Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Michaelis, Johann David (1717-1791)[1]
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[2]
Ort Göttingen
Datum 20. Juni 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 26r-27v
Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, unpaginiert [Scan 446-447] (Extract[3])
Transkription Hans Gaab, Fürth


Hochgebohrner Freyherr,
Gnädigster Herr,



Eure Hochgebohrne Excellenz halten mir zu Gnaden, daß Höchstdenenselben ich meinen Schmerz entdecke, da ich vernehme, daß durch ein Rescript die Fortsetzung der Inquisition wegen der Pasquille mitten in ihrem Lauf gehemmet ist, ehe man noch zu Hannover das Protocoll der Verhöre, so anbefohlen worden, gesehen hat, also ummöglich beurtheilet werden kann, ob es unmöglich sey, etwas zu entdecken. Die Acten geben zwar klar, daß ich bey dieser Sache nicht der Ankläger der einzelnen in Verdacht gezogenen Personen gewesen bin: da ich aber auf das schändlichste beleidiget bin, so muß es mir doch sehr betrübt seyn, wenn die nach dem Rechte und ex officio[4] angefangene Inquisition blos ex gratia[5] gehemmet werden soll: und dis um so mehr, da die Verfaßer des Pas-

[Bl. 26v]
quills, in dem einem Pasquill zum voraus gerühmet haben, es würde bey der Untersuchung blos der angegriffene Theil durch ein Ende von dieser Art lächerlich werden. Ich will jetzt noch nicht bemercken, was doch in hiesigen Landen wichtig ist, daß dis alles eine Justiz=Sache sey: sondern nur dieses, daß wenn Eure Excellenz dem Prof. von Selchow[6], deß Brief mit beygelegt worden, eine Gnade zu erzeigen gemeint gewesen sind, ich doch wol der Gnade noch mehr würdig bin, daß die Sache bis auf den Grund untersuchet werde; welches auch keinem derer ohne alles mein Zuthun einmahl zur Inquisition gezogenen zuwider seyn darf, falls sie unschuldig sind.

Ich muß noch eins bemerken. Von der Pasquill-Sache unabhängig sollen in den Actis, (die ich nicht selbst sehen mögen, weil ich mich in dieser Afaire der Deputation entzogen, um nicht Beleidigter und Richter zu seyn) die gröbsten Injurien und Drohungen von Anfällen vorkommen, die Lowitz und

[Bl. 27r]
Selchow, gegen mich, gegen das Gericht, und gegen den Prorectorem ausgestoßen haben. Ist dieses wahr, so gebühret, (vom Prorectore nichts zu sagen) von beiden Theilen, sie mögen an den Pasquillen unschuldig oder schuldig seyn, mir doch die Satisfaction, die im Duel-Mandat vom Könige erst gesetzt ist, und diese, die auf Gefängniß und Abbitte hinausläufft, muß von der Gerechtigkeit Eurer Excellenz und nicht blos von Hochdero Gnade ich erwarten: zugleich aber unterthänigst melden, daß ich desto weniger entschloßen seyn kann, in honorem Professorum hievon etwas nachzulaßen, als ich gar nicht vorgebeten[7] habe, da vor einigen Jahren mein Bruder blos wegen des Truncks, der eigentlich kein Verbrechen ist, die Dimission bekam. Die Proportion zwischen dem Trunck, und zwischen den in Acten vorkommenden Injurien und Drohungen, überlaße dem Urtheil Eurer Excellenz, und würde mich auch nicht scheuen, sie dem Urtheil der Welt anheim zu stellen.

[Bl. 27v]
Eure Excellenz werden es mir leicht zu glauben, falls Höchstdieselben mir irgend einige Empfindungen von Ehre zutrauen, daß ich mit dem größesten Misvergnügen an einem Orte leben würde, wo alle bisherige Arbeit und höchsten Orts erkannte Verdienste mir nicht einmahl den Schutz erwerben, den die Gesetze jedem versprechen.

Eure Hochgebohrne Excellenz haben die Gnade zu überlegen, was beßer sey, durch Bestrafung der auch vom Pasquil unabhängigen Injurien, solchen wie Selchow und Lowitz ist (welcher letztere ganze Jahre nicht gelesen hat.) oder durch Unterbrechung der Untersuchung, mir den hiesigen Aufenthalt betrübt zu machen.

Mit tiefster Devotion beharre,

Eurer Hochgebohrnen Excellenz

Göttingen den 20 Jun
        1763.

unterthänigster Diener
Johann David Michaelis



Fußnoten

  1. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  2. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  3. Im Extract fehlen der letzte Absatz auf Bl. 26v, die ganze Seite von Bl. 27r sowie der erste Absatz auf Bl. 27v.
  4. ex officio: von Amts wegen.
  5. ex gratia: aus Gnade, aber auch: ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
  6. Der Jurist Johann Heinrich Christian von Selchow (1732-1795) war seit 1757 außerordentlicher Professor der Rechte, 1762 dann ordentlicher Professor in Göttingen. Er war neben Lowitz der Hauptverdächtige der Universitäts-Deputation.
  7. vorbitten: altdeutsch für erbitten.


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