curieuse von dergleichen Sculptis et impressis ebenfals von ihm erhalten; ich meines orts habe ihme einmahlen nichts geben wollen von denen edierten Carten, Ämterbüchl: und auch der Findelrechnung, allein Er hat jederzeit sehr eiffrig gebetten, Er könne sich gute Freund damit machen, worauf ihn dann allezeit anfänglich in den Heilsbrunner Hoff gewiesen, wo selbsten der verstorbene Agent von Haaß[7] die Carten zum Verkauff hatte, da aber die WaldCarten zum Vorschein kam, so habe ihme auf sein inständiges Ansuchen einesmahls 4. oder 6: Stück gegeben, da ich ihne dann gefragt, wer dann solches bekömme, gab er mir zur Antwort, Hl: Pfarrer Schwindel[8] und Ihro Gnaden Hl. Welser[9], da ich ihme aber sagte, ob Er sich dann getrauet dieses hinzugeben, so sagte Er, Hl: Schwindel hätte ihme beÿ seiner Priesterl: Würde gelobt ihme nicht zu melden, und hätte Er die Sache eben hingebracht, da Ihr Gnaden Hl: von Welser beÿ ihm gespeiset, welcher 4. Stk. davon bekommen: und dadurch hätte Er den Hl: Pfarrer gewonnen, daß Er seine Kinder in die Schuhl aufgenommen, seinen Hl: Hauptmann Harßdörffer[10] habe Er ebenfals alle Piecen zu kauffen gegeben,

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und wann Er gebetten, die Sache zu verschweigen, habe ihme dieser zur Antwort gegeben, alter Narr, vor mir darffstu dich nicht förchten, nehme dich nur sonsten in acht, und wann ein andrer aus dem Patriziat etwas von ihme begehrt, ex. grat. Hl. Kreß[11] in dem Stadtgericht, oder Hl: Praun[12] in dem Gostenhoff, habe er jederzeit seinen Hauptmann vorhero befragt, ob Er trauen dörffe, welcher ihm dann jederzeit ja oder nein gesagt, diese schreibe ich, wie es aus seinem Munde selbsten gefloßen, welches er sich auch schon in der gestrigen confrontation erinnert, und geständig gewesen. Das so genandte Schwahnenfeld oder die Beschreibung der Unterthanen betreffend, welches ich von ihm von seiner eigenen Hand geschrieben erhalten, und solchs Hl: Daumüller[13] zugestellt, diese hat Er seinem eigenen ebenfalls mit seiner Hand geschrieben abcopiert, mithin kan Er dieses ebenfalls nicht negieren, weilen ich solches beÿ ihme gesehen, ehe und bevorab ich es von ihme begehrt, daß Er aber gestern vorgegeben, Er habe solches von deß Hauptmann Kolben abgeschrieben, ist nun desto weniger wahr, indeme in seinem eigenen sehr viele eingesteckte marquirte Zettul und Correcturen waren, mithin wann er solches von diesem abcopiert, hätte Er die starcke Correctur und Verbesserung nicht vonnöhten gehabt, Er muß einen andern Canal haben, indeme Er das gantze Jahr hindurch stetigs seinem selbst sagen nach auf seiner Wach schreibe; daß Er aber die Medaillie in seiner ersten Verhör niemahlen gesehen zu haben vorgegeben, und doch hernach beÿ der Confrontation geständig gewesen, Er hätte nur eines, umb seinen Bruder in der Waag sehen zu laßen entlehnet, so Er aber wider zurückgebracht, dieses kan ich mich umb so weniger entsinnen, weilen ich weiß, daß Er etl: von mir auf sein vielmahliges Bitten erhalten, welche ich ihm erst von Schwabach aus beschrieben, so Er sich schon noch besinnen wird, und glaube ich gäntzlich sein Bruder wird 1. Stck. von ihme besitzen. Dieser Hahn wird schon noch mehrer gute Freunde haben, die Er melden kan, wann Er will, ex. grat. den Wadel[14], den Amberger[15], und noch mehr dergl: mit welchen ich aber mein Lebtagkein Wort gesprochen oder hat er etwa ein und anders von seinen Gevattersleuth dem Sündersberger[16] oder Mäger[17] auf dem Milchmarckt, welches Er schon selbsten sagen wird.

