Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Göttingen
Datum 19. September 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 246-249
Transkription Hans Gaab, Fürth


Königlich Großbrittanische zur Churfürstl. Braunschweig=
Lüneburgl. Landes Regierung Hochverordnete Herren
Geheime Räthe,
Hoch- und Hochwohlgebohrne Herren,
Gnädigste und Hochgebiethende Herren !



Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrl. Excellences erlauben gnädigst mein Erstaunen über die Verwunderung zu bezeigen, welche Höchst dieselben auf meine gerechten Beschwerden wegen des schändlichen Pasquillen Proceßes, gegen mich zu äußern scheinen. Das letztere Promemoria des Hln. Geheimen Secretaire Balck[1], welches den 5.ten Sept. datirt, und mir doch erst den dritten Posttage nachher, nehmlich am 13. Sept: durch die Post in die Hände geliefert worden ist, giebt mir auf mein letzteres unterthäniges Schreiben eine solche Antwort, die ich unmöglich für die wahren Gesinnungen eines so hocherlauchteten, gerechten und gnädigsten Ministerii erkennen kann. Sollten denn die niederträchtigen Begegnungen, die ich bißher ausstehen mußte, und darüber ich die gerechteste Klage führe, der Vorschrift der Rechte, und einer unpartheÿischen Justiz-Pflege vollkommen, wie der Concipierente dieser erdichteten Antwort mahlet, gemäße seÿn? Das ist vielmehr die Vorschrift der Bosheit, als der Gerechtigkeit, und hierüber soll in Zukunft das unpartheÿische Publicum urtheilen. Ich bin von der Gerechtigkeits Liebe, und von denen erhabenen Einsichten Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrl. Excellences viel zu starck überzeugt, als daß ich diese Antwort die sich nicht das allermindeste auf meine unterthänigste Vorstellung paßet, Höchst Dero weltbekannten Gedenkungsart

[Scan 247]
zuschreiben sollte! Ich ersehe vielmehr daraus, und es erkennet dieses auch ein jeder vernüftige Mensch, daß man geflißentlich, und vielleicht auf Anstiften meiner muthwilligen Feinde, die wesentlichsten Umstände meiner gerechten Klagen, und Beschwerden aus meinen Briefen Ew. Hoch- und Hochwohlgebohren Excellences verborgen hält. Es wird dadurch der Lauf der Gerechtigkeit verhindert, und mir geschiehet dabeÿ das größte Unrecht von der Welt.

Ich sehe mich aus dieser Ursache nothgedrungen einen Schritt zu thun, den sich meine Feinde nicht vermuthen, und welchen sie auch nicht wehren können. Da es mir also selbst gäntzlich unmöglich ist, Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen Excellences von dem wahren Zustand meiner hiesigen fatalen Angelegenheiten durch meine Briefe zu unterrichten; so muß ich alle meine auswärtigen hohen Gönner, und Beförderer bitten, mir durch Privatschreiben an Ew. Hoch- und Hochwohlgebl. Excellences kräftigst beÿ zu stehen, um die Wahrheit, die meine Feinde so boshaft unterdrucken, in Hoch Deroselben eigene Hände zu bringen.

Was meine Dimission anbetrift, so muß ich noch einmahl unterthänigst darum ansuchen, mir dieselbe gnädigst zu verschaffen. Und da ich auch schon in meinem letzten Schreiben unterthänigst gebethen habe, jemand hier in Göttingen zu ernennen, mit welchem ich wegen meiner Verbindlichkeiten in Ansehung des Vorschußes, und des im Krieg unschuldig erlittenen Verlustes mich besprechen könne; so wiederhole ich diese Bitte hiemit noch einmahl! Und so bald, als die mir angekündigte Visitation des Observatorii wird vorgenommen seÿn, so werde ich dem Herrn Prorector[2] so wohl die darauf verwahrten Bülowschen Instrumente[3] überliefern, und die Schlüßel dieses Gebäudes in seine Verwahrung geben: als auch das neue Verzeichniß, nebst der genauen Beschreibung dieser In=

[Scan 248]
strumente, die ich mit allem Fleiß gemacht habe, in Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrl. Excellences Hände einsenden.

Beÿ der Visitation wird sich zeigen, daß der beträchtlichste Schaden am Observatorio schon lange beÿ Lebzeiten des seel. Prof: Maÿers entstanden war, indem der Baucommißarius Müller[4] damahls die Balcken und Bohlen von den überkleideten Mörtel hat entblösen laßen. Was diese anderthalb Jahr über, seitdem ich dieses Observatorium, ohne daß es mir übergeben war, zu meinen Untersuchungen genutzet habe, für ein Schaden entspringen können, ist etwann der Verlust etlicher Schiefer vom Dache, die durch die Winde abgerißen worden, deren Folgen aber zu dem Hauptruin gewiß nichts beÿgetragen haben. Mithin habe ich den mir gegebenen Verweis gantz und gar nicht verdienet. Ich wünsche daher, daß man einen fleißigen, und geschickteren Astronomum, als ich bin, zu diesen incompletten Observatorio finden möge !

Schließlichen muß ich mir abermahlen die Freÿheit nehmen zu erinnern, daß schon widerum 3. Wochen seit meinen letztern beantworteten 3. schlechten Fragen verfloßen sind, ohne daß beÿ der Universitäts Deputation in dieser berufenen Schandsache etwas wäre vorgenommen worden. Es ist höchst nöthig, daß diese Untersuchung schleunig, und ununterbrochen fortgesetzt werde, denn sonst sehe ich mich gezwungen, meine Unschuld öfentlich vor dem Publico zu beweisen, meine Handlungen zu rechtfertigen, und die abscheuliche Bosheit meiner Feinde, die man durch die Verlängerung dieses Proceßes wißentlich schützet, zu entdecken und der Welt bekannt zu machen. Ein jeder rechtschaffene Mann hoffet mit mir, daß Ew. Hoch- und Hochwohlgebl.

[Scan 249]
Excellences diese billige und gerechte Absicht viel lieber befördern als hindern werden. Der ich in tiefster Submission zu verharren die höchste Ehre habe



Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen
Excellences



Göttingen am
19. Sept. 1763.

unterthänigster Diener
Georg Moritz Lowitz



Fußnoten

  1. Heinrich Eberhard Balck (1705-1769) war geheimer Kanzleisekretär in Hannover.
  2. Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.
  3. Joachim Heinrich von Bülow (1650-1724) war Staatsminister in Königlich britischen Diensten, Großvoigt von Celle und Geheimer Rat gewesen. Seinen großen Bücherbestand sowie einige physikalische und mathematische Instrumente erhielt 1734 die Universität Göttingen als Geschenk.
  4. Johann Michael Müller (1723-1777) hatte von 1740 bis 1744 Mathematik in Göttingen studiert. 1750 wurde er Aufseher über die Gebäude im Gebiet des ehemaligen Fürstentums Göttingen. Ab 1753 konnte er auch Vorlesungen zur angewandten Mathematik abhalten.