Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Pütter, Johann Stephan (1725-1807)[1]
Ort Göttingen
Datum 7. November 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 283-284
Transkription Hans Gaab, Fürth

praes. den 7. Nov. 1763.

Ew. Magnifice


erlauben gütigst mit gegenwärtigen Zeilen die Anzeige zu erneuern, die ich schon ein paar mahle mündlich, beÿ Gelegenheit derer Verhöre, an die Hochlöbliche Universitäts-Deputation gebracht habe. Nemlich: daß der Herr D. Falkenhagen[2] selbst, mit allem Fleiße die heraus gekommenen Pasquille, in das Publicum ausstreue, und dadurch die Schande seines Wohlthäters, des Hl Stallmeisters[3] bekanter zu machen suche. Ich will nur die beeden neuern Fälle melden, die es bestärcken, daß der Verdacht gegen ihn, als wenn er wenigstens an denen beÿden Pasquillen in Versen einigen Antheil habe, gegründet seÿe. Denn wer dergleichen Schmähschriften bedächtig in das Publicum bringt, und bekanter machet, der zeigt nicht nur allein seine Freude darüber; sonder er entdeckt auch zugleich, daß ihm würklich daran gelegen seÿe, sie auszubreiten.

I. das Pasquille, die Klage der Studenten[4] hat er dem Hl. Pastor Heini[5] mit griechischen Buchstaben geschrieben, mitgetheilt: und dieser Ehrwürdige Herr hat es selbst wiederum einem andern hiesigen berühmten Manne vorgelesen.
II. Das Pasquill die Apologie des Hl Stallmeisters[6] mit dem Priapus[7] versiegelt, gab er dem Herrn Pastor Schmidt in Lütgenlange[8], und dieser las es nicht allein einem andern hiesigen berühmten Manne beÿ dessen dortseÿn vor; sondern brachte es auch alsobald zu dem Hl Pastor Schierholz nach Grossen-Schneen[9], beÿ dem es wiederum ein hiesiger Candidatus Juris zu leßen bekam.

Über dieses, habe ich auch durch das beÿ mir dienende Kindermädgen in Erfahrung gebracht; und diese kann ihre Nachrichten beweisen, daß von dem Pasquille mit dem Priapus, annoch Originale in folgenden Händen sind; 1] der Mademoiselle Papen[10]: 2] des Hl Hofmedic: Clärichs[11]: 3] der Herr Schramm[12] Bruder der Frau Professorin Mathiä[13].

Ich halte dafür, daß es sehr nothwendig seÿe alle diese Papiere einzusammlen: und insbesondre auf die Ursachen zu inquiriren, welche den Hl. D. Falkenhagen bewegen, die Pasquille jedesmahl so eÿfrig bekant zu machen.

Göttingen am 7ten Nov. 1763.

Georg Moritz Lowitz

52.[14]


P.M.
Nachdem ich durch den Pedell Müller[15] beÿ obigen Personen nachfragen lassen; hat derselbe einliegende von Hln Schramm zurückgebracht, von den andern aber die erhalten Antwort, daß sie kein dergleichen Pasquille hätten.
den 10. Nov. 1763
JS Pütter


Fußnoten

  1. Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.
  2. Johann Heinrich Falkenhagen (1720-1784) war Privatdozent der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  3. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  4. Dieses Pasquill war am Morgen des 7. Juli 1763 an den Häusern von Achenwall, Köhler, Michaelis und Pütter angeschlagen gefunden worden. Es war mit griechischen Buchstaben geschrieben, Pütter dechiffrierte es, Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 145-146.
  5. Hartwig Hieronymus Heini (?-18.01.1796) war von 1752 bis 1768 Pastor an der Göttinger Jacobikirche. Von 1768 bis 1796 war er Pastor im zwischen Hamburg und Lüneburg gelegenen Winsen an der Luhe.
    Meyer, Philipp: Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der Reformation. Band 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1941, S. 326; Band 2: 1942, S. 517.
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 256.
  6. Das Pasquill mit dem Titel Apologia war in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1763 an verschiedenen Häusern angekleistert worden. Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 202-214 (7 Exemplare).
  7. Priapus gilt als Gott der ländlichen Fruchtbarkeit. Er wird mit einem übergroßen Penis dargestellt.
  8. Lütgenlange ist das heutige Klein Lengden nordöstlich von Göttingen. Ein Pastor Schmidt ist dort nicht nachweisbar. Vermutlich handelt es sich um eine Verwechslung mit Klein Schneen (Lütgenschneen), denn hier wurde 1756 der Pfarrer Johann Christoph Schmidt (09.07.1726-1788) eingeführt. Schmid wurde 1768 Stiftsprediger im Kloster Loccum westlich von Hannover. Meyer, Philipp: Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der Reformation. Band 2. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1942, S. 30, 87.
  9. Johann Ludwig Schierholz (?-1783) wurde 1742 Feldprediger in den spanischen Niederlanden. Von 1748 bis 1755 war er Pastor in Bühren östlich von Göttingen, von 1755 bis 1782 Pastor in Grossenschneen, einer kleinen Ortschaft südlich von Göttingen. Meyer, Philipp: Die Pastoren der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der Reformation. Band 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1941, S. 142, 373.
  10. Dorothea Juliana Pape[n] heiratete 1765 den Stallmeister Johann Heinrich Ayrer. Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 274.
  11. Friedrich Wilhelm Klärich (1721-05.08.1780) war seit 1759 Stadtphysicus in Göttingen, 1765 wurde er Hofmedicus. Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 260.
  12. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  13. Georg Matthiae (20.03.1708-09.05.1773) war seit 1755 außerordentlicher Professor fü:r Medizin, 1765 wurde er ordentlicher Professor. Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 267.
  14. Aktennummer im Pasquillenprozess.
  15. Johann Martin Müller (ca. 1693-12.07.1768) war von 1734 bis 1768 Universitätspedell in Göttingen. Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 269.