Das [von] mir producierte Pro Memoria[18] betreffend, so muß nur so vieles dabeÿ melden daß wann ich solches zum Praejudiz eines HochEdlen Raths oder hiesiger Kauffmannschafft hätte übergeben wollen, so würde ich hierzu keinen Schreiber gebraucht haben, sondern ich hätte es wohl selbsten schreiben können. Die Gleiths Zettul betreffend, so habe davon mein Lebtag nichts gewußt, als was von dem Glücken mir notiert worden, dann die andere eingreiffende Jura in dem Heilsbrunner Hoff anlangend, sind lauter eigene Glückische Sachen wodurch er mir selbsten zu helffen vermeint gehabt, allein ich habe oneracht deßen alles doch nicht gethan oder übergeben, wie nicht nur er selbsten, sondern auch im Nothfall Ein gantzes Geheimes RathsCollegium mir attestieren müste, weilen mit solchen sachen mein Lebtag beÿ keinem Minister nicht hätte wegen angezogen kommen. Denen hiesigen Kauffleuthen zu tort hätte ich selbiger Zeit umb so weniger etwas gethan, weilen ich gar

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gut Freund mit ihne gewesen, wie schon mehrmahlen in meinen vorigen an hohen Orten gemeldet, und kan man überhaupts von hiesigen Kauffleuthen nicht sagen, daß sie ihre GeleithsZettul nicht fleißig einlösen, indeme solche von Ort zu Ort müßen abgegeben, hingegen ein frischer genommen werden, auch die hiesigen Fieranten[19] auf den gantzen Straßen gar zu wohl bekandt, daß sie nicht einmahl im stande sind die Gleithsämter vorbeÿ zu gehen, mithin dieses ein pures Glückisches nichtiges eigenes thun, nur damit er suchet mich zu mehrers zu gravieren, mithin alles dasjenige was Er selbsten tentiert, und andern dazu animiert, auf den Halß laden will. Daß Er aber nur diejenigen partes einsendet, welche so sie mir aufgebürdet werden könnten zum nachtheil gereichen, hingegen meine dagegen gemachte Protestation zurückläßet, darauß kan man sein lasterhafftes Gemüth erkennen, warum schickt Er nicht die von dem Ingenieur Lieutenant Vetter[20] gemachten Zeichnung von dem Herßpruck. Lichtenau etc. samt seinen Correcturen und dabeÿ gehabten schrifftlichen aufsatz damit herein, damit auch diese könten inspiciret werden, warum läßet Er seine Brieff, die Er selbsten geschrieben, und beÿ eben diesen Pro Memoria und den Zeichnungen gelegen, nicht mit herein, damit man sehen könne, weßen Geistes Kind Er seÿ. Was Er seit vielen Jahren alhier tentiert in Zoll und Gleiths-Sachen und andern ehe und bevorab ich [ihn] einmahl gekennet, solches ist jedem Kauffmann bekandt, und dene hiesigen Fuhrleuthen. Daß der Glück so wohl von dem Agent Haaßen seel. als auch von mir vielfältig mit Chicana und leeren kühlen Dingen ist heimgeschickt worden, ist bekandt, weilen man gewußt, daß Er ein Spion, und jeder bagatell vorträgt, worüber Er aber gar offt ist ziemlich abgekappt worden, so wohl von dem Hl: Geh: Rath, als noch[?] dem Cammer Collegio; und darff man nur in Schwabach seine Herrn Nachbarn fragen, so wird sichs bald zeigen, was man überahl von ihm hält. Wann Er mit nichts als mit Unwahrheiten, wie sein vorgegebens Pasquill an dem Rathhauß anschlag beschaffen gewesen, mich suchte in Unglück zu bringen, so sehe er wohl zu, daß es ihme nicht gehe, wie dem Juden Ischarioth, oder seinen Vorfahren dem Bastian Stengl, der ebenmäßig Land Zoll Commissarius ein halbes Jahr gewesen, hernach aber von dem Fuhrleuthen zu Crailsheim beÿ nächtlicher weile vom Fenster 3: gaden[21] hoch hinunter gestürtz worden daß, Er sein eingeweÿd darüber verlohren, und glaubete ich ja nicht, daß Gott mehr im Himmel regierte, wo Er nicht solche Lästerzeugen straffete.

Am Ende bitte nun Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden nochmahlen umb das Blut Christi willen beÿ meinem elenden Zustand mich zu befreÿen, weilen ich vor menschlichen Augen zu dauern ohne großen Jammer nicht mehr im stande bin; ich erbiete mich nochmahlen 4. biß 6. Caventen[22] zu schaffen, daß in allem nach dero Befehlen gehorsam, und jederzeit in tieffester Submission verharren werde

Hochwohl Gebohrn und Gnädiger Herr

é Carcere den 19: Octobris. 1733:

unterthänigster Diener
Joh: Phil: Andreae
Mathematicus


Fußnoten

  1. "Johann Hahn, Burger und Corporal unter der hiesigen alten Mannschafft, ein Weib und 5. Kinder habend, und 58. Jahr alt", Verhör vom 19.10.1733. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 232.
  2. retirieren: Zurück ziehen, fliehen.
  3. Vgl. Müllner, Johannes: Die Annalen der Reichsstadt Nünberg von 1623. Band 1. Nürnberg 1972. Band 2: Nürnberg 1984.
  4. Der Buchdrucker Johann Franz Hanck in Stadtamhof (Regensburg) ist 1732 gestorben. Seine Witwe Maria Apollonia führte die Druckerei bis 1738 weiter.
  5. Einfügung von anderer Hand.
  6. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  7. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  8. Zum Pfarrer Georg Jakob Schwindel (1684-1752) siehe: Simon, Matthias: Nürmbergisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1965, S. 212, Eintrag 1299.
  9. Möglicherweise Johann Karl Welser (1685-1755), der 1752 Castellan wurde, d.h. Pfleger der Reichsveste.
  10. Möglicherweise Paul X. Harsdörffer (1684-1752), vgl. Biedermann, Johann Gottfried: Geschlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg. Bayreuth 1748, Tab. CLXII.
  11. Möglicherweise Christoph Michael Kress (1671-1752), der später Ratsherr und Bürgermeister war.
  12. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  13. Gemeint sein könnte der Handelsmann Gottfried Caspar Daumüller, der 1726 Genannter des Größeren Rats der Stadt Nürnberg wurde. Vgl. Roth, Johann Ferdinand: Das Verzeichnis aller Gennanten des Größeren Rats zu Nürnberg. Nürnberg: Milbradt 1802, S. 159.
  14. 1728 ist der Schreibereiverwandte Georg Wadel nachweisbar. Stadtarchiv Nünrberg: D 15 Nr. S 15 Nr. 3 B.
  15. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  16. Möglicherweise der Bankier Johann Sündersberger, der 1729 Gennanter des Größeren Rat der Stadt Nürnberg wurde. Vgl. Roth, Johann Ferdinand: Das Verzeichnis aller Genannten der Größeren Rats zu Nürnberg. Nürnberg 1802 / Neustadt a.d. Aisch 2002, S. 160
  17. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  18. Bei einer Hausdurchsuchung war bei Andreae eine mit Pro Memoria überschriebenen Bewerbung Andreaes auf die Stelle des verstorbenen Agenten im Heilsbronner Hof gefunden worden.
  19. Fieranten: Warenhändler.
  20. Johann Georg Vetter (1681-1745) war Kartograph und Ingenieurhauptman in Diensten des Ansbacher Markgrafen.
  21. Ein Gaden ist ein einrämiges Haus. Gemeint ist hier wohl, dass der Herr Commissarius drei Stockwerke hinuntergestürtz wurde.
  22. Caventen: Bürgen.

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