Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Walch, Christian Wilhelm Franz (1726-1784)[1]
Ort Göttingen
Datum 16. Juni 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-1, Bl. 90r-91v
Transkription Hans Gaab, Fürth
Hinweis Warum Lowitz diesen Brief absandte, erklärt er in seinem Pro Memoria vom 17. August 1763, Scan 199


Praes. d. 16. Jun.

Magnifice
Hochwürdiger, Hochgelahrter,
Insonders Hochzuverehrender Herr Prorektor !


Da ich nunmehr die ganze Verschwörung wieder mich, entdeckt habe, wodurch mir ein Laster will aufgebürdet werden, davor ich den äußersten Abscheu trage; so finde ich nöthig zu seÿn, vorläufig Ew. Magnificenz gehorsamst zu bitten, den Herrn Stallmeister[2] erinnern zu lassen, daß Er mir die am Pfingsttage seiner Köchin[3] zu seinem Haushalten, für Ihn, vorgestreckte dreÿ Rthl, bestehend in einem Goldgulden, und in einem Rthl neuer 1/12 Stücke Licentgelde wieder zurück verschaffe !

Da Ew. Magnif. diese Sache sonderbahr scheinen möchte: wie sie auch dem Herrn Stallmeister sonderbar vorkommen wird, in dem ich zweifle, ob derselbe die geringste Wissenschaft davon habe; so will ich sie hier mit allen Umständen erzählen.

Am Pfingsttage abends sendete die Köchin des Herrn Stallmeisters ihr Nebenmädgen zu mir ins Hauß, und ließ mich bittend fragen, ob ich ihr erlauben wolte, auf ein paar Worte, die sie nothwendig mit mir zu sprechen habe, zu mir kommen zu dürfen? Da sie vorher, während daß die Inquisition dauerte, etliche mahle beÿ mir war, so sagte ich daß es mir lieb seÿ. Die Köchin kam erst gegen zehen Uhr. Nachdem sie mir die gegründet scheinenden Ursachen erklärte, die sie bewogen haben so späte zu mir zu kommen: und da sie sonst noch eine Weile beÿ mir[4] war: so erzählte sie mir daß der Herr Stallmeister am vorigen Tage oder 2 Täge vorher: ich weiß dieses nicht mehr gewiß: verreiset wäre. Er hätte ihr zum Haußhalten nur eine Pistole hier gelassen und vergessen, denen Knechten ihr Wochen Postgeld zu bezahlen. Diese hätten sie genöthiget, ihnen ihr Postgeld zu bezahlen: und nun hätte sie nicht genug Geld

[Bl. 90v]
zum Einkauf; zumahl der Herr Gerichtsschulze hier geblieben ist, der gleichfals hatte verreißen wollen. Ich erinnerte sie an ihre Mademoiselle, von der sie ja füglicher dieses zu ihrem Haushalt fordern könte als von mir, so antwortete sie; daß sie mit derselben nichts zu thun haben möchte. Sie bat mich noch einmahl inständig ihr aus zu helffen, und versprach, mir das Geld, so bald ihr Herr nach Hauße käme, wieder zubringen. Am andern Tag hatte ich Gelegenheit zu erfahren, daß ihr Nebenmädgen gleichfals Wissenschaft von dieser Sache habe.

Am 31. May kam die Köchin ohngefähr zu mir auf meine Stube, und bat mich um Verzeÿung, daß sie mir das Geld noch nicht gebracht habe. Ihr Herr hätte noch nicht mit ihr abgerechnet. Ich erwiederte, daß es gute Weile hätte, wenn ich es nöthig befinde, so wolte ich es schon fordern.

Am 10 Juny wiederholte sie dieses abermahlen beÿ mir. Damals sagte ich ihr, daß es beÿ diesen Umständen, worein sie mich durch ihre Torheiten verwickelte, besser geweßen wäre, wenn sie dieses Geld von ihrer Mademoissel oder von jemand anderem verlangt hätte, als von mir. Sie berief sich aber darauf, daß sie zu niemand andern als zu mir ein Vertrauen habe: zumahl, da ich ihr schon öfters in dergleichen Fällen ausgeholffen hätte.

Da ich nun diese schlechte Sache nicht gerne in meine künftige Vertheÿdigung mit einmische; so wünsche ich sehr, daß Ew Magnificenz dem Herrn Stallmeister des wegen freundschaftlich möchten erinnern laßen, mir mein Geld von seiner Köchin zu verschaffen. Übrigens würde es zur Erläuterung verschiedener anderer Dinge

[Bl. 91r]
meines angefangenen Processes dienlich seÿn, wenn Ew. Magnificenz sichs gefallen ließen, dieses Billet den Acten beÿ zu legen. Ich habe die Ehre mit vollkommener und wahrer Hochachtung Ihr Knecht zu seÿn


Ew. Magnificenz



am 16ten Junius
        1763.

gehorsamster Diener
Gerog Moritz Lowitz


P.S. Ich hoffe sehr daß meine am 13 Junius Ew. Magnificenz eingehändigte Schrift,[5] da sie damals nicht nach Hannover gesendet wurde, doch heute gewißlich abgehe.


Fußnoten

  1. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Juli 1762 bis zum 4. Juli 1763 war er Prorektor der Universität.
  2. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  3. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  4. Im Original steht hier: "beÿ mir beÿ mir".
  5. Gemeint ist hier sein Pro Memoria, das er aber schon am 12. Juni eingereicht hatte, nicht am 13.