Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Pütter, Johann Stephan (1725-1807)[1]
Ort Göttingen
Datum 3. Dezember 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 291-293
Transkription Hans Gaab, Fürth


praes. den 3. Dec 1763.


Magnifice
Hochwohlgebohrner
Hochgelahrter Herr Prorector,
Insonders Hochzuverehrender Herr Hofrath !



Ew. Magnificenz ist bekand, daß ich schon am 14 October in meinem gehorsamen Schreiben angesuchet habe, mir die nothwendigsten Acten Stücke des bewusten Schand Processes abschreiben zu lassen. Ich forderte vorerst N. 2. 5. 9. 33. 36. 41. 42. 47. 50.[2]

Davon erhielt durch den Pedellen Fricke[3]

  am 29 October N. 2. 5. 9. und 41.
  am 5 November N. 36 und 47.
  am 26 November N. 33

Hieran fehlet mir also noch N. 42. die der Pedell Fricke noch nicht von Ew. Magnif. erhalten zu haben vorgiebet. Da diese so langweilige Verzögerung der Mittheilung mich nicht allein an der Einrichtung zu meiner Defension gewaltig hindert, sondern auch selbst wieder die Königlich Criminal Instruction lauffet: so nahm ich mir lezthin am 9ten Nov. die Freÿheit Ew. Magnic. nicht allein persöhnlich um diese Beschleunigung eines Theiles der Gerechtigkeit gehorsamst zu ersuchen, sondern ich bat mir auch flehentlich eine neue Einsicht der Acten aus, damit ich eine vollkommene Erkäntniß von diesen elenden Processe erlangen könne. Ich habe aber bisher noch nicht die geringste Resolution hierüber erlangen können. Daher nehme ich mir mit gegenwartigen Schreiben noch einmahl die Freÿheit darum an zu suchen: und ich hoffe Ew. Magnif. werden mir diese Gefälligkeit erzeigen, und gleich mit dem Anfange der künftigen Woche die Acten in meine Hände schaffen, damit ich theils die angefange Ausschreibung verschiedener Dinge enden, theils aber bestimmen könne, was mir ferner copeÿlich zu communiciren seÿe. Sollte allenfals der Herr Professor Riccius[4]

55.[5]

[Bl. 1v]
nicht Zeit haben sich dabeÿ auf zu halten; so bitte ich ganz gehorsamst dieses nicht als ein Hinderniß gelten zu lassen. Erlauben mir nur Ew. Magnif. daß ich in dero Wohnung kommen, und in Beÿseÿn eines dero Domestiquen diese Schandblätter nutzen könne ! Ich weiß nicht warum man mit diesen elenden Papieren so geheimnißvoll umgeheht. Entweder man siehet mich dabeÿ als einen Betrüger an, daß man sie mir nicht anvertrauen will: oder es sind andre mir unbekante Ursachen vorhanden, die man als eine Hinderniß ansehen will. Denn die Vorschrift einer unpartheÿischen Justiz-Pflege, nach der ohnehin dieser Schand-Prozeß ganz u. gar nicht geführet worden ist, darf hierbeÿ gewiß nicht vorgeschützet werden. Es scheinet überhaupts, daß man diese Schandsache so weit hinaus verlängern will als es nur möglich ist. Allein es werden dadurch nur die Fehler immer mehr gehäufet; und ich bekomme um so viel stärckere Ursache zu vermuthen, daß mein Ew. Magnif. schon so oftmahl entdeckter Verdacht: "daß man mich vorsezlich beÿ diesem Schand-Prozeß mit allem Fleiße reitzen wolte, um aus Göttingen zu ziehen" gegründet seÿe. Wie oft habe ich nicht gebetten, man solle doch diese Sachen auf allen Seiten auf das schärfste untersuchen? und dieses geschahe, ehe mir noch die Acten zu sehen erlaubt war. Was ist aber dem ohngeachtet geschehen? Ich werde dieses in Zukunft auseinander zu setzen, überflüßige Gelegenheiten haben.

Ew. Magnicicenz glauben ! daß mir alle fernere Verzögerung in diesen Streitigkeiten unendlich schädlich ist: und da dieses nun nicht mehr meine Sache, sondern eine Sache des Publici ist; so hat die Hochlöbl. Universität allen möglichen Fleiß an zu wenden, damit dieser Proceß ein solches Ende gewinne, der mit Ihrem in der ganzen Welt

[Bl. 2r]
festgesetzen hohen Ruhm bestehen kan. Deswegen ist die höchste Unpartheÿligkeit, und die stärkste Gerechtigkeit dazu nöthig, um denselben zu erhalten und zu erhöhen. Ich meiner seits habe mich um dieser Ursache willen in denjenigen Zustande gesetzt, darinnen man nicht das geringste auf meine Persohn zu sehen habe.[6] Ich fordere also die stärkste und genaueste Untersuchung: denn sonst wird nichts heraus kommen, daß der Universität Ehre brächte.

Unter Erwartung einer gütigen und sichern Erklärung habe ich die Ehre mit aller möglichen Hochachtung und Ehrfurcht zu verharren


Ew. Magnificenz



am 3ten December
            1763.

gehorsamster Diener
G. M. Lowitz


PS. Eben da dieses Schreiben zum übersenden bereit war, so brachte mir der Pedell Willig[7] das Decret der Hochlöblichen Deput. vom 28. Nov. 1763. und also erst am 5ten Tag nach der Ausfertigung.



Fußnoten

  1. Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.
  2. Laut Brief vom 14.10.1763 waren Lowitz "die Briefe und die Angebungen des Herrn Stallmeisters und des Herr Prof. Kölers in extenso nöthig". Konkrete Aktennummern finden sich in diesem Brief nicht, die scheint Lowitz später nachgereicht zu haben. Akt 2, 41 und 42 sind Briefe bzw. Anzeigen des Stallmeisters, Akt 9 ist ein Brief von Köhler, Akt 36 ein an Köhler gerichtetes Dekret. In Akt 5, 47 und 50 finden sich Protokolle über Verhöre der Köchin des Stallmeisters. Akt 33 ist das Protokoll über das Verhör von Lowitz am 23.08.1763.
  3. Johann Daniel Christoph Fricke (1735-1809) war Pedell (Hausmeister) an der Universität in Göttingen.
  4. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  5. Aktennummer im Pasquillenprozess.
  6. Lowitz spielt hier darauf an, dass er im Herbst 1763 von allen seinen Ämter zurücktrat.
  7. Johann Christoph Willig (1726-1810) war Pedell der Universität in Göttingen. Vgl:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien. Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996, S. 512.