Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Scheidt, Christian Ludwig (1709-1761)[1]
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[2]
Ort Hannover
Datum 30. Januar 1756
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 171r-172v
Transkription Hans Gaab, Fürth


Es ist Verwunderungs würdig, daß der Herrn Rath Franz Projecten mit Projecten häufet; u. obgleich in dem übergebenen Plan wegen einer Lands=Beschreibung[3] über aus viel Guthes ist, so daß es ein trefliches und gemein nüzliches Werk wäre, wann eine solche Geographie von hiesigen Landen zu Stand gebracht werden könte, so hat selbige doch mit dem jezigen Betrieb des Kugel Werks keine Connexion, u. es läßet sich nicht absehen, was ihn darauf hat können verfallen machen, wann er, wie er schreibet, gratis eine solche Arbeit zu übernehmen gewillet ist. Dann wann er solches, um Geld u. Diaeten zu ziehen, thun wollte, so dächte man, er wolle sich den Zuschuß verdienen, den er zu dem Kugel Laboratorio machen muß.

Dieses Kugel Laboratorium bleibet, wie billig, das Haupt Augenmerk seines Aufenthalts zu Göttingen; u. ob er gleich zu der Arbeit in Herstellung derer Globorum selber nichts beÿtragen kan, so scheinet es doch, daß es nöthig seÿe ihn von dem Instituto nicht zu verdrengen, indeme seine große Correspondenz, die er in Ansehung seiner Homännischen Officin hat, durch ganz Europa führet, dem Werk selber, wann es nur einmahl zu Stand kommen wird, zu einem weit größeren Debit verhelfen muß, als durch Herrn Prof. Lowiz allein, oder durch einen andern Socium, im Fall er einen solchen zu substituiren im Stand wäre, nimmermehr bewerkstelliget werden kan; daß also blos in dießer Rüksicht der Herr Prof. Lowiz contra propria sua commoda[4] agiren wird, wann er jezo mit ihme brechen wolte.

[Bl. 171v]
Der Herr Professor Lowiz bauet die Cörper der Kugeln, sezet das, was Maschinen mäßig ist, darinnnen zusammen, mappiret dieselbe zu dem Behuf des Kupferstechers, u. dieser lezte sticht darauß die Platte, die, wann sie einmahl fertig ist, der Herrn Rath Franz binnen wenig Monathen an alle seine Bilder Händler in- u. außerhalb Teutschland überschicken kan; u. es ist nicht unwahrscheinlich, daß, wann man nur einmahl die 36. Kupfer-Platten, die zu einem jeden Globo gehöhren, vorzeigen kan, noch viele Praenumeranten[5] oder Subscribenten sich finden werden, die bis jezo von der Weitläufigkeit des Werks sich gefürchtet haben ihr Geld zu hazardiren. Denn sind die Kupferplatten fertig, so kan jedem Liebhaber in Zeit von einigen Monathen mit denen Globis, die er bestellet, so fortan gedienet werden.

Darinnen hat also der Herr Prof. Lowiz gewis unrecht, daß er so langsam mit der Mappirung dießer Segmentorum zu Werk gehet. U. wann Ew. Wohgeb. es gefällig ist, mich zu auctorisiren, daß ich ihn einmahl nicht privato nomine, wie bißhero öfters geschehen, sondern iuste Illustrissimi Regiminis[6] antreiben dörfte; so will ich zugleich mich bemühen die Harmonie wiederum zwischen ihme u. dem Herrn Rath Franz einiger maßen herzustellen. Es ist nur betrübt, daß der Eigensinn auf beÿden Seiten so groß ist, daß man eine Menge von argumentis perusatoriis[7] verschwendet, ehe man auch nur ein wenig die Gemüther wieder reconciliiren[8] kan.

Der Herr Rath Franz wird wohl nimmer mehr anders solvendo[9] seÿn, als wann das Kugel Werk in einen guthen Gang kom-

[Bl. 172r]
met, u. wann der Herr Prof. Lowiz nicht eher, wie es scheinet, mit Ernst arbeiten will, als bis er von jenem die 2525. Rthl. empfangen, so bleibt alles in der Inactivitaet, in welcher es bishero gewesen. Es ist aber dießes gegen sein hier gethanes feÿerliches Versprechen, nach welchem er vor dem Ende dießes neu eingetrettenen Jahrs die Welt Kugel liefern wollen. Liefert er dies, so wird dem Herrn Franzen so lange der alsdann zu bezahlende Nachschuß vorenthalten, bis die mentionirte 2525. Rthl. völlig bezahlet sind. Was ist also daran wunderliches gelegen, ob der Herrn Rath beÿ ihme ein halbes Jahr länger in Debet stehet, oder nicht! Denn bis Ostern hat er ihme ja doch zu creditiren coram Commissione[10] versprochen.

