Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 20. November 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 344-353
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Wir bitten in dem Vatter Unser, sondern erlöse uns von dem Übel, ich darff aber täglich bitten, vor denen Eisen; Nimmt dann diese Jammer Gefangenschafft noch kein Ende, ich ersuche Euer Wohlgebohrn und Gnaden diese Innlage denen jenigen Herren zu übergeben, welche in dieser Sache zu sprechen haben, dabeÿ umb meine einmahlige Erledigung anhalten dann gewiß, wann es genug ist so hört man auf, ich weiß nicht, ob HHl: HochGelehrten alle Bergl: in meiner Sache wollen eben machen, und die großen Berge die andern doppelt verpflichtete zu übersteigen haben, wird man nicht einmahl gewahr, ich muß anjetzo wohl fragen, was habe ich dann weiter gethan daß ich solche lange und gegen den Trucker fünfffache Straffe leiden muß, ich bitte die Sache zu einem endl. Schluß zu bringen, damit es ein Ende gewinne, daß wirs ertragen können, ich verbl. im Ubrigen mit allem Gehorsamßten Respect

Euer Wohlgebohrn und Gnaden

é Carcere den 20. Novb.
1733:

Unterthänigster Diener
Joh. Phil. Andreae
Mathematicus

Diese inligende Schrifft kan ich umb so weniger rubricieren, weilen ich nicht weiß welche in dieser Sache Richter sind, und die Bittenden von einem Raths=glied zu dem andern gewiesen werden, ich müste dann setzen, denen unbekandten Richtern in dieser Sache; Ersuche also Euer Wohlgebohrn und Gnaden gehöriger Orts zu insinuiren, und umb einen Schluß zu bitten, damit es heißen möge. Finis coronabitur opus.[1]



[Blatt 344]

Hoch Wohl Gebohrne,
Gnädige Herren.

Es hat alles in der Welt einen Anfang und ein Ende, allein meine langwährende harte Gefängnus währet noch, ich möchte aber doch wißen, woran ichs verschuldet, daß so gar lang gemartert und gequält werde, Gott erkennet die Hertzen, und erforschet die Gewißen, ich finde mich dahero in meinem Gewißen nicht getroffen, daß solche lange und harte straffe verdienet, zweiffelt mir auch, ob ein Weltliches Gericht, so es unpartheÿische Richter hat, solche Straffe a Proportionae der andern, mit sich bringt, besonders wann man betrachtet, daß der Trucker würckliche Hand angelegt, und mit erstaunlichen Reden, da Er doch vorhero gewarnet worden, dannoch sich so vermeßen, welche an und vor sich selber weit ärger wären, als die infame Medaillie selbsten, doch nicht länger als 5: Wochen 4. Tag gestrafft worden, ich hingegen bereits 5: mahl so lang, wo doch alle Herren HochGelehrte in der gantzen Christenheit, wo Sie anderst nicht passioniert urtheilen wollen, in Jure erkennen werden, daß dieser Trucker samt dem Stecher doppelte Straffe gegen mir verdienet, ich weiß aber auch wohl daß wegen deß Truckers die Antwort, wie schon einmahl anhören müßen, hierauf erfolgen wird, der Trucker samt seinem Weib hat gar ein gutes lob, dieses war aber das erste mahl, daß solches habe gehöret, und diese 2: Leuthe, die eben so einfältig nicht sind, als mans ansihet, habe loben hören, ich wolte aber gar leicht errathen, wer diejenigen wären, die dieses Lob gesprochen, eines theils werden es diejenigen seÿn, die Ihme Geld leÿhen, und vielleicht andern Nutzen von ihm haben, andern theils werden einige darunter seÿn, die es mit der Frau gut können, und den Mann unter die Zahl der gekrönten Häupter setzen, ich sage es nicht vor mich, sondern habe es so von ihrem gewesenen Kostgänger gehört, und glaube ich doch, es würde, so man beßer nachfragte, wahr seÿn, indeme diese Frau eine Mitschwester war, der bekandten Wolffin Buch= und Kunst=Händlerin[2], die auf dem Neuen Bau gewohnet, und nur die Brandenburgerin genennt worden, mit welcher Sie gäntze Nächte, in den Wirthshäusern herumvagiert, und dieses eben nicht allein; sie sind wegen ihres schönes lebens und guten lobs auch auf andere art bekandt, und glaube ich, der saubere Reuß[3] wird Sie auch nicht geschändet haben.

