Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Michaelis, Johann David (1717-1791)[1]
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[2]
Ort Göttingen
Datum 14. November 1754
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7060, Bl. 6r-7r, 8r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Königlich Grosbritannische
zur Churfürstlich Braunschweig Lüneburgischen
Landes Regierung höchst verordnete Herren
Geheimde Räthe:

Hochgebohrner Freÿherr
Gnädigster Herr

Eure Hochgebohrne Excellenz haben vor etwan 5 Wochen mir gnädigst befohlen, sowohl meinen eigenen unmasgeblichen Gedancken unterthänigst zu eröffnen, als auch das Bedencken des Praesidenten von Hallers[3] fördersamst einzuhohlen; ob der Rath Franz und Prof. Lowitz als ordentliche Mitglieder der Societät aufzunehmen wären. Gleichwie ich meine eigenen Gedancken folglich mit der ersten Post unterthänig zu höchster Beurtheilung Ewr. Exzellenz überschrieben habe; so übersende hiebey so viel von des Praes. von Hallers Antwort, als er mir eigentlich aufgetragen hat zu überschreiben, mit Weglaßung deßen, was er in einigen vorhergehenden Zeilen blos an mich geschrieben hat, so doch auch, falls es befohlen wird, unterthänig einsenden werde. Es enthält aber nur etwas nach-

[Bl. 6v]
drücklichere Worte, damit er seine Furcht zu erkennen giebt, als könne es schädlich seyn, von den Gesetzen abzugehen.

Weil der Praes. von Haller einige in meinem Aufsaz enthaltene hauptsächliche ihm sonst günstige rationes[4] decidendi nicht mit angeführt hat, sonderlich, daß Herr von Senkenberg[5] selbst extraordinarius Collega Societatis gewesen sey, und, daß es die drey anwesenden Ordinarios, Roederer[6] Achenwall[7] und Zinn[8], sehr misvergnügt machen dürfte, wenn Fremde ihnen vorgezogen würden, alle aber zu Ordinariis zu machen auch bedencklich sey; so überlaße unterthänigst dem Gnädigen Ermeßen Ewr. Excellenz, ob etwan mein vor 4½ Wochen eingesandter Aufsatz mit disem Hallerischen verglichen werden möchte.

Eins aber muß notwendig ausdrücklicher widerhohlen. Ich weiß nehmlich aus der ersten Hand, daß der Professor Röderer in höchstem Grad misvergnügt werden würde, wenn man den Rath Frantz und Prof. Lowitz vor ihm zu Ordinariis, auch nur titulo tenus machte: und bey den Gnädigen Gesinnungen Eurer Excellenz dürfte ich sagen, es sey moralisch ohnmöglich, jene ihn vorzuziehen. Ich fürchte, wir würden in der Societät seine Arbeit dadurch verlieren. Es würde also entweder zu versuchen seyn

[Bl. 7r]
ob sich Frantz und Lowitz mit dem Titel als Extraordinaire Mitglieder wollten begnügen laßen, der einem Reichs-Hofrath nicht zu wenig gewesen ist, und sie nicht degradirt, weil die Societät keinen Civil-Rang giebt: oder, wenn dieses nicht angehet, so wäre wol mit ihnen Herr Röderer, doch ohne Salario, ohne Participation an dem Verlags-Geld der Comment. (so als pare Salarii schon vergeben sind) und ohne Voto, zum Ordinario zu erklären. Doch wäre das erste das beste: sonderlich, da ich von H. Prof. Mayer vernehme, daß Frantz des Lateinischen nicht mächtig seyn mag, folglich in unsere Commentarios nicht wohl arbeiten kann.

Ewr. Hochgeb. Excellenz bitte demüthigst um gnädige Nachsicht der Freyheit, mit welcher auf Hochderoselben Befehl meine Gedancken so gerade heraus, und ohne Umschweife schreibe; und verharre mit tiefster Deveneration

Hochgebohrner Freyherr,
Gnädiger Herr,
Ewr. Hochgebohrne Excellenz

Göttingen den 14.
  Nov. 1754

unterthänigst Diener
Joh. David Michaelis.



Extract aus dem Briefe des Praesidenten von Hallers
vom 25 Oct. 1754.

[Bl. 8r]

"Hier sind, wie es E. E. verlangen, die Worte die man nach Hannover berichten kann.

"Herr Frantz und Lowitz sind eine rühmliche Vermehrung der Academie. Ich glaube, es ist die Anzahl der drey Ordinariorum eigentlich etwas minder zu schonen, als die der Exterorum. Dann sie ist wol zum Theil so fixirt worden, weil man nicht gehofft, daß man über drey willige Professores Ordinarios zu Goettingen finden würde. Aber ich habe dennoch einiges Bedencken, sie zu sehr zu erweitern.

  1) weil man uns in Leipzig schon unserer veränderliche Gesetze spöttisch vorgeworfen.
  2) weil bei der Adoptation des Herrn Frantz und Lowitz die Geographie und Astronomie allein drey Membra, und folglich über die Physic und Philologie ein gar zu großes Verhältnis haben würde.
  3) Weil einmahl die Pflichten und Genüße auf drey Glieder eingerichtet sind, und es hernach wenn man die Anzahl vermehrte, Schwürigkeiten geben würde.

"Dis sind meine rationes decidendi.

"Ich dächte, man könnte die geographische Societät so mit der unsrigen verbinden, daß ihre zwey ansehnlichen Mitglieder bey der unsrigen Sessionem als Ordinarii, und, wenn ihnen ein Gefallen geschieht, den Titel haben, aber von der wirklichen Perception und dem Voto so lange dispensirt seyen möchten, bis man die jetzige Einrichtung veränderte. Ihre Werke könnte man doch in den Commentarium aufnehmen.

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  "E. E. gratuliren mir nicht zu meiner Annehmung unter die 8 fremden Mitglieder der Parisischen Academie! Eben die Beybehaltung der Anzahl hat diese Stelle so rühmlich und verlangt gemacht.



Fußnoten

  1. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  2. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  3. Der Mediziner Albrecht von Haller (1708-1777) war mitbeteiligt an der Gründung der Göttinger Akademie der Wissenschaften.
  4. rationes decidendi: Entscheidungsgründe.
  5. Der Jurist und Staatswissenschaftler Heinrich Christian Reichsfreiherr von Senckenberg (1704-1768) war 1752 zum auswärtigen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt worden.
  6. Johann Georg Roederer (1726-1763) war Direktor der Gebärklinik in Göttingen.
  7. Gottfried Achenwall (1719-1772) war seit 1753 ordentlicher Professor für Philosophie in Göttingen.
  8. Der Anatom und Botaniker Johann Gottfried Zinn (1727-1759) war seit 1755 ordentlicher Professor der Medizin in Göttingen. Seit 1753 war er außerordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.