Die 1000. Rthl. betreffend, die auf den Schul Atlas vorgeschoßen worden, so ist zwar freÿlich an dem, daß eine solche Entreprise sich nicht übereilen läßt. Allein dieses hat der Herrn Rath Franz vorher gewußt, ehe er sein Institutum allhier bekandt gemacht, u. darauf dießes gnädige Geschenk bekommen hat. Sollte er inmittelst anders woher hienlängliche Sicherheit verschaffen, daß im Fall er vor Ausführung dießes Projects versterben würde, die 1000. Rthl. nicht Gefahr liefen verlohren zu gehen, so wollte Ew. Wohlgeb. gehorsamst bitten für ihn hohen Orthen zu intercediren[11]. Gewis ist es, daß er eine geschikte Feder hat, daß er ferner vir laboriossisimus[12] ist, u. endlich daß von denen großen Schulden, in welchen er stehet, ihme vor seinen Leib u. Maul nichts zu guthe gekommen. Es giebt calamitates domesticas[13], davon der Caelibatus[14], in welchen Ew. Wohlgeb. leben,[15] nichts weis, u. die auch von denen meisten Ehen die göttliche Güthe entfernet hat. Wann sie aber jemanden betref-

[Bl. 172v]
fen, so können sie ihme auch die besten circulos turbiren. Aller seit deme eingezogenen Nachrichten nach gehöhret der Herr Rath Franz mit unter dieße Claße, obwohl auf eine andere Weise, als ich in meinem dermahligen Unglück;[16] welches jedoch an Ew Wohlgeb. blos im Vertrauen schreibe. Wenigstens verdienet alle Zeit derjenige, der in das Waßer gefallen ist, von denen vorbeÿ gehenden so vieles Mitleiden, daß man ihme so viel es thunlich hülfreiche Hand biethe, u. sich seine Noth zu Herzen gehen laße.

Ansonsten fehlet an denen hiebeÿ zurück gesenden franzischen Tabellen, die zu Verbeßerung der Geographie vor treffliche Dienste thun können, ein Haupt Articul, ohne welchen wir immer blind in der historia medii aeni[17] bleiben werden. Ew Wohlgeb. wißen von selbsten, daß viele öde Dörfer aller Orthen anzutreffen sind. Denen ihre Kändtniß ist absolute nöthig, wenn wir anders nicht immer im Finstern dappeln wollen. Ich wünschte also gar sehr, daß, als nun allen Beamten im Land die Berichte von ihren Ämbtern abgefordert worden sind, auch unter andern die Frage ihnen mögte vorgeleget worden seÿn, was vor aus gegangene Dörfer villae desolatae in ihren Ämbtern sich befinden? Da dergleichen Nahmen in denen Zehend=Registern u. beÿ denen Förstern u. Jägern am sorgfätigsten aufbehalten worden, so könten diese treffliche dienste thun. Es ist nicht zu beschreiben, was die Gelehrten durch solche öde Dorfstädte gemartert werden, u. ich meines Orths würde Ew. Wohlgeb. mich höchst verpflichtet erkennen, wann es denenselben gefällig seÿn wolte gelegentlich davor zu sorgen, daß unsere Herren Beamte auch hierunter accurate Verzeichniße einschicken mögten. Womit übrigens zu Ew Wohlgeb. schätzbaren Wohlwollen mich gehorsamst empfehle.

Hannover den 30.ten Jan.
        1756

CL Scheidt


Fußnoten

  1. Christian Ludwig Scheidt (1709-1761) war seit 1748 Hofrat und Bibliothekar in Hannover. Zu ihm siehe: Büsching, Anton Friedrich: Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, insonderheit gelehrter Männer, Band 3. Halle: Curt 1785, S. 263-316.
  2. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  3. Im Brief vom 18. Januar 1756 spricht Franz, er habe sich "unterwunden, darüber lezthin meinen Vorschlag mit denen Landbeschreibungs Tabellen devotest einzureichen". Diese Tabellen sind nicht überliefert.
  4. contra propria sua commoda: gegen seine eigenen Interessen.
  5. Praenumeration: Vorausbezahlung.
  6. nicht privato nomine, [...] sondern iuste Illustrissimi Regiminis: nicht als Privatmann, sondern im Namen der erlauchten Regierung.
  7. argumentis perusatoriis: überzeugende Argumente.
  8. reconciliiren: versöhnen.
  9. solvendo: zahlungsfähig.
  10. coram Commissione: in Gegenwart der Kommission.
  11. intercediren: sich verwenden.
  12. vir laboriosissimus: sehr arbeitssamer Mann.
  13. calamitates domesticas: häsliche Probleme.
  14. Caelibatus: Ehelosigkeit.
  15. Münchhausens Ehefrau war 1750 gestorben. Er hat sich aber 1755 neu verheiratet, wovon Scheidt offenbar noch nichts wusste.
  16. Scheidt hatte sich in Göttingen verheiratet. Die aus dieser Ehe hervorgegangenen acht Kinder sind alle sehr jung verstorben. 1755 entdeckte er, dass seine Frau Ehebruch beging, 1758 ließ er sich von ihr scheiden.
  17. historia medii aeni: Geschichte des Mittelalters.