Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Teufel, Barbara und Johann Leonhard
Empfänger Verhör
Ort Nürnberg
Datum 9. April 1734
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 114-117 (Original) Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Merkel Hs 2o 647, S. 135-142 (Kopie)
Transkription Hans Gaab, Fürth

Verhör
der MännerEisen Meisterin Teuflin
und deren Sohnes, über die Entweichung
des Andreae aus dem Gefängniß
d.d. 9:ter April 1734.

Actum im Schöpfen=Amt 6./9. April
1734.

Aud:
Herr C. S. F. Grundherr[1]
Herr H. C. Löffelholz[2]

Barbara Teuflin, Burgerin und MännerEisenmeisterin hat anheute, auf ernstliches Befragen und Ermahnen die reine Wahrheit anzuzeigen, vermeldet:

Sie habe leztens schon die ihr bekannten Umstände von des Andreä Entweichung, nach ihrem besten Wiß und Gewißen ausgesagt[3] und versichere sie: daß die obere Stiegen= oder Hauptthür gut verwahrt und verschloßen und der Schlüßel nicht daran gestecke t gewesen: und wäre die ganze Sache, daß ihr Sohn, wegen des starcken Rauchs, des Andreä Stübleins Thür offen gelaßen und sich beÿ seiner eingekehrten Frau Dot[4] Jägerin mit Reden verweilet habe.

Sie bitte demüthigst um oberherrl. gnädigste Verzeihung dieses ihr in das innerste ihres Herzens dringenden und ihr unbeschreiblichen Jammer, Sorg und Herzenleid causierenden Fehlers, und zumalen in gnädiger Beherzigung ihrer 21. jährigen Dienste, da sie so viele hundert Gefangene, worunter ja, gnädig bekannter maßen, so viele grund böse Moerder, Rauber und dergleichen gewesen, in Verwahrung gehabt und alle schuldige Aufsicht, Sorgfalt, Verwahr= und Besorgung, getreulichst gezeigt habe: wobeÿ sie aufs höchste contestiret hat, daß sie den Andreä in ihrem Haußhalten niemahlen herum= ja nicht ein einziges mal in die Sträfer Stube gehen laßen; und wüßte sie wohl, daß ihre Feinde viel böses aus auszustreuen, sich

[Blatt 115]
nicht scheueten, sie verlaße sich aber auf Gott und ihr gutes Gewißen und wolte, sie die Leuthe sehen, die ihr, wegen dieses Andreä etwas unrechtes mit Warheitsgrund nachsagen könnten.

Eodem.

Johann Leonhard Teufel, Burger und Männer Eisen Meister, aet: 27.[5] hat nach ebenmäßigem ernst= und nachdrücklicher Ermahnung, die pure lautere Wahrheit anzuzeigen, folgendes erzehlt:

Wann der Wind zwischen Abend und Mittag hergienge, so würde das Stüblein, worinnen der Andreä gelegen, voller Rauch, und dieses seÿe auch heute vor 14. Tagen also gewesen; deswegen dann er Sager des gedl. Andreae Stübleins Thür offen gelaßen= und die Intention gehabt habe, solang dabeÿ zu bleiben, biß der Rauch vergangen seÿn würde, und als dann die Thür wieder zuzumachen und nach Gebühr zu verwahren; Da aber seine Frau Doth, die Bleÿweisstefftmacherin Jägerin eingekehrt, und er hervor geruffen worden, habe er sich beÿ dieser wider Vermuthen verweilet und die Stübleins Thür zu lang offen gelaßen. Eine halbe Stund vor 2. Uhr der größern zu Abends[6] habe er solchem Andreä eingeheizet und wäre eine starcke Viertel Stund dabeÿ stehen geblieben, sodann zu seiner Frau Dodh hervorgekommen,

[Blatt 116]
eine Viertel Stund nach 2. Uhr aber habe er sich zuruck begeben, weilen er sich an die offen gelaßenen Stübleins Thür, und zwar mit Schrecken erinnert, deswegen er in gröster Eil hervorgeloffen seÿe, sich aber an der offen gestandene obere Stiegenthür ungemein hart gestoßen und dieses ihm seinen Schrecken aufs äuserste vermehret= auch, da er beÿ der Annäherung den Andreae nicht in seinem Stüblein angetroffen, sich fast gar nicht mehr verwußt= und demnach solches seiner Mutter sogleich zu ihrem größten Jammer hinterbracht habe: Er könne mit gutem Gewißen erhalten, daß die Stiegen= und Haußthür vest verschloßen und lediglich nur sein Versehen ware, daß er des Andreä äusere Thür, so mit einem Riegel versehen seÿe, in Zeiten zuzumachen vergeßen. Die innerste StübleinsThür habe nur eine Schnalle und wäre also nicht zu versperren.

Der Andreae habe die geringste Freÿheit, im Hauß herum oder in eine Stube zu gehen, nicht gehabt, auch wäre ihm sonst nichts unerlaubtes zugelaßen worden, wann aber von einigen Leuthen ein anderes vorgegeben werden wolte, so seÿe es die pure Unwahrheit.

Hohe Obrigkeit würde seine und seiner Eltern vorige ehrlich=getreue und sorgfältige Dienste wißen,[7] und dörffte von ihm und seiner Mutter aufs sicherste glauben, daß des Andreä Entweichung ledigl. durch seine bösen Geiste, und keineswegs auf verbottene Weiß geschehen seÿe

[Seite 117]

  Auf Andeutung: daß sich beede in dem Gefängniß einstellen sollten;

baten sie beede mit Weÿnen um oberherrl. Gnade, absonderlich aber sie, weilen sie keinen wißentlichen Antheil an dem Versehen hette: und Er will sich dem oberherrl. gel. Befehl gerne unterwerffen, wann er nur wißte, wer oder was für eine Manns=Person einsweilen beÿ seiner Mutter bleiben solte, indeme die Seinige ohnehin in beständiger Sorg und Furcht seithero lebte: und wollte er dieserwegen hohen oberherrl. Befehl in geziemender Unterthänigkeit erwartten.

  Auf Vermelden: daß der oberherrl. Verlaß dißfalls, nemlich wegen des Verhaffts schon vorhanden seÿe.

hat er sich so gleich erbotten in das Gefängniß heute noch zugehen.

Fußnoten

  1. Karl Sigmund Ferdinand Grundherr (1694-1763) war seit 1731 jüngerer Bürgermeister. 1732 wurde er Rugherr, wobei das Rugamt für die Handwerker der Stadt zuständig war. Als jüngerer Bürgermeister hatte er auch abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 485-491
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
  2. Johann Carl Löffelholz (1673-1756) wurde 1733 jüngerer Bürgermeister, womit er abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen hatte, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 689
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
  3. Die Eisenmeisterin war bereits am 27. März verhört worden, vgl. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Merkel Hs 2o 647, S. 127-129 (Kopie).
  4. Dot ist die Patentante. Sein Taufpate, der Bleistiftmacher Johann Leonhard Jäger hatte am 09.03.1711 Helena Susanna Bünzel geheiratet: "Der Ers. Johann Leonhard Jäger, Bleisteftmacher, des Ers. Johann Wolfgang Jäger Bleisteftmachers E.S. Die Tgs. Jfr. Helena Susanna, des Ers. Johann Ludwig Bunzel, Meßerschmides E. T., Betstund, ☽ d. 9. Mart [1711]", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 755 (Scan 481). Vgl. Proklamationen St. Lorenz 1695-1715, S. 595 (Scan 304), Eintrag 40.
    Johann Leonhard Jäger wurde am 04.01.1687 getauft und am 05.10.1761 bestattet: "Hanß Wolfg. Jäger, Bleÿweißschnieder, Kunigunda, Johann Leonhard, Johann Leonhard Ehr, Trompetenmachers, Ehel: Sohn 4. [Januar 1687]", Taufen St. Lorenz 1681-1692, S. 501 (Scan 191). "Der Ersam Johann Leonhard Jäger, Bleÿweißsteftmacher, in der Johannis-Gaß, ☽. d. 5. dit. [Oktober 1761] [...] St. Joh.", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 322 (Scan 218), Eintrag 142.
    Helena Susanna Jäger wurde am 03.06.1754 bestattet: "Die Tugendsame Fr. Helena Susanna, des Ersamen Johann Leonhard Jäger, Bleÿsteftmachers, Ehewirthin, in der Johannisgaß, ☽ d. 3. Jun. [1754] [...] St. Joh.", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 195 (Scan 153), Eintrag 99.
  5. Johann Leonhard Teufel (1707-1759) war am 27.10.1707 getauft worden: "Joh. Georg Teuffel, Rotschmid, Barbara, Johann Leonhard, Jäger, Junggesell, Joh. Wolf. Jäger Bleÿstiftmachers E. Sohn. 27. [Oktober 1706]", Taufen St. Lorenz 1697-1716, S. 300 (Scan 155), Eintrag 10. Am 26.02.1759 wurde er auf dem Johannisfriedhof bestattet: "Der Erbar u: Kunsterfahrene Johann Leonhard Teufel, Kupferstecher u: Prison-Meister, beÿ der Heuwaag [Vordere Insel Schütt]. ☽ d. 26. dit. [Februar 1759] [...] St. Joh.", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 273 (Scan 192), Eintrag 31. Bereits bei seiner Heirat am 27.05.1749 wurde er als Kupferstecher und Eisenmeister bezeichnet, Trauungen St. Lorenz 1737-1789, S. 277 (Scan 213), Eintrag 76. Zu Teufel siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2008, S. 1528.
  6. Somit gegen 19:30 Uhr nach unserer Zeitrechnung.
  7. Barbara Teufel hatte am 8. Februar 1698 den Rotschmied Johann Georg Teufel geheiratet, der 1719 als "Rothgießer in der Katharinen Gaß" starb. Bei der Heirat seines Sohnes Johann Leonhard wurde er aber als "Rothgießer u: Verleger, wie auch Eisenmeisters in dem Männer-Eisen" bezeichnet. Vater und Mutter von Johann Leonhard Teufel hatten also schon als Eisenmeister gearbeitet.
    Trauungen St. Sebald 1692-1727, S. 129 (Scan 66), Eintrag 9
    Bestattungen St. Lorenz 1703-1741, S. 200 (Scan 173)
    Trauungen St. Lorenz 1737-1789, S. 277 (Scan 213), Eintrag 76.