Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Walch, Christian Wilhelm Franz (1726-1784)[1]
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Göttingen
Datum 20. Juni 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 19r-22v
Transkription Hans Gaab, Fürth


Hoch= und Hochwohlgebohrne
Königlich Großbritannische zur Churfürstlich-
Braunschweig=Lüneburgischen Landes=Regierung
Hochverordnete Herren Geheime=Räthe,
Gnädige und Hochgebiethende Herren.




Als Ew. Hoch= und Hochwohlgebohrne Excellenzien in der bekannten Pasquill=Sache auf unserm am 7. Maÿ unterthänig erstatteten Bericht uns vermittelst des Höchstzuverehrenden Rescripti vom

[Bl. 19v]
28. ejusd. in hohen Gnaden aufzutragen geruhet, daß wir mit der angefangenen Untersuchung in berührter Sache fortfahren und von dem Erfolge gehorsamst berichten solten; so haben wird dieses gehorsamst zu befolgen an die beide Professores von Selchow[2] und Lowitz eine schriftliche Ladung ausfertigen und ihnen behändigen lassen. Wie dieser zu Folge der Prof. Lowitz zu gesetzter Stunde sich persöhnlich einfand, so weigerte er sich in ein mündliches Verhör sich einzulaßen, sondern begehrte, wie das in Acten 12. 17. befindliche Protocoll vom 7. Jun. a. c. mit mehren besaget, wir solten ihm die wider ihn

[Bl. 20r]
eingebrachte Anzeigen zu seiner schriftlichen Verantwortung schriftlich communiciren, welches wir aber vermöge der Rechte uns nicht ermächtigen können. Der Professor von Selchow erschien in Person und hat sich über die wider ihn angebrachten Judicia, wie das sub n. Actor. 18. liegende und darüber abgehaltene Protocoll zeiget, mündlich verhören laßen. Zudessen fand sich der Prof. Lowitz nachhero beÿ mir dem Prorectore ein und lieferte das von ihm beÿ Riemenschneidern[3] abgenommene Pasquill ein, übergab auch am 12. Jun. curr. das sub num. 20. actor. befindliche Pro Memoria worinnen er die Ihm wieder ihn extra acta kund ge-

[Bl. 20v]
wordenen Judicia abzulehnen vermeinet haben mag. Als wir nun in dem Begriff waren Ew. Hoch= und Hochwohlgeb. Excellentzien von dem bisherigen Verlauff der Sache unsern pflichtschuldigsten Bericht abzustatten; so erhielten wir das gnädige Rescript vom 16. Jun. curr. vermöge dessen Ew. Hoch= und Hochwohlgeb. Excellentzien für das Beste zu seÿn erachteten, dieser verhaßten Sache dadurch ein Ende zu machen, daß die abgenommenen Schand=Schrifften durchs Nachrichters Hand verbrand werden solten. Als wir nun dieses Rescript in Deputatione ablasen; so gabe der als ein Mitglied der Deputation anwesende HofRath Michaelis[4] ad protocollum zu er-

[Bl. 21r]
kennen, daß er so wenig als andere durch die Pasquille noch mehr beleidigte sich beÿ dieser abrumpirten Untersuchung beruhigen könte, wie das in actis n. 22. beÿgelegte Protocoll besaget.[5]

Da es nun in der That sehr bedenklich fällt, die Untersuchung zu abrumpiren, ohne daß die, wider die sich verdächtig gemachten Personen, vorhandene Indicia rechtlicher Art nach, abgelehnet werden, und durch solche connivence[6] die in verborgenen liegende Ehren=Schänder nur dadurch zu einer neuen Unternehmung leicht veranlasset werden möchten; So nehmen wir uns beÿ der von dem Hofrath Michaelis bereits geäuserten

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und von andern Mitbeleidigten zu besorgenden Unzufrieden die Ehrfurchtsvolle Freÿheit, dem ohnmaßgeblichen unterthänigen Vorschlag zu thun: Ob nicht dadurch die Sache am füglichsten zur Endschafft zu bringen seÿ, wenn durch ein gnädiges Rescript verordnet würde, beÿden Professoribus von Selchow und Lowitz die Eröfnung zu thun, ob sie ohne weitere Weitläuftigkeit sich zu Ablegung des Reinigungs-Eÿdes[7] erklären, oder ob sie erst die weitere Fortsezung der Untersuchung mit Vereÿdung der Zeugen, Confrontation, und was sonsten erforderlich, da doch am Ende nichts als gedachter Reinigungs=Eÿd übrig bleiben würde,

[Bl. 22v]
gewärtigen wollten.

Dieses haben wir beÿ dieser uns selbst sehr lästigen Sachen unterthänig zu berichten nicht ermangeln sollen, die wir übrigens königlicher Regierung hohen Gutfinden und weiteren gnädigen Befehlen alles unterthänig heimstellen und mit pflichtschuldigster Verehrung verharren


Eurer Hoch= und Hochwohlgebornen Excellentzien
unserer gnädigen und Hochgebiethenden Herren,


Göttingen
  den 20. Junii
      1763.

unterthänig gehorsamster
Prorector und die zur Univer-
sitaets=Deputation verordnete
Professores.                    
Chr. Mich. Fr. Walch
zeitiger Prorector



Fußnoten

  1. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Juli 1762 bis zum 4. Juli 1763 war er Prorektor der Universität.
  2. Der Jurist Johann Heinrich Christian von Selchow (1732-1795) war seit 1757 außerordentlicher Professor der Rechte, 1762 dann ordentlicher Professor in Göttingen.
  3. Andreas Riemenschneider (ca. 1682-28.05.1762) war Knochenhauer bwz. Metzger und bewohnte das Haus in der Weender Str. 82.
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 277
    Wellenreuther, Hermann (Hrsg.): Göttingen 1690-1755. Studien zur Sozialgeschichte einer Stadt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 476. Tab. XV, Nr. 434.
  4. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  5. Siehe dazu die Stellungnahme von Michaelis vom 20.06.1763.
  6. connivence: Duldung.
  7. Der Reinigungseid ist der Eid, "welchen der Richter auf Erkänntniß derer Sachen demjenigen aufleget, wieder welchen etliche Vermuthungen streiten, daß er sich dadurch von solchen befreye, und die zweifelhafftige Sache entschieden werde" (Zedlers Universallexikon).