Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Pütter, Johann Stephan (1725-1807)[1]
Ort Göttingen
Datum 14. Oktober 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 279-282
Transkription Hans Gaab, Fürth


praes. den 14. Oct. 1763.


Magnifice
Hochwohlgeborner Herr
Insonders Hochzuverehrender Herr Prorector !



Nachdem ich vorgestern die bewusten Schandacten meiner verschwohrnen Feinde durchgesehen, und darinnen wahrgenommen habe, daß mir vorerst zum Grunde meiner Vertheidigung die Briefe und die Angebungen des Herrn Stallmeisters[2] und des Herr Prof. Kölers[3] in extenso nöthig sind; so nehme ich mir die Freÿheit Ew. Magnificenz gehorsamst zu bitten ! den Herr Professor Riccius[4] zu erlauben, daß er durch den Pedellen Fricke[5] diese mir so nothwendigen Actenstücke auf meine Kosten, so bald als es nur möglich ist, genau und richtig abschreiben lasse: und zwahr wünschte ich von Herzen zu allererst die Briefe des Herrn Prof. Kölers[6] zu erlangen.

Ich bin nunmehr von der Gerechtigkeitsliebe Ew. Magnificenz so vollkommen überzeuget, als es je ein Mensch in der Welt seÿn kan: und ich muß es hier zu meiner Schande gestehen, daß ich, vor der Einsicht der Acten, diesen häßlichen Argwohn geheget habe, als urtheilte die hochlöbl. Deputation nur aus denen Beschuldigungen meiner Feinde wieder mich, ohne daß

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ich gehört werde. Denn mir war die Verschickung der Acten nach Hannover bekant: und die öffentlichen Gerüchte und Urtheile waren so stadtkündig, daß man schon von einer Bestraffung redete, ohne daß ich noch nicht einmahl vorgefordert war. Über dieses kante ich auch den Unterschied zwischen den Civil und Criminal Proceß noch nicht; ausser daß man mich versicherte, die Inquisition müßte so geheim tractiert werden, damit niemand am wenigsten aber der verdächtig gemachte, das allergeringste davon erfahre. Ew. Magnificenz wissen es selbst, daß man in diesem Proceß ganz anders verfuhr. Meine verschworenen Feinde machten schon ehe sie noch ihre Anklagen der hochlöbl. Deputation übergaben, der gantzen Stadt bekant, daß ich der Verfasser seÿe: und nach dem die Untersuchung anging, so sprengten sie ihre Aussagen, und noch viel mehr, als ich in den Acten würcklich gefunden hatte, unter die Leute, mit der Versicherung ich wäre schon so weit überführet, daß nun mehr nichts als mein Bekäntniß fehlet: wozu man mich aber, ehe noch 3 Wochen vergehen gewißlich bringen werde. Als denn, hieß es ferner, kan es nicht anders seÿn, ich müste in das Zuchthaus wandern. Die Köchin[8] des Herrn Stallmeisters beklagte damals beÿ jemand meine Frau u. kleine Kinder. Der Hl Hofrath Michaelis[9] aber nur meine Familie. Tausend dergleichen Nachrichten wurden mir zugebracht, und ihre Quellen woher sie floßen entdeckt. Das alles zusammen genommen machte mich unendlich argwöhnisch: und dieses wird das Rätselhafte meiner

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ersten Ausführung Ew. Magnificenz vollkommen auflößen, und ich hoffe man werde, um diesem höchsternen Zustand meines Herzens willen, mich mitleidig entschuldigen.

Ich bitte also hiermit Ew. Magnificenz, und überhaupts die hochlöbl. Deputation demüthig um Verzeÿhung ! aber weit mehr wegen meiner argwöhnischen Gedanken, als von wegen meiner äußerlichen Handlungen. Denn diese lezteren stützen sich nothwendig auf die Erstern.

Da der hochlöblichen Deputation ganz gewiß mehr an meiner Unschuld gelegen ist, als wenn nur der geringste Verdacht auf mir liegen bliebe; so hoffe ich ohne alle Furcht, es werde mir zur Erweisung deselben eben so genau und eben so fleißig beÿgestanden werden, als man meinen bösen Feinde ihren Teil des Processes habe fortführen helffen. Beÿ meiner Vertheidigung werde ich alle mögliche und schuldige Hochachtung gegen Ew. Magnificenz und die übrigen Glieder der hochlöbl. Deputation blicken lassen. Ich werde mich mehr mit denen Beschuldigungen meiner Feinde, als mit deren Persohnen beschäftigen: und da diese Leute gemeinschäftlich die Wahrheit, die hier und da hervorblickt, gewaltsamer Weise und das recht muthwillig verdrehet, und mit Lügen und eigenen abgezogenen Muthmassungen überkleistert haben; so gehört eine ganz besondre Aufmerksamkeit dazu

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diese Decke abzunehmen. Hierzu aber habe ich fürnehmlich richterliche Hülffe nöthig: und ich bin schon zum Voraus überzeuget, daß mir folgende Ausführung von Ew. Magnificenz und der Hochlöbl. Deputation vollkommenen Beÿfall erhalten wede. Inzwischen habe ich die Ehre mit vollkommener Hochachtung zu seÿn


Ew. Magnificenz



am 14. October 1763.

gehorsamster Diener
Georg Moritz Lowitz.



Fußnoten

  1. Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen. Von 04.07.1763-03.01.1764 war er Prorektor der Universität.
  2. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  3. Johann Tobias Köhler (1720-1768) war ebenfalls Professor für Philosophie in Göttingen.
  4. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  5. Johann Daniel Christoph Fricke (1735-1809) war Pedell (Hausmeister) an der Universität in Göttingen.
  6. Vgl. den Brief von Köhler vom 05.05.1763 sowie den Brief vom 07.07.1763.
  7. Nummer des Dokuments in der Desigantio Actorum.
  8. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  9. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.