Wann dann nur ein gutes lob sprechen so viel außgewürckt, daß dieser Trucker bald loß worden, so wolte ich gewiß vornehmere Persohnen und zwar nicht auf obbemelte Art benennen, welche von mir ohne Verletzung ihres Gewißens nicht das geringste Übels sprechen können, man dörffte, wann es darauf ankäme nur die Kauffleuthe fragen, es würde mich keiner geschändet haben; Ich setze zwar diese anjetzo auf die Seiten, man möchte

[Blatt 345]
sonst anjetzo noch, wie anfangs argwohnen, daß Sie mit mir unter der Decke gelegen, sondern ich will andere Ehrliche Burger denominieren, ex: gr: den Flaschen Wirth, den Hirschen Wirth, den Weiß= und Roth=Hahner Wirth, Euer Wohlgebohrn und Gnaden darffen aber nicht gedencken, als wann diese deß Nutzens wegen von mit gutes sprechen würden, sondern ich habe Nutzen von Ihnen, die Frembden Hausierer logieren beÿ diesen, von denen ich meine Nahrung habe, diese nicht allein; Hl: Geißler, Hl: Buckelmann Chirurgi, der Stadt=Sattler Heuer und wann es auf einen Numerum ankäme, wolte ich etliche hundert bennen, so lauter Ehrliche Bürger sind, und keine Protestanten, von mir werden nur solche leuthe übels reden, die selbsten so voller flecken sind, als Ein Pader, damit man ihme vergeßen solle, und dieses werden meistentheils Schreiber seÿn, wo man eher Ursach hätte ihr Gewißen nach ihren doppelten Pflichten zu examinieren, da es sich dann leichtlich zeigen würde, daß der Andreae um 50: pro Cento Ehrlicher seÿe als diese.

Ich muß doch diejenigen Puncten ein wenig durchgehen, worüber ich solche erbärmliche Pein, Marter und Qual außstehen müßen, und so lange deßwegen carceriert werde.

1.) Die infame Medaillie, so ich anfangs auß schon oft berührten Ursachen wegen des Bernds gelaugnet; beÿ dieser hat es in den Gedancken der Herren Hochgelehrten nicht anderst seÿn sollen und können, als ich müste den Inventorem, wo ich dieser nicht selbsten gantz gewiß seÿe, wißen, allein, gleich wie meine Gewohnheit nicht ist, mit etwas zuruckzuhalten, wo ich anfange zu bekennen, so zeiget es sich auch bald darauff daß keine fernere Wißenschafft hatte, indeme der Ertzbößwicht Glück[4] mich selbsten als Antagonist defendierern müßen, nicht nur zu dem alten Bernd[5] und der Truckerin, sondern auch zu dem von meiner Frau an ihn abgeschickten Botten gesagt, daß weder ich noch der Stecher weiter etwas davon wüßten, welches der Bernd und die Truckerin auch coram Judice aÿdl: außgesagt, und hätten gewiß diese beede mir auch nicht zu gutem geredet, ist also meine gethane Aussage durch dieses wider bekräftiget, und ich von ferneren Verantworten dadurch befreÿet.

2.) den Regenspurger Brieff anlangend, daß ich an diesen nicht mehr gedacht, wurde mir als ein hartes crimen etlich mahlen vorgehalten, daß solche negiert, allein auf Sachen, daran mir nicht viel gelegen, habe ich keine attention und so bald ichs gelesen, so gedencke ich nicht mehr daran, welches mir auch beÿ diesem Brieff passiert, und habe ich mein Lebtag keinen Buchstaben, weder an den trucker noch seine Frau nach Regenspurg geschrieben, solches wird schon zur Genüge bekandt seÿn; wegen deß erstbemelten Brieffs und der darinnen enthaltenen Bögen die Annales Mülleri[6] betreffend, hat mich der inhafftierte und mit mir confrontierte Hahn[7] ebenfalls von fernerer Verantwortung befreÿet, weilen es Ihne angehet.

3.) Der dritte Punct, die Noten der Findelrechnung betreffend, beÿ diesen habe mich gleich im Anfang auf einen Ehrlichen Zeugen berufffen, so noch beÿ leben, und ein frommer Mann ist, es war der Oheim[8] auf dem Obstmarckt, der wird samt seinem diener attestieren können, daß diese Noten samt der Correctur und Verbesserung deß Ämterbüchl: der verstorbene Kittler[9] zu ihme hingegeben, mit vermelden, mir solche einzuhändigen, woran ich auch im geringsten keine Hand angelegt; bekandt war nicht

[Blatt 346]
nur das Aemterbüchl; sondern auch die Findelrechnung schon in der gantzen Stadt und in der Nachbarschafft, wo man hinkam, weilen es in Menge von Regenspurg heraufkommen, sonsten hätte ich gewiß meine nachgetruckte verkauffen können, und wären mir nicht fast alle überblieben, allein auf solche Art habe ich noch alle Findelrechnungen biß auf 75: worunter der Monath[10] 50 Stk. erhalten, und Ämterbüchl: biß auf 120 stk: welche der infame Glück in einem Kistl; beÿsamen noch ligen hat: Ist also hierdurch die gethane anzeige von dem Glück und Reußen[11] als wann ich der Thäter selbst wäre, auf einmahl zu Grund und Scheitern gangen.

4.) Das Gespräch im Reich der Todten, worüber ich angeklaget worden, ist der Mühe nicht werth, daß man ein Blättl: Pappier eines Zoll groß deßwegen verderbt, weilen es ein Gebäude ohne Fundament und auf purem Sande stehet, diese Extracte davon zeigen samt denen Terminis Pyrotechnicis, welche sich zu dieser Sache einen, wie ein Faust auf ein Aug, daß ich diesen Purschen samt seiner lotter mehr für einen Narren gehalten, und was anders darunter gesucht, mithin lohnet es der Mühe nicht, weiter etwas davon zu melden.

5.) Das an dem Rath=Hauß angeschlagene Pasquill, worüber ich bin so gar scharff befraget worden, habe ich ja gleich beÿ der ersten Frage meine Antwort gegeben, daß ich selbiger Zeit gar nicht hier gewesen, und solches habe ich mit vielen Ehrlichen außwärtigen Zeugen belegen wollen, allein es hat nichts geholffen, sondern, es wurde mir der vor aller Welt infame Trucker unter das Gesicht gestellt, dieser solte mich überzeugen, allein, wie wunderbahr und augenscheinlich hat Gott der Herr diesem verruchten Mann seine schrifftlich gethane anzeige durch seine mündl; Aussage zernichtet und corumpiert, also daß Er nicht einmahl mehr gewußt, was Er schrifftlich von sich geben, solches zeiget das Protocoll, und meine beede Herren Schöpfen Wohl gebohrn und Gnaden samt dem Protocollisten Ledermüller[12] werden es selbsten bejahen müßen, daß Er die erstere anzeige durch seine Aussage beÿ der Confrontation selbsten wiedersprochen, dieses hat Gott gethan, und ist diesem bösen alten Schalcken ergangen, wie denen 2: ältesten, so in der Historia von der Susanna zu leßen, ich aber meines theils bin umb so mehr erfreuet, daß ich an diesem ärgerlichen und aufrührerischen Pasquill weder Theil noch Wißenschafft habe, und glaube auch, daß zur Genüge defendiert seÿe, weilen viele auß der Hochlöbl: Rathstuben selbsten glauben, daß ich der thäter nicht seÿe, wohl aber meineten, ich hätte Wißenschafft darum, welches letztere umb so weniger seÿn kan, weilen es außer meiner Gewohnheit wäre jemand zu schonen, wie es meine schrifftliche und mündl: gethane anzeigen genugsam darthun, daß weder kleine noch große geschont, sondern jederzeit beÿ der gründl: Wahrheit geblieben; ich machte mir auch nichts darauß, wann ich Wißenschafft hätte, wer solche gethan, zu sagen

[Blatt 347]
und solten es einige aus der Wohl=löbl: Rath=Stuben oder von denen Herren Consulenten selbsten seÿn, dann ich in solchen Sachen gar keine Menschenfurcht habe, und auch Vatter und Mutter nicht mehr schonete, weilen es Sachen sind, welche wider Gott und das Gewißen lauffen. Der Hubertische [13] Brieff aus Nördlingen weiset auch zur Genüge, daß alle Umstände mit meinen gethanen Aussagen d'accordo sind. Daß aber diese Canaans art der Guntzelmanns[14] en faveur deß verruchten Glücken sich zu dieser falschen Zeugschafft hat brauchen laßen, weiß ich gar wohl warum es geschehen, Er vermeinte dadurch diese Gnade zu erhalten, seiner losung die Er seiner Geständnus nach schon gar lange Jahr schuldig ist, quitt zu werden, umb mit seiner, schon beÿ Lebzeiten der ersten Frau lange Jahre gehabte Concubine, wie es stadtkündig, Hochzeit machen zu können: Ist das aber nicht vor Gott und der Welt auch in allen Rechten höchst=sträflich? Das Weltliche Recht verstehe ich nicht, allein in dem 5: Buch Mosis am 19: Cap. vom 15: Vers biß zu Ende lieset man, wie Gott Hl: denen Richtern selbiger Zeit befohlen mit einem solchen Mann zu verfahren, und ist gewiß sehr wohl zu leßen: In meiner Würtenbergischen Kinderlehr habe ich von Jugend auf gelernt, so mir noch beÿfällt.

Interrog. Auf was Weise geschiehet solche Zeugnuß im Gericht?
Resp: Wann der Kläger den Nächsten (a) fälsclich verklaget, (b) der Zeuge fälschlich zeuget, (c) der Verklagte die wahrheit von der Obrigkeit (die an Gottes Stadt ist, 2: Chron: 19: 6:) läugnet, (d) der Jurist oder Advocat die Sache verkehret, und der Richter (e) ein Klagerecht urtheil spricht.


(a) Marc: 15, 3. Matth. 27, 13. 18. (b) 2. B. Mos: 23, 1. Sprüchw: 24, 28: Matth. 26, 59. 60. 1. B. König. 21, 10. 13. (c) Joh. 7, 19. Sÿr. 4, 31. (d) 1. B. Mos: 23, 6. etc. (e) Mich. 7, 2.3. Esa. 5, 20. Amos 6, 12. Ap. Gesch. 13, 2. etc. Esa. 10, 1. etc.


Dieser Gottlose Guntzelmann ist also nach denen göttl. Gesetzten höchst=sträfflich, vermuthlich werden die Weltl: Rechte auch nicht leer lauffen, sonsten wäre es hart vor einen Menschen, der mit falschen Zeugen beleget wird; zudem wann man die Sache recht einsihet, so sind der Guntzelmann und der schöne Reuß diejenigen, welche die Wahren aus der Stadt practiciert haben, was der Andreae hat wollen, (quod bene notandum) Seiner Hohen Obrigkeit einhändigen, solches ist der Guntzelmann auch schon geständig gewesen, da Er mit mir confrontiert worden, wie ich ihme vorgehalten , warum Er die Kupferblatten heimlich aus der Stadt gebracht, da ichs doch ihme verbotten gehabt, und zu Ihme gesagt, ich wolle es Hl: Volckamers[15] Hochwohlgebohrn und Gnaden einhändigen, er mir in Confronte zur Antwort gegeben, Gewiß seiner 200: fl: wegen, die Er an den Glücken zu fordern hat, habe ichs sollen hier behalten. Zudeme hat ja der Reuß alle anschläge dazu gegeben, wie man Sie aus der Stadt mit Manier bringen könne, hat auch würckliche Hülffe dazu geleistet, und dem Guntzelmann assistiert, dieses ist etwa 10: oder 12: Tag vor meiner Einhafftierung geschehen, und doch meinen es diese Leuthe gut mit Einem HochEdlen Rath, sie gehen gantz ruhig in Freÿheit herum, der eine hat sich so gar gerühmet,

[Blatt 348]
daß Er wochentl: aus dem Allmosen etwas erhalte, auf solche Art würden wohl diejenigen, die der Stadt Schaden thun noch belohnet, deßen hat Er sich offentl: in Compagnien gerühmet, und gesagt, wie Er dann sonsten leben wolte, wann Er diese Gnade nicht erhalten hätte; von diesen saubern Chorherren würde es sich gantz anderst zeigen, wo mir meine vor Gott und Rechts wegen erlaubte Defension zugelaßen würde, daß es aber nicht geschihet, kan ich mich umb so weniger begreiffen, was die Ursache deßen seÿn mag, und ist die Frage, ob die Herren HochGelehrte vor Gott sich zu verantworten getrauen, daß sie mich auf solche falsche, nichtige und grundlose Anzeigen mit aller force zu gravieren suchen. Da es doch eine Unmöglickeit ist, und kein Mensch in der Welt, (verstehet sich) der ein Christ ist, auftretten kan, und mir mehr etwas unziemliches nachsagen, und biete ich dem Satan und all seinem gottlosen Anhang hierinnen trutz, ich habe ein gutes Gewißen, welches mich nicht mehr beißt. Man höre Honette Ehrliebende Cavallier an dem Würtzburgisch und Bambergischen Hoff ex. gr. Hl. von Fichtel,[16] Hl: Geh. Rath Bauer,[17] Hl. Doctor Habrecht[?],[18] an dem Anspachischen Hoff Hl: Geh: Rath von Seckendorff,[19] Hl: Geh: Rath von Lentersheim,[20] Hl: von Bucker,[21] Hl: von Scheurl,[22] Hhl: Kauer[23] Räth alle auch an dem Churbayerischen Hoff Hl: von Unertel,[24] Hl: von Preusing,[25] Hl: von Königsfeld[26] etc. Man frage diese auf ihre Seeligkeit, ob ich mein lebtag wider meine Obrigkeit contrair gewesen, oder zum Schaden etwas gethan, ja diese Herren werden alle sagen, daß Sie mich dieser Ursache wegen gar wohl leiden können, weilen ich mich gar wohl wiße in Schrancken zu halten: auf solche Leuthe bezihe ich mich, und nicht auf Canaillien, wie der Glück und seine Anhänger sind. Es ist mir leid, daß ich die verfluchte ordre von ihme bekommen auf solche listige Art, wie ers hereingesandt, da keine umbschrifft darinnen war und man nicht sehen können, was es ist; beÿ solchem liderlichen Gesindel habe ich ja niemahlen nöthig gehabt die Wahrheit aufrichtig zu sagen, und was Stadt und Land kündig und jedermann davon gewußt hat, was hat mir dieses für Schaden thun können, wann ich gesucht die Gemüther und ihre Meinug dadurch zu erforschen, man frage alle außländische Beamte in der Nachbarschafft ferner, ob Einer von allen auftretten kan, der sagete, daß ich Ehl Rath etwas zu Schaden geredet, das contrarium will ich hundertmahl beweisen, dieses ist eben die Ursach daß es mich schmertzet frembder Sünden zu büßen, und fällt mir dieses Sprichwort ein, so heißet, Quod suspeccavit, succula saepe licet. Der Unschuldige muß offt mit dem Schuldigen herhalten.

[Blatt 349]
6.) das von frembder Hand ohne mein Begehr geschriebene Pro Memoria habe in meinem vorigen schon gemeldet, daß hierüber eine Verantwortung zu geben mir nicht kan zugemuthet werden, indeme es nicht meine Arbeit, nicht mein Will, nicht meine Handes Unterschrifft dabeÿ, was kan es mir dann schaden, wann es mir ein anderer hat wollen zu guten aufsetzen, ich aber solches angenommen, und nicht übergeben, da ich gesehen, daß es mir nicht anständig, hat vielleicht dieses nach denen Rechten die harte Straffe verdienet, dann deß Pasquills wegen und der andern Sachen kan es ohnmögl: seÿen, sonsten müste der Trucker noch sitzen, ob mich aber gleich die Herren HochGelehrten haben bereden wollen laßen, ich würde mich irren, wann ich sage, daß dieses nicht in meinem Hauß gefunden seÿe worden, so weiß ich mich doch biß dato nicht zu besinnen, daß es jemahlen solte nach Nürnberg, vielweniger in meine Bewohnung gekommen seÿn, und glaube ich vielmehr der Ehrvergeßene Glück hat dieses erst kürtzl: hereingesandt, weilen Er durch genaue Nachricht von hier aus mercken wird, daß Er seinen Kumpanen nicht erreichen kan, so sucht Er auch anjetzo diejenigen Sachen hervor, die seine eigene Arbeit betreffen, umb nur mich zu stürtzen. Allein ihr anschläg Hl: zu nichte machen, laß sie treffen die böse Sach. etc. Mich nimmt nur wunder, daß Er nicht auch anhero berichtet hat, wie ich Ihme gemeldet, und solches zwar aus Spott, weilen Er ein solches großes Maul hat, Hhl: von Nürnberg ließen einen großen Berg außerhalb der Schantz applaniren, und stück darauf pflantzen etc. Solche Narrenpoßen und S. v. Lügen dabeÿ, habe ihme sehr viele gemeldet, da habe ich meine gröste Freude mit Ihme gehabt, welches mir Hhl: Beamten selbsten offt mit viel Lachen erzehlet. Solte ich hierinnen so hart gefehlet haben, dieses kan mich auch nicht bereden laßen. Werde ich aber etwa diser wegen so lange gestraft daß vieles gewußt, und Einem HochEdlen Magistrat angezeigt, welches zwar nur an 2: hohen Orthen geschehen, so müste ich diese Schuld auf die Curiositet werffen, allein ich zweiffle, ob das Wißen einer Sache die indifferent ist, eine Sünde seÿe, folglich auch keiner Straffe würdig, daß ich aber hören müßen, ich hätte mich durch das samlen dieser scabieusen schrifften[25] schon verdächtig gemacht, so müßen auf solche art sehr viele verdächtig seÿn, ja sehr viele unter denen Hochgelehrten, die es ebenfals gesamlet, oder soll dann ich der einzige frembdlinge in Nürnberg seÿn, der nicht wißen darff, was in diesen Tagen und Zeiten passiert. Ich nehme mir aber jederzeit anjetzo, und auch vorher zur Regul, prüfet alles und das gute behaltet, meidet allen bösen schein; welches letzter zwar ich nicht observiert.

[Blatt 350]
Wann dann nun Hochwohl Gebohrne Gnädige Herren ich vermeine, daß nach denen Göttl. und Weltl. Rechten vor eines begangenes Unrecht genugsame ja allzu lange Straffe außgestanden, wodurch mir nicht nur sehr vieles an der Nahrung entzogen worden, so glaube auch, daß es anjetzo ein Ende haben werde, dann wann es genug ist, so hört man auf, ich leide fünffach gegen einen andern, der doch mehrere Straffe verdienet als ich, hat dann Ein HochEdler Rath an bettelleuthen einen Gefallen, gewiß ist, daß sie auf solche art mich samt Weib und Kind an den Bettelstab jagen; Es wird Euer Hochwohl Gebohrn und Gnaden umb so weniger eine Ehre seÿn, als man doch durch diese lange Zeit überahl weißt, daß ich derjenige nicht bin, wovor ich außgeschriehen worden, ein jeder vernünfftige wird sagen, der Trucker hat Hand angelegt, warum ist dann dieser loß kommen so bald, die andern Glückisch und Reußische Calumnien sind ja nicht von solcher qualitet, daß man sagen könte, Sie wären so sträfflich, absonderlich da das Hertz gantz anders, wie es wohl bewußt ist, beschaffen gewesen, als der Mund dann und wann geredt, durch diese langwührige Gefangenschafft ist mir beÿ 500: fl: an der Arbeit gewißenhafft angezeigtes, entzogen worden, solte ich dann beÿ solchen gestalten Sachen nicht genug gestrafft seÿn, Gott züchtigt mit maßen, doch daß man nicht gar aufgerieben werde, jezo fehlet nichts mehr, als daß ich samt Weib und Kind bettle, die Herren Hochgelehrte haben sonst auch beÿ denen ärgsten Mißethätern sehr große Behutsamkeit, besonders der Herr Consulat Scheurl, warum stürmt man dann so erbärmlich auf mich loß, und sucht mich mit den schlüpfrigsten Fragen zu fällen, da ich doch verhero alles ordentlich gleich anzeige, wobeÿ ich mich allezeit finden laße: Und wann mir meine Defension zugestattet wird, so solle durch selbige vieles zum Vorschein kommen, und ich will dadurch zeigen, daß ich Ehrlicher bin, als sich sehr viele doppelt verpflichtete außgeben, und vermuthlich viel böses von mir reden; Euer Hochwohl Gebohrn und Gnaden erwägen doch selbsten, wie hart es wäre, wann man dem Beklagten keine Defension zugestattete, und jederzeit dem Kläger gleich alles geglaubet würde, gewiß Ein HochEdler Rath hätte beÿ denen Kauffleuthen den kurtzen gezogen, wann die Defension und gerechte Verantwortung nicht wäre erlaubt gewesen, und hätten die Kauffleuteh in dieser ihre KlagSache Richter abgeben dörffen, es würde manchem vornehmen Rathsglied sehr übel gegangen seÿn, ich verhoffe also diese hohe Gnade von Einem HochEdlen Rath zu erhalten, daß anjetzo auf Ehrliche Caution erlediget werde, dabeÿ aber Erlaubnus habe und bekommen möge meine Defension gegen meine falschen Ankläger zu suchen. Ich versichere anbeÿ

[Blatt 351]
nochmahlen, daß durch meine Defension die meisten Sachen erst werden zum Vorschein kommen, wo solche herfließen, und der Canal dadurch entdecket werden; Ich werde in Zukunfft zeigen, daß Sie keinen meineÿdigen, sondern einen getreuen Bürger haben werden.

Für diese mir, und meinem Weib und Kind erzeigende hohe Gnade, so wir taglebens erkennen werden, sollen wir nicht ablaßen, Gott den allmächtigen anzuflehen, daß Er die Treuen Regenten dieser guten Stadt vor allem Übel bewahre, und vor allen Geistl: und Leibl: Feinden bewahren wolle, in welcher Hoffnung ich dann mit unterthänigstem Respect verharre

Hochwohl Gebohrne, Gnädige Herren

dero

é Carcere terribli den 20: Novembris:
1733:

Treu Gehorsamster
Johann Philipp Andreae
Mathematicus et Mecahnicus.
schon 25: Wochen hart gefangen.


Fußnoten

  1. Finis coronabitur opus: Das Ende wird das Werk krönen.
  2. Am 26.11.1728 wurde Maria Susanna Rosina Wolf, Ehefrau des Kunsthändlers Johann Peter Wolf bestattet. Bestattungen St. Sebald 1721-1732, S. 305 (Scan 178), Eintrag 165. In den Monathliche historisch=litterarisch=artistische Anzeigen vom Juni 1800, S. 96, wird die Kunst- und Buchhandlung von Johann Peter Wolf auf dem Dielinghof erwähnt. Dieser könnte der Nachfolger der genannten Buchhandlung gewesen sein.
  3. Johann Georg Reuß war Schreiber in Schweinau und scheint enge Beziehungen zu Johann Paul Glück in Schwabach gehabt zu haben. Ein Brief von ihm liegt im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 95-97.
  4. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  5. Conrad Bernd (1683-1739) war der Vater von Johann Christoph Bernd.
  6. Vgl. Müllner, Johannes: Die Annalen der Reichsstadt Nünberg von 1623. Band 1. Nürnberg 1972. Band 2: Nürnberg 1984.
  7. "Johann Hahn, Burger und Corporal unter der hiesigen alten Mannschafft, ein Weib und 5. Kinder habend, und 58. Jahr alt", Verhör vom 19.10.1733. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 232.
  8. Der Spezereihändler Johann Georg Oheim (?-1738) war 1705 Genannter des Größer Rats der Stadt Nürnberg geworden. Roth, Johann Ferdinand: Das Verzeichnis aller Genannten des Grö:ßen Rats zu Nürnberg. Nürberg: Milbradt 1802. Kommentierte Reprint. Neustadt a.d. Aisch: Verlag für Kunstreproduktinen 2002, S. 151. Er wurde am 02.03.1738 auf dem Rochusfriedhof bestattet, Bestattungen St. Lorenz 1703-1741, S. 497 (Scan 327).
  9. Johann Georg Kittler schrieb sich 1706 an der Universität in Altdorf ein. 1732 war er Prokurator am Nürnberger Untergericht. Im Verhör von Andreae vom 3. Juli 1733 wurde Kittler als Prokurator bezeichnet, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 200. Kittler wurde am 30.03.1733 bestattet, Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 61 (Scan 49), Nr. 65.
  10. Gemeint sein dürfte der Buchhändler Peter Conrad Monath (1683-1747).
  11. Diese Person konnte bislang nicht näher identifiziert werden.
  12. Balthasar Ledermüller (?-1748) war Schöpfenamtsschreiber und später Rugschreiber. Vgl. Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 2. Nürnberg 1756, S. 415 sowie Nopitsch, Christian Conrad: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 6. Altdorf 1805, S. 282.
  13. Hubert scheint Hausverwalter in Nördlingen gewesen zu sein. Der Brief von Hubert liegt im Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 263-266.
  14. Am 24.05.1728 heiratet der Altmacher Johann Christoph Gunzelmann Anna Ursula Seidner[?], Trauungen St. Lorenz 1664.1736, S. 1036 (Scan 635). Am 14.03.1735 heiratet der Altmacher Johann Wolfgang Gunzelmann Rebecca Wühel, die Tochter des verstorbenen Geschmeidemachers Johann Jacob Wühel, Trauungen ST. Lorenz 1664-1736, S. 2078 (Scan 709). Ob einer der beiden mit dem hier angesprochenen Gunzelmann identisch ist, ist fraglich.
  15. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war Ratsherr und Triumvir. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.
  16. Wahrscheinlich Franz Ludwig von Fichtel (1678-1758), der später Hofkanzler unter den Würzburger Fürstbischöfen Friedrich Karl von Schönborn und Carl Philipp von Greiffenclau wurde.
  17. Diese Person konnte bislang nicht näher identifiziert werden.
  18. Diese Person konnte bislang nicht näher identifiziert werden.
  19. Gemeint ist der Geheimrat Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759).
  20. Christoph Gustav von Lentersheim (1693-1749) war Geheimrat in Ansbach. Vgl. Biedermann, Johann Gottfried: Geschlechtsregister Der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts an der Altmühl. Bayreuth: Dietzel 1748, Tab. XLV
  21. Möglicherweise der Ansbacher Geometer und Architekt C. C. Bruckner.
  22. Diese Person konnte bislang nicht näher identifiziert werden.
  23. Diese Person konnte bislang nicht näher identifiziert werden.
  24. Möglicherweise Franz Xaver Josef von Unertl (1675-1750).
  25. Möglicherweise Johann Maximilian IV. Emanuel von Preysing (1687-1764).
  26. Möglicherweise Johann Georg von Königsfeld (1679-1750).
  27. scabieuse Schriften: krätzige Schriften